Weil am Rhein Kochen für Drei- bis Hundertjährige

Weiler Zeitung

Pflegeheim I: Bis zu 500 Essen verlassen täglich die Küche an der Römerstraße/ Auch „Essen auf Rädern“

Wer die Großküche des Pflegeheims Markgräflerland betreten will, wird erst einmal eingepackt: Kittel, Haube, Überzüge für die Schuhe. Dass die Hygieneanforderungen hoch sind, Essenszubereitung und -auslieferung in geschlossenem System stattfindet, ist das Erste, was man lernt. Das Zweite ist, in üppigen Dimensionen zu denken. Bis zu 500 warme Mahlzeiten werden hier täglich zubereitet.

Von Jasmin Soltani

Weil am Rhein. Die Rührkessel, Behältnisse zum Kochen, Schmoren und Warmhalten, Backöfen und Kombi-Dämpfer – alles ist hier groß. Selbst der Teebereiter fasst 180 Liter. Montags bis freitags verlassen 450 bis 500 Essen die Küche an der Römerstraße, an den Wochenenden sind es 300 bis 350 Portionen. Den kürzesten Weg haben 200 bis 212 Mittagessen, sie bleiben täglich im Haus – für die Bewohner des Pflegeheims.

Die kreiseigene Einrichtung versteht sich aber auch als Dienstleisterin und will ihre Aktivitäten in diesem Bereich ausbauen. Mit „Essen auf Rädern“ werden schon jetzt sechs Kindergärten in Weil am Rhein und Umgebung, die Weiler Tagespflege, die Grundschule in Egringen und das Efringen-Kirchener Rathaus beliefert. Um 6 Uhr beginnt die Arbeitszeit, bald nach 10 Uhr ist ein Teil der Mannschaft mit dem Portionieren des Fertiggekochten beschäftigt. Auch die beiden Kochlehrlinge Gibbi Jah und Jannik Zanger packen dann mit an. Sieben Fahrer liefern das Essen später aus.

Täglich zwei Menüs stehen auf dem Wochenplan zur Auswahl – Sonderwünsche inbegriffen, erläutert Karsten Schlott, Küchenleiter im Pflegeheim. Beim wöchentlichen „Kalibrieren der Bestellmengen“ hilft ihm seine elfjährige Erfahrung in der Heimküche nicht zuletzt auch dabei Übermengen zu vermeiden: 60 bis 70 Kilo Fisch, 240 Kilo Fleisch, 200 bis 250 Kilo Kartoffeln, 60 Kilo Teigwaren und 20 bis 25 Kilo Reis, 40 bis 60 Kilo Obst und 80 Kilo Gemüse stehen auf der Liste. Die täglich 25 Kilo Blattsalate, aber auch Obst, Gemüse und Getränke kommen vorwiegend von regionalen Produzenten und landen, wie andere Lebensmittel auch, bis zur Verwendung unter kontrollierten Temperaturbedingungen in Kühl- und Lagerräumen.

Nicht nur die schiere Menge an Essensportionen ist eine Herausforderungin für die Einrichtung, die technisch gut ausgestattet ist, aber räumlich an ihre Grenzen stößt, sondern auch das generationenübergreifende Klientel: „Drei- bis Hundertjährige müssen wir mit einem Speiseplan erreichen“, bringt es Detlef Mahl auf den Punkt. Er verantwortet für alle drei Heime des Landkreises Lörrach die Essensversorgung. Zu berücksichtigen seien obendrein Diäten, Allergien, Unverträglichkeiten, kulturelle Besonderheiten. Und dennoch soll für jeden mindestens einmal pro Woche ein „persönliches Highlight“ auf dem Teller sein, formuliert Mahl das Ziel.

Für den einen mag das Badisches Suppenfleisch sein, für den anderen Spaghetti Bolognese, Vollkost oder Vegetarisches. Und während junge Menschen das Gemüse knackig mögen, bevorzugen es Ältere lieber weich. Doch selbst Broccoli versucht das ehrgeizige Team für jeden auf den Punkt zu garen. Ein Meisterstück, wenn es gelingt, denn das Nachziehen der Speise auf den unterschiedlich langen Wegen zu den Kunden will auch berücksichtigt sein.

