Weil am Rhein Helden auf verlorenem Posten

Gundula Weissenrieder
Auflösung des Wanderclubs weil (v.l.): Otmar und Georg Weissenberger, Thomas Gießler, Otto Imgrund. Foto: Gundula Weissenrieder

Abschied: Nach 42 ereignisreichen Jahren hängt der Wanderclub seinen Rucksack an den Nagel.

Weil am Rhein - Einst populärer Volksport, kämpfen heute Wandervereine ums Überleben. Auch Thomas Gießler, Vorsitzender des Wanderclubs Weil, der sich hervortat durch Benefizaktionen und Engagement, zieht symbolisch die Vereinstür zu. Und doch: Ein Spalt bleibt offen. Ein aufschlussreiches Gespräch über Einsatz, Erfolg, Mitgliederschwund und fehlenden Rückhalt am Clubstammtisch im „Alpina“.

In der Weiler Beiz ist es gesellig, lärmig; die Wanderfreunde sind es nicht. Gießler begrüßt. Obwohl es um Abschied geht, Abschied vom traditionellen Wanderclub Weil. Dem stand der gebürtige Offenburger mit Engagement und Energie vor.

Gründung im Jahr 1976

Als dessen Vorläufer galten einst die wanderfreudigen Männer der Betriebsfeuerwehr des Vitra-Areals. Die Feuerwehrmärsche waren Ansporn zur Vereinsgründung 1976, dem die Weiler Feuerwehr, die Eisenbahner beitraten, bis in den Hoch-Zeiten alle Berufssparten vertreten waren. Seine Höhepunkte erlebte der Wanderclub in den 90er Jahren, als bis zu 3000 Begeisterte kamen, noch viele Familien mit Großeltern und kleinen Kindern. „Denn sportlich ,laufen’ ist dabei kein Muss, auch gemütlichen Schritts kommt jeder ins Ziel: Es ist tatsächlich geeignet für Ältere wie Junge“, betont der athletische Vorsitzende und denkt laut an den 84-jährigen Kameraden Sigi, „der bis vor einem halben Jahr noch mitlief“.

Otto Imgrund etwa, durchtrainierter Langstreckenabsolvent, der den Viertages-Militärmarsch in Nijmegen (Holland) mit Bravour meistert, engagierte sich bislang ebenso begeistert: „Jedes Mitglied des DVV (Deutscher Volkssport-Verband), zu dem der Club Weil gehört, richtet Veranstaltungen aus. Diese werden von Mitgliedervereinen gemeinsam besucht.“ So reihen sich wöchentlich abwechslungsreiche Ausflüge aneinander. „Aber natürlich waren immer auch Wanderer ohne Mitglieds-Pass willkommen – wir freuten uns über jeden, egal, woher“, ergänzt Gießler.

Sie arrangierten jedes 39. Kalenderwochenende Wandertage. Dabei stand ein sehr moderates Zeitfenster offen, innerhalb dieses die gewählte Route (fünf, zehn und 20 Kilometer) zur Zusammenkunft in der Festhalle Haltingen führte. „Wenn, wie zuletzt, noch an die 1000 Leute kamen, hat sich der einwöchige Aufwand – ausschildern, Auf- und Abbau und so weiter – gelohnt. Doch gerade Kinder wurden dabei immer weniger, blieben aus“, so ein Resümee, das nachdenklich stimmt.

Der Nachwuchs fehlt

„Auch die Jugendgruppe existiert nicht mehr“, flechten die beiden Brüder Otmar und Georg Weissenberger, beide seit 1984 langjährige Stützen des Wanderclubs, ein. „Das ist auch ein Grund, warum wir aufhören müssen: Uns fehlt der Nachwuchs!“ Doch Resignation ist nicht ihres: „Wir haben alles versucht: 2010 führten wir wieder Kinderwandertage ein, mit Kinder-Schminken, Pokal- und Würstchen-Anreizen. Toll waren die Besuche der Kindergärten, der von Haltingen war sogar viermal dabei.“

Seit 2011 organisierten sie Benefizveranstaltungen. Im ersten Jahr, mit Schauspielerin Michaela May als Botschafterin der Erbkrankheit Mukoviszidose, kamen mehr als 100 Kinder. „Natürlich hatten wir insgeheim Hoffnung, dass davon der ein oder andere Wanderfloh sich seiner Bewegungsfreude in der Natur erinnert und wiederkommt.“ Doch diese verflüchtigte sich wie die von dannen gezogenen Neulinge.

Der Rettungsanker des Turnvereins Haltingen kam zu spät. Doch wirklich enttäuschend war die fehlende Unterstützung und Präsenz von Rathaus und Weiler Bevölkerung: „Es wäre wichtig gewesen, wenn wir als Wanderclub, der sich so sozial engagiert, mehr Weiler Beistand erlebt hätten. Wenn für einen guten Zweck bei Schönwetter einzig vier Weiler Kinder teilnehmen, oder kein einziger Einheimischer trotz enormen Zulauf aus dem Umland: Das kann keiner nachvollziehen.“ Denn in allem Engagement rund ums Wandern lagen Thomas Gießler die Benefizaktionen am Herzen, er sieht sie als „persönlich schönste Erlebnisse, durch das, was wir bewirken konnten.“

Wanderfreude erhalten

Und endlich erheben die Mitglieder, die trotz allem viele an den Sport heranführten, ihr Glas. Noch einmal, bevor sich ihr Wanderclub als Weiler Geschichte einbrennt. „Nun ja, jetzt ist es halt vorbei“, mischt sich Gießlers Seufzer mit Kampfeslust: „Nehmen lassen wir uns unsere Wanderfreude nicht: Wir gehen weiter, ohne Club! Und wer mitkommen will, ist immer willkommen!“

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