Weil am Rhein Kino ohne Kontakt

Adrian Steineck
Zur Einhaltung des Mindestabstands sind viele der Sitze im Kinopalast im Rheincenter gesperrt worden. Foto: Adrian Steineck

Freizeit: In Corona-Zeiten ist auch der Filmbesuch speziell / Zauber der großen Leinwand wirkt aber trotzdem

Weil am Rhein - „Ins Kino ging man, aus Glück, wenn man zu zweit war. Ins Kino ging man, aus Unglück, wenn man allein war. Und das war öfter“, schreibt der Literatur- und Filmkritiker Hellmuth Karasek in seinem 1994 erschienenen Buch „Mein Kino“. Und weiter: „Ich kannte keinen größeren Tröster, Seelentröster, als das Kino.“

Im Zuge der Corona-Krise schien es lange Zeit so, als bliebe einem dieser Trost verwehrt: Mitte März wurden auch die Kinos geschlossen, manche Lichtspielhäuser boten Streaming als Alternative für die heimischen vier Wände an, Autokinos schossen wie Pilze aus dem Boden.

Klassische Kinos seit einigen Wochen wieder geöffnet

Seit einigen Wochen haben auch die klassischen Kinos wieder geöffnet, wenngleich die Corona-Verordnung auch hier die Rahmenbedingungen bestimmt: Mindestabstand und Maskenpflicht bis zum Sitzplatz sind die offensichtlichsten Anzeichen dafür. Auch im Kinopalast im Rheincenter ist das so. Funktioniert das Kino als „Seelentröster“ überhaupt unter diesen besonderen Bedingungen?

„Es dauert noch ein paar Minuten, wir desinfizieren gerade noch den Saal“, sagt der freundliche Kino-Mitarbeiter zu den wartenden Besuchern. Es ist Freitagabend, gespielt wird der Italowesternklassiker „Spiel mir das Lied vom Tod“ von 1968. Der Film von Sergio Leone bildet den Auftakt zur neuen Reihe mit Klassikern der Kinogeschichte.

Der ganz große Andrang bleibt vorerst aus

Das Grüppchen von acht Personen ist allein auf weiter Flur, denn die – wenigen – anderen Filme, die an diesem Abend gezeigt werden, haben bereits begonnen. „Wir haben das Angebot zeitlich etwas entzerrt, sodass niemals zwei Filme gleichzeitig anfangen“, sagt Raphael Steinhilber von der Geschäftsführung des Kinopalastes im Rheincenter im Gespräch mit unserer Zeitung. Auf diese Weise sollen Menschenansammlungen vermieden werden.

Aber stehen diese derzeit überhaupt zu befürchten, oder hält die Corona-Pandemie doch manchen vom Kinobesuch ab? „Sie sehen ja selbst, dass der ganz große Andrang ausbleibt“, sagt Steinhilber. Zugleich ist er aber zuversichtlich: „Der Betrieb läuft so langsam wieder an.“

Hoffen auf Blockbuster

Jetzt hoffe man auf potenzielle Publikumsmagnete wie den Science-Fiction-Thriller „Tenet“ des Regisseurs Christopher Nolan („The Dark Knight“). Der Film, dessen ursprünglicher Starttermin Mitte Juli aufgrund der Corona-Pandemie verschoben wurde, ist derzeit für den 12. August angekündigt. „Wir hoffen natürlich, dass der Termin gehalten werden kann“, sagt Steinhilber mit Blick auf die potenziellen Besucherzahlen.  Bis dahin können Nolan-Liebhaber immerhin ein älteres Werk des Regisseurs auf der großen Leinwand erleben: Sein Science-Fiction-Film „Inception“ (2010) mit Leonardo DiCaprio soll in der Filmklassiker-Reihe gezeigt werden.

Selbst 007 beugt sich

Selbst James Bond musste sich dem Coronavirus geschlagen geben: Im Foyer des Kinopalastes stehen zwar bereits die Pappaufsteller der Hauptfiguren um den von Daniel Craig dargestellten Geheimagenten mit der Lizenz zum Töten. Versehen sind sie aber mit einem Aufkleber, der auf die Verschiebung in den November hinweist. Ursprünglich sollte „Keine Zeit zu Sterben“, der mutmaßlich letzte Bond-Streifen mit Craig in der Hauptrolle, im April anlaufen.

