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Weiler Zeitung

Leben im Umbruch“: Ausstellung über Weil in den 1920er Jahren im Museum am Lindenplatz eröffnet /Persönliche Schicksale

Im Museum am Lindenplatz ist gestern die Ausstellung „Leben im Umbruch – Weil in den 1920er Jahren“ im Beisein von rund 80 Besuchern eröffnet worden. Greifbar wird die Geschichte anhand der Darlegung von persönlichen Schicksalen und einer fundierten lokalen Geschichtsaufbereitung.

Von Marco Fraune

Weil am Rhein. Heinrich Tschamber hatte sich gemeinsam mit seiner Familie vom elsässischen Helfrantzkirch nach Weil aufgemacht, um die Historie noch einmal direkt in Augenschein zu nehmen. So stand der 85-Jährige am Sonntagmittag vor einem alten Koffer seines Großonkels Karl Tschamber, nach dem in Weil im Jahr 1955 die neue Grundschule benannt wurde. „Es ist gut, dass solche Dinge nicht in der Vergangenheit verloren gehen“, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Dabei blickt er auf einige Utensilien, die der verstorbene Heimatforscher bei seiner Vertreibung aus dem – nach dem Ersten Weltkrieg wieder französischem – Elsass einpacken konnte. Ein Buch als Relikt aus der Vergangenheit steuerte der 85-Jährige zur Ausstellung bei, andere Exponate stammen vom Museum in Hüningen.

Heinrich Tschamber ist stolz, dass es der Großonkel trotz der Widrigkeiten geschafft hat, solch eine Bekanntheit in Weil zu erlangen. Seit dessen Tochter im Jahr 1947 bei den Tschambers in Helfrantzkirch zu Besuch war, sei die Beziehung abgerissen. Noch heute lebt der 85-Jährige neben dem Geburtshaus von Karl Tschamber. Doch nicht nur seine Fluchtgeschichte ist in der Ausstellung aufgearbeitet worden, auch weitere.

Das abstrakte Schulwissen über das Ende des Ersten Weltkriegs bis hin zur Machtergreifung der Nazis im Jahr 1933 werde in der Ausstellung lebendig, lobte Kulturamtsleiter Tonio Paßlick die Arbeit der beiden Kuratorinnen Sabine Theil und Elke Fischer vom Museumskreis. Diese könnten auf ein sehr großes Netzwerk zurückgreifen, wodurch Dinge von Dachböden und aus Kellern hervorgebracht wurden.

Doch auch der größere historische Kontext finde damit Beachtung. Paßlick: „Es wird in der Ausstellung nicht gewertet, es wird gezeigt.“ Und dabei finden alle Lebensbereiche Beachtung. Grundlage dafür waren nicht nur zahlreiche Gespräche, sondern auch eine Recherche im Archiv unserer Zeitung, die zahllose Stunden erforderte.

Co-Kuratorin Sabine Theil beschäftigte sich gedanklich rund um die Uhr mit dem Thema der Ausstellung, wie sie im Gespräch erzählt. Ganz besonders sei für sie der Ausstellungsraum über die Rolle der Frau in den 1920er Jahren. So gab es aufgrund der vielen Kriegstoten zwangsweise eine Frauenemanzipation. Doch gleichzeitig musste auch das tägliche Leben irgendwie bestritten werden. „Ich bewundere die Menschen, was sie geleistet haben.“

OB: „Ungemein gut illustriert"

Einen Bezug zwischen 1918 und 2018 erkennt Oberbürgermeister Wolfgang Dietz, wie er in seiner Eröffnungsrede hervorhob. Auch heute gebe es mittlerweile eine politische Gesellschaft, die fragmentiert sei. Anders sieht er das Wehklagen einiger Bürger über „katastrophale“ Zustände. „Krieg ist katastrophal, viele andere Dinge sind Ungemach.“

Bevor die zahlreichen Eröffnungsbesucher dann auf die Entdeckungsreise durch die Ausstellung gingen, lauschten sie noch den Klängen aus dem aus dem Jahr 1925 stammenden Reise-Gramophon, das Thomas Hofer mit der Kurbel betrieb. In der Ausstellung sind zudem Gatsby-Kleider zu sehen, die der an der Historie Interessierte beigesteuert hat. „Die Ausstellung ist ungemein gut illustriert“, lobte der OB die Schau, die nun bis zum 21. Juli zu sehen ist.

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