Lehrlinge dürfen tüfteln

Die Lehrlinge Jah und Zanger haben Teller und Tabletts für das „Essen auf Rädern“ bestückt. Nun probieren sie aus, wie der Mix aus frischem Zubereiten und Vorkochen der einzelnen Menü-Komponenten funktioniert. Denn während Salate, das meiste Gemüse und Fleischgerichte wie Gulasch frisch zubereitet werden, sind Nudeln schon tags zuvor vorgekocht und portioniert, bevor sie serviert zu werden.

„Cook and Chill“ nennt das Mahl, denn es gelte auch, die gesetzlichen Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu berücksichtigen. So wird der Sonntagsbraten schon am Freitag zubereitet und heruntergekühlt, am Samstag portioniert und am Sonntag vor dem Servieren „regeneriert“. Jannik Zanger hat das an einem Putenrollbraten versucht: „Jetzt weiß ich, wie der auch nach dem Aufwärmen saftig bleibt,“ verrät er seinem Ausbilder, mit welchen Garzeiten und Temperaturen er experimentiert hat.

Später liegen tiefgekühlte, panierte Fischfilets auf der Arbeitsplatte – Vorbereitung für den Freitag. Denn auf Fertigprodukte kann das Team nicht gänzlich verzichten. Doch soll deren Anteil im Zuge der Beteiligung von mehr Behinderten am Küchenalltag zurückgefahren werden, erläutern Mahl und Schlott (siehe weiteren Bericht). Derzeit reiche dem 16-köpfigen Produktionsteam mit Fünf-Tage-Woche und Arbeitszeiten von 6 bis 15 Uhr die Zeit dazu nicht.

Denn zu bewerkstelligen sind neben den warmen Mahlzeiten, die für die Heimbewohner meist noch portioniert und nicht auf den Stationen geschöpft werden, auch Frühstück, Kaffee- und Kuchen sowie das Abendbrot. In der Schmierküche ist dann allerhand zu tun. Und ordentlich Betrieb ist auch in der Spülküche mit 14 Mitarbeitern, darunter vier Küchenhilfen mit Handicap – mit meist guten Erfahrungen, freut sich Schlott.

Weil am Rhein (jas). Karsten Schlott leitet das rund 40-köpfige Team in der Großküche des Pflegeheims Markgräflerland. Er liebt die vielen Herausforderungen rund um die Küche, die von der Produktionsplanung über die Bestellung der Lebensmittel und Umsetzung der verschiedenen Gerichte reicht. Zudem genießt er den Kontakt zu älteren wie jungen Kunden, deren Wünsche für das „Essen auf Rädern“ er in Gesprächsrunden zu ergründen sucht. Der 37-jährige Koch hat sein Handwerk in einer Krankenhausküche gelernt, war kurz in der Gastronomie tätig, bevor er vor elf Jahren ins Pflegeheim Markgräflerland kam, dessen Küche er seit fünf Jahren leitet.

Seit der Umstrukturierung der Verwaltung der drei kreiseigenen Heime und der Gründung der Firma IngA zu Beginn des Jahres (wir berichteten) hat Detlef Mahl, Küchenleiter des Markus-Pflüger-Heims in Wiechs, die Verantwortung für die Essensversorgung aller drei Heime inne. Der 45-jährige Wiesentäler hat eine klassische Kochlehre absolviert und danach jahrelang im elterlichen Betrieb gearbeitet. Der Wunsch nach familienfreundlicheren Arbeitszeiten führte ihn 2006 zum Markus-Pflüger-Heim.

Als Herausforderung, aber auch Bereicherung sehen beide Küchenleiter die verstärkte Teilhabe von behinderten Menschen am Alltag im Pflegeheim. Für die Küche setzt Mahl darauf, dass bald noch mehr frisch zubereitet werden kann, Gemüsefonds könnten dann im Haus hergestellt, Fische künftig direkt in der Küche paniert werden.

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