Weil am Rhein Krisen als Quellen der Inspiration

Jürgen Scharf
Blick in die Ausstellung „Paradise lost?“ auf den Abenteuer-Dschungelpool von Kathrin Wächter. Foto: Jürgen Scharf

Zum Nachdenken regt die Mitgliederausstellung „Paradise lost?“ im Kunstverein Weil am Rhein an. Bei den meisten Arbeiten der 22 Kunstschaffenden stehen Natur, Umwelt, Krieg und Migration im Vordergrund.

Wie pluralistisch die regionale Kunstszene ist, zeigt sich bei der Mitgliederausstellung im Kunstverein. Schon von weitem sieht man die wehende Fahne mit der Aufschrift „Paradise lost?“ vor dem Stapflehus. Schon lange gab es keine solche Sammelausstellung mehr. Wie Vorsitzende Christine Fausten in ihrer Begrüßung sagte, soll dies ein erster Schritt sein, dass sich die Menschen im Dreiländereck und die Mitglieder untereinander besser kennenlernen.

Oberbürgermeisterin Diana Stöcker ging als Ehrengast in ihrem Grußwort auf das Thema Paradies ein, das eine Metapher sein könne für Ideale, Hoffnung, Sehnsüchte, Visionen und Utopien, aber auch für Fragen aus dem politischen und sozialen Bereich. „Das Wort Paradies ruft bei jedem Menschen andere Bilder hervor“, betonte in ihrer fundierten Einführungsrede die zweite Vorsitzende Isabel Balzer, die zusammen