Weil am Rhein KI – ein weites Feld für Künstler

Beatrice Ehrlich
Debatte mit Nachhall: Dass das Thema KI viele Menschen beunruhigt, wurde bei einem Podiumsgespräch im Haus der Volksbildung deutlich. Foto: Beatrice Ehrlich

Vom „Papageien-Problem“ bis zur digitalen Kränkung: Dass KI nichts wert ist, ohne die Absicht, die dahintersteht, war eine der Erkenntnisse einer Podiumsdiskussion in Weil am Rhein.

Anlass für die gut besuchte Veranstaltung war die KI-kuratierte Ausstellung „Grenzen“ in der städtischen Galerie Stapflehus, die mit der Finissage am Sonntag zu Ende geht.

Um sie zu kuratieren, hatte Galerie-Leiter Patrick Luetzelschwab auf die Hilfe einer eigens programmierten Künstlichen Intelligenz zurückgegriffen. Sechs Personen, die auf die eine oder andere Weise mit dem Thema Künstliche Intelligenz beschäftigen, diskutierten über Chancen und Risiken dieser Technologie.

Ein Werkzeug, kein Ersatz für Künstler

Der Künstler: In der Kunst stecke eine Intention – der Wille und die Absicht – etwas zu erschaffen, führt Till Langschied aus. Das könne Künstliche Intelligenz nicht.

KI könne nur ein Werkzeug wie etwa ein Pinsel, nie Ersatz für eine Kunst schaffende Person sein. Der Künstler aus Basel war spontan für die krankheitshalber verhinderte Ana Vujic eingesprungen – und verblüffte Zuhörer und Podiumsteilnehmer mit seinen unkonventionellen Beobachtungen.

Unrealistische Erwartungen

Dazu gehört jene, dass KI unrealistische Erwartungen wecke, etwa Krebs heilen und die Energieversorgung sicherstellen zu können. Der Mensch wolle digitale Technologie personifizieren und erkläre sie zugleich für radikal objektiv – für Langschied ein interessantes Spannungsfeld, in dem er sich mit seinem künstlerischen Schaffen bewegt.

Viel zu bereden hatten, v.l.: Till Langschied, Timo Kropp, Matthias Zehnder und Tonio Paßlick. Foto: Beatrice Ehrlich

Nicht zuletzt warnte er vor der Fähigkeit von KI, die Stimmen von Menschen nachzumachen. „Vereinbaren Sie ein Codewort mit ihren Liebsten“, gibt er den Zuhörern mit auf den Weg.

Der Programmierer: Timo Kropp hat die Kuratorinnen-KI programmiert, die auch an diesem Abend die Besucher von einer großen Leinwand aus willkommen heißt. Freundlich und gewinnend spricht sie ihren Text, zeigt sich dabei aber unflexibel – so hat sie noch gar nicht bemerkt, dass Oberbürgermeisterin Diana Stöcker sich an diesem Abend nicht im Saal befindet.

Timo Kropp hat das Programm für die Kuratorinnen-KI geschrieben. Foto: Beatrice Ehrlich

Kropp bemüht sich in seinen Beiträgen, der KI den Schrecken zu nehmen, den sie für viele hat. Sie könne zwar bald einige, meist einfachere Tätigkeiten in der Arbeitswelt übernehmen, das wichtigere aber, die planerischen Tätigkeiten, seien nach wie vor Menschen vorbehalten. Auch, was die Energiebilanz betreffe, schneide das menschliche Gehirn deutlich besser ab. Dennoch sieht er auch Gefahren: KI könne Falschinformationen millionenfach verbreiten.

„Die Intelligenz sitzt nicht im sondern am Computer“

Der Journalist: Matthias Zehnder beschäftigt sich nach Jahren als Start-Up-Gründer und Chefredakteur heute schwerpunktmäßig mit Künstlicher Intelligenz. Er brachte den Begriff des „Papagei-Problems“ ins Spiel: KI wisse nicht, was sie tue, sie sei eine Wahrscheinlichkeitsmaschine, keine Wissensmaschine.

Die Intelligenz sitze nicht im, sondern am Computer. Dennoch glaubt Zehnder, dass die Nutzung immer höher entwickelter Technologie durch den Menschen diesem nicht etwa ein Gefühl von Macht und Erhabenheit verleihe, wie Patrick Luetzelschwab es in einem Wortbeitrag sehen wollte.

Der Mensch fühlt sich gedemütigt

Vielmehr fühle sich der Mensch gedemütigt, weil Technologie ihn in vielen Bereichen übertreffe, Schach sei ein Beispiel dafür. Diese Überzeugung ist in sein 2019 veröffentlichtes Buch „Die digitale Kränkung“ eingeflossen. Dennoch warnt der erfahrene Journalist vor dem zunehmenden Einfluss von KI: Auch wenn wir etwas als falsch erkennen, könne es erhebliche Wirkung erzielen, gibt er zu bedenken.

Aus Sicht von Kunstschaffenden bietet KI viele Anknüpfungspunkte: Katharina Rüll, Isabel Balzer und Patrick Luetzelschwab (von links). Foto: Beatrice Ehrlich

Die Künstlerin: Aus Neugier habe sie sich bereit erklärt, von einer KI kuratieren zu lassen, Neugier darauf, ob so eine gute Ausstellung entstehen kann. Andererseits wäre sie gern auch von einem Menschen ausgewählt worden. Spätestens im Text über ihre Arbeit, ebenfalls KI-generiert, seien die Grenzen dieser Technik deutlich geworden, da habe sie „halluziniert“. Auch ihr Urteil über die Ausstellung „Grenzen“, die sich übrigens laut Kulturamtsleiter Peter Spörrer über einen Besucherrekord freuen kann, fällt nicht gut aus. Die Auswahl der Künstler sei doch sehr zufällig („random“), sagt sie.

KI entscheidet anders

Der Galerist: Um zu vergleichen, wie er anstelle der (unter seiner Mitwirkung programmierten) KI entschieden hätte, sichtete Patrick Luetzelschwab selbst die 600 Künstlerdossiers, die für die Ausstellung in Frage kamen. Am Ende seine es lediglich zwei der 18 gezeigten Künstler gewesen, für die er sich ebenfalls entschieden hätte, berichtet er.

Die Kuratorin: Isabel Balzer, Kuratorin und Kunsthistorikerin aus Basel, erteilt ihrerseits dem „Können“ einer KI bei der Kunstauswahl und -präsentation eine klare Absage: „Ich fand die Ausstellung nicht besonders spannend.“

„Mir fehlt der menschliche Twist“

Ihr fehle der „menschliche Twist“ und die Kreativität, welche die menschliche Interaktion einbringe. Natürlich sei KI aus dem heutigen Leben nicht mehr wegzudenken. Man müsse sich aber stets kritisch mit ihr auseinandersetzen. Dass genau dies eine der ureigenen Aufgaben von Kunstschaffenden sei, ist am Ende der Debatte Konsens im Saal und wird mit zustimmendem Applaus bedacht.

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