Weil am Rhein Herausforderung, aber auch Chance

Alisa Eßlinger und Saskia Scherer

Kindergarten-Leiterinnen berichten über den Betrieb unter Corona-Bedingungen

Weil am Rhein - Zurück zu den Wurzeln lautet derzeit das Motto der Weiler Kindergärten. Um die Betreuung auch nach den Sommerferien zu gewährleisten, wurden Maßnahmen wie feste Gruppen eingeführt. Für die Leiterinnen ist dies zwar ein Rückschritt, aber sie bleiben optimistisch. Denn im Gespräch mit unserer Zeitung wird deutlich, dass sie das veraltete Konzept vorziehen, statt gar keine Betreuung anzubieten.

Die Umstellung von einem teiloffenen Konzept zu einer festen Gruppe stellt nicht nur für die Mitarbeiter, sondern auch für die Kinder des Kindergartens Markgräfler Straße eine Umgewöhnung dar, weiß Leiterin Karen Schumann. Vorher seien sie es gewohnt gewesen, im ganzen Haus zu spielen und nun müssen sie in ihren Gruppen bleiben. Die fast 80 Kinder sind in drei Gruppen eingeteilt, die nicht gemischt werden sollten. So soll es für das Gesundheitsamt einfacher sein, die Kontaktkette nachzuvollziehen.

Vermehrt in der Natur aufhalten

Für die Leiterin, die bereits seit 34 Jahren im Dienst ist, stellt dies einen Rückschritt dar: „Wir machen nun wieder Betreuung wie vor 25 Jahren.“ Doch sieht sie die Umstrukturierung auch positiv: „Es ist eine gute Chance, etwas Neues zu probieren.“ Daher und wegen den räumlichen Einschränkung entschloss sich Schumann, in nächster Zeit vermehrt mit den Kindern in die Natur zu „flüchten“. „Unser neues Konzept richtet sich nach dem Naturkindergarten, denn wir werden täglich mit den Kindern für drei Stunden in Feld und Wiesen gehen. Schließlich ist die Ansteckungsgefahr an der frischen Luft geringer.“ Doch bevor es raus geht, sollen erst die Neuzugänge an den Kindergarten-Alltag gewöhnt werden. Darum sei der Plan, erst im Oktober die Betreuung nach draußen zu verlegen.

Doch nicht nur die Kinder müssen sich umstellen, sondern auch ihre Eltern: Die Öffnungszeiten bleiben zwar gleich, wobei die Bring- und Abholzeiten nun deutlich strenger gehandhabt werden. So müssen die Kinder vor 9 Uhr gebracht und dürfen erst nach 12 Uhr abgeholt werden.

Der Kindergarten St. Nikolaus in Märkt befindet sich derzeit in einer Wechselsituation: Die künftigen Schulkinder besuchen in den letzten Wochen der Sommerferien noch den Kindergarten während die neuen Kinder eingewöhnt werden.

Für Annette Fritz-Körner, die erst zum Monatsbeginn die Leitung übernommen hat, stellt dies einen Start mit coronabedingten Herausforderungen dar. Doch vollkommen ins kalte Wasser wurde sie nicht geworfen, denn ihre Vorgängerin stand ihr mit Rat und Tat zur Seite. „Margrit König war bei vielem noch involviert und hat mir alles gezeigt. Dennoch musste ich mich zuerst reinfinden“, sagt Fritz-Körner.

Zwar musste der Kindergarten nicht in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden, dennoch fallen einige Programmpunkte wie Turnen und Musikschule für die Kinder weg. Auch das Bällebad musste weichen.

Das heißt aber nicht, dass den Kindern nichts Spannendes geboten wird: So wurde im Märkter Kindergarten eine Werkstatt eingerichtet und eine Sinneshöhle soll auch noch folgen. „Wir versuchen, das Angebot an die Kinder und die Umstände anzupassen. Wir gehen auch jeden Tag nach draußen.“

Fritz-Körner ist froh, dass alle Kinder wieder zurück sind: „Bis jetzt macht es viel Spaß und es ist gut angelaufen. Es ist ein spannender Weg, da die Bedingungen nun anders sind. Aber ich bin optimistisch.“

Mit Bändern Bereiche abgeteilt

Das offene Konzept musste auch im Kindergarten am Hebelplatz in Weil am Rhein auf Eis gelegt werden. „Früher konnten die Kinder die Räume frei wählen, in denen sie sein wollten, nun sind sie einem Gruppenraum fest zugeteilt. Auch im Garten haben wir durch Bänder in Bereiche abgeteilt“, schildert Leiterin Brigitte Vögtlin die Lage. Die Toiletten und sogar die Waschbecken sind mit Bildern für eine bestimmte Gruppe gekennzeichnet.

Für Vögtlin bedeutet die Umstellung einen Schritt zurück zu den Wurzeln. „Wir haben früher so gearbeitet.“ Aber auch sie sieht dies als eine Chance: „Sobald es wieder Richtung offenes Konzept gehen kann, werden wir dieses noch einmal überarbeiten.“

Und für die Kinder scheint es laut Vögtlin keine große Umstellung zu sein: „Es ist schön, zu beobachten, wie viel leichter sie mit der Situation umgehen.“ Dabei sei es jedoch wichtig, die Kinder in den Prozess miteinzubeziehen. Dies bedeutet, sie anhand von Gesprächen, Rollenspielen oder Literatur an das Thema heranzuführen.

