Weil am Rhein Geschichte lebendig halten

Ines Bode
Freude auf die besonderen Konzerte des Jubiläumsreigens herrscht beim Vorsitzenden Ulrich Kunzendorf (links) und bei Dirigent und Klavierspieler Michael Friesen, den es aus Paraguay ins Dreiländereck verschlagen hat. Foto: /Ines Bode

Die Ötlinger Sänger blicken in diesem Jahr auf das 180-jährige Bestehen ihres Vereins zurück.

Gefeiert wird mit besonderen Jubiläumskonzerten, eines mit dem Frauensingkreis, der laut Ulrich Kunzendorf übrigens den 80. Geburtstag begehe. Kunzendorf als Vorsitzender kündigt für den Jubiläums-Reigen an, neue musikalische Wege zu gehen. Das hänge mit dem Dirigenten Michael Friesen zusammen, der den Männerchor seit Sommer 2022 leitet. Dem Chorleiter zufolge werde es eine Matinee am Muttertag geben, gesungen werde gar ein Gospel. Um die Hürde „Singen in englischer Sprache“ zu umschiffen, erklingen die Strophen in Deutsch und nur der Refrain verbleibe in der Originalversion. Schmunzelnd merkt Friesen an, als Hilfsmittel greife man auf die Lautschrift zurück.

Stimmstarke Mannschaft

Die Ötlinger Sänger sind als stimmstarke Mannschaft bekannt. Folglich ist am 14. Mai ein Ohrenschmaus geboten. Gleiches lässt sich im Oktober in der Kirche erwarten. Angedacht sei, mit dem weiblichen Pendant einen gemischten Auftritt zu bieten. Jedes Ensemble singe für sich, und ein, zwei Stücke werden gemeinsam vorgetragen. Dass sich der Frauensingkreis erst ein Jahrhundert später gründete, verwundert kaum. Vereine galten einst als Männerdomäne. Für Friesen, Jahrgang 1982, und laut Kunzendorf „unser Jüngster“, barg das Gründungsdatum eine gewisse Faszination. Das sei gelebte Tradition.

Der gebürtige Kanadier, der als Kind mit den Eltern in deren Heimat Paraguay zurückging, wuchs dort in einer deutschen Siedlung auf. Diese sei 1927 gegründet worden. „Die fast hundert Jahre sind mein kulturelles Gedächtnis“, lacht er. Als Sechsjähriger begann Friesen, Klavier zu spielen, als Jugendlicher sang er in einem sakralen Chor, deren Leitung er später übernahm. Hinzu kamen Ausflüge in mehrere Genres. Noch in Paraguay studierte er Lehramt, war als Lehrer tätig, kam dann jedoch 2016 samt Ehefrau nach Basel wegen eines Theologiestudiums.

Viele Lieder vom Wein

Kunzendorf freut sich, dass die Harmonie im Verein stimme. „Friesen zeigt Gespür und Gefühl.“ Der Dirigent wiederum freut sich, einen Teil zu dem großen Ereignis beizutragen, „die Geschichte lebendig zu halten“. Sein Eindruck zur örtlichen Chorarbeit: „Es gibt unglaublich viele Lieder, die von Wein handeln.“ Kunzendorf weist auf das Vereins-Büchlein von 2005 mit 76 Texten. Wer kurz darin blättert, stößt auf „Trinklied“, „Auf euer Wohl“, „Weinland“ und mehr. Dazu passt ein Zitat des Protokollbuchs von 1906/07 – der Eintrag stammt von 1912, als man die Weinmusterung pflegte: „Wenn auch die ausgestellten Proben denen des letzten Jahres nicht nachkamen, so wurde ein noch trinkbarer Wein vorgestellt.“

Der starke Zusammenhalt im Chor fiel auch Friesen auf, sei es bei Geburtstagen, sei es beim Umtrunk nach der Probe. Mit Zahlen wartet der Vorsitzende auf: Mehr als 500 Lieder wurden sicher vom Chor einstudiert. Die ältesten des heutigen Repertoires stammen von Schubert, der bis 1828 lebte. 50 Lieder handeln von Wein und Heimat. Laut Protokoll gab es 1909 exakt 24 Sänger. 1982 waren es gar 47 Sänger, heute sind es 20. Überlebt haben indes zwei alte Fahnen und die Protokolle, die von den Finanzen handeln. 1924 lag das Vermögen bei 304 Mark, 1961 bei 4677 Mark. 1910 kostete der Liter Wein 46 Pfennig und der Schübling 60 Pfennig; 1926 lag der Wein bei 80 Pfennig.

Ein Stück Kultur erhalten

1960 erwarben die Sänger eine Baracke für 1750 Mark, um sie als Proberaum aufzubauen. Dazu kam es nie. Stattdessen wurde sie irgendwann verkauft – mit sattem Gewinn. Ebenso amüsant die Tatsache, dass einst ein Gremium entschied, wer Mitglied wird: Dazu musste man das Vorsingen überstehen. Der Wunsch für die Zukunft sieht natürlich den Erhalt beider Chöre vor, damit ein Stück Kultur im Dorf erhalten bleibe.

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