Kaum Diskussionen

Die Corona-Auflagen seien mittlerweile von den Besuchern verinnerlicht, wobei hier dem Kinopalast zugute kommt, dass er in einem Einkaufszentrum untergebracht ist: Ohne Mund-Nasen-Maske kommt man ohnehin nicht hinein.

„Nur sonntags, wenn das Rheincenter zu hat, kommt es vereinzelt zu Diskussionen wegen der Maskenpflicht. Da müssen wir die Besucher leider wieder wegschicken, wenn sie gar kein Einsehen haben“, schildert Steinhilber die bisherigen Erfahrungen. Aber das seien absolute Ausnahmen.

Auch die Pflicht zur Datenerfassung sorgt bei manchem Besucher für Stirnrunzeln. Denn wie bei einem Restaurantbesuch sind die Kinobesucher angehalten, Namen, Anschrift, Telefonnummer, Datum und Uhrzeit ihres Besuchs sowie den genauen Sitzplatz und die Nummer des Kinosaals anzugeben. So sollen sich im schlimmsten Fall die Infektionsketten leichter nachverfolgen lassen. Auch bei Personen, die im gleichen Haushalt leben, muss der entsprechende Fragebogen von jedem Einzelnen ausgefüllt werden. „Wir müssen uns an die Vorgaben des Landes halten“, macht Steinhilber deutlich.

Reise in den wilden Westen

Dann ist der Kinosaal desinfiziert, die Besucher begeben sich zu ihren Sitzen. Die meisten der Kinosessel sind mit einem Hinweis auf die Corona-Abstandsregeln abgesperrt. Auch bevor der Film losgeht, wird unter der Überschrift „Herzlich willkommen zurück!“ ein Hinweis auf die Bestimmungen eingeblendet: Bis zum Sitzplatz gilt die Maskenpflicht, im Foyer sind die jeweiligen Wege eingezeichnet, welche die Besucher nutzen sollen.

Das Thema Corona ist also allgegenwärtig. Wie wird es sein, wenn der Film losgeht, fragt man sich als Kinobesucher unwillkürlich. Dann wird die Leinwand nach einem kurzen Werbeblock auf ihre volle Größe verbreitert, und die Vorfreude darauf, dass man gleich etwas Besonderes erleben wird, steigt noch einmal an. Dann sind die Besucher auch schon mitten drin im Wilden Westen, wie Sergio Leone ihn sich ausgemalt hat: „Es war einmal im Westen“, wie die wörtliche Übersetzung des Filmtitels lautet, entfaltet sich 165 Minuten lang in einer Bild- und Tonqualität, wie sie kein noch so ambitionierter Filmfreund zu Hause hinbekommt.

Der Film ist auch ein Denkmal für den am 6. Juli verstorbenen Komponisten Ennio Morricone, der jeder der vier Hauptfiguren ein eigenes Leitmotiv auf den Leib schneiderte: das weltberühmte klagende Mundharmonika-Motiv für den namenlosen Rächer (Charles Bronson), ein Frauenchor für die Farmerswitwe Jill McBain (Claudia Cardinale), schroffe E-Gitarren-Klänge für den Schurken Frank (Henry Fonda) und eine verspielte Banjo-Melodie für den sympathischen Halunken Cheyenne (Jason Robards).

Am Ende des Films erklingt spontaner Applaus, und eine ergriffene Besucherin sagt: „Schade, dass das nicht mehr gesehen haben.“ Das knappe Dutzend Besucher aber weiß, dass es gerade ein filmisches Meisterwerk erlebt hat. Das Thema Corona war während dieser Stunden ganz weit weg. Der Seelentröster Kino, er funktioniert auch unter den derzeitigen Begleitumständen.  

Am Sonntag, 26. Juli, wird in der Klassiker-Reihe der Animationsfilm „Kung Fu Panda“ (2008) gezeigt. Karten kosten 5,50 Euro. Näheres unter www.kino-weil.de.

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