Zu 80 Prozent seien die Kinder nun jeden Tag draußen, und auch das neue Konzept ist auf Natur und Wald ausgelegt. „Wir haben hier natürlich auch ideale Bedingungen, da wir direkt am Landesgartenschaugelände sind“, sagt die Leiterin. Allerdings ist sich Vögtlin auch bewusst, dass die Schönwetterzeit zu Ende gehen wird.

Der Kindergarten bestehe aus vielen kleinen Räumen, so dass die drei Gruppen zu groß sind, um diese zu nutzen, daher würden sie leer stehen. Doch auch darin sieht Vögtlin eine Chance, diese neu zu strukturieren. „Wir überlegen, diese thematisch, farblich und auch von der Ausstattung her zu überarbeiten.“

Die größte Herausforderung werde der Herbst darstellen. „Diese Zeit bringt eine Unsicherheit mit sich, schließlich müssen wir zwischen Erkältung, Grippe und Corona differenzieren. Wir sind in Habachtstellung“, erklärt Vögtlin. Denn die Leiterin will nicht, dass es zum zweiten Lockdown in den Kindergärten kommt: „Ich sehe darin eine Gefahr für das Wohl der Eltern und der Kinder. Beim Home-Office stehen die Eltern unter Druck und müssen sich gleichzeitig um ihre Kinder kümmern. Das ist eine Ausnahmesituation für alle Beteiligten.“

Platztechnisch eingeschränkt ist auch das Haus der kleinen Stühle in Weil am Rhein: Neben den Räumen, die nicht für große Gruppen konzipiert sind, bietet auch der Garten nicht viel Platz für alle Gruppen. Daher sind auch die Gartenzeiten eingeschränkt und jede Gruppe kann nur stundenweise raus, schildert Leiterin Sandra Trefzer.

Dazu komme, dass Projektarbeiten wie Turnen, Französisch oder das Nutzen des Ateliers nicht möglich sind. „Es bedeutet aber nicht, dass gar nichts mehr stattfindet. Den Scheren-, Farben- und Formenführerschein machen die Kindern in ihren Gruppen“, berichtet sie. Auch Aktionen wie Sprach- und Bildungsförderungen sollen weiterhin angeboten werden.

Die Konzeptumstellung würde mehr die Erzieher betreffen als die Kinder selbst, sagt Trefzer. „Es ist kein Vergleich zu dem, wie wir vorher gearbeitet haben und auch nicht, wie man gerne arbeiten würde.“ Denn die Konzeptanpassung bedeute für die Leiterin einen Einschnitt in den Bildungsplan. Vor allem würde dabei die Selbstständigkeit der Kinder fehlen. „Zum Beispiel lernen die Kinder beim Essen, sich selbst zu schöpfen. Doch nun übernimmt dies eine Haushaltshilfe.“ Vorher sei es einfach schöner, freier und selbstbestimmter gewesen. „Aber auch wenn ich die Umstellung schade finde, ist sie doch verständlich“, sagt Trefzer. Schlimmer fände sie es, wenn der Kindergarten über Monate hinweg geschlossen würde. Schließlich würde dann die Förderung sowie das selbstständige und Gruppen-übergreifende Spielen fehlen.

„Wir machen das beste daraus und planen nun erst einmal bis Dezember“, sagt Trefzer. Die Leiterin hofft, trotz der Einschränkungen den Kindern zumindest an St.  Martin und Nikolaus etwas bieten zu können.

Leitungen zwischen den Fronten

In den Kindergärten Bärenfels und Eisenbahnstraße, deren Träger die evangelische Kirchengemeinde ist, stellt die Situation eine große Herausforderung für alle dar, wie Hellen Talmon-Groß berichtet, die für die Verwaltung der Kindergärten zuständig ist. „Es ist für die Eltern und Erzieher sehr anstrengend, den Kindergarten-alltag mit gleichbleibendem Personal und Abstand aufrecht zu erhalten.“ Auch die Hilfskräfte dürften nicht zwischen den Gruppen wechseln. „Die Stimmung ist oft schwierig.“ Die Leitungen stünden zwischen den Fronten, obwohl sie die wenigsten Möglichkeiten hätten, etwas zu ändern.

Auch im Außenbereich sind die Kinder getrennt, außerdem gibt es fixe Hol- und Bringzeiten. Die Eltern dürfen nicht in den Kindergarten hinein. Im Übergangsbereich herrscht Mundschutzpflicht. Die Sprachförderung kann nicht stattfinden. „Wie es mit den Kooperationen mit den Schulen aussieht, wissen wir auch noch nicht“, sagt Talmon-Groß.

Des Weiteren kann kein Mittagessen angeboten werden, weil kein Speiseraum zur Verfügung steht. Zudem werden die Kindergärten vermehrt gereinigt, um den höheren Hygienebestimmungen gerecht zu werden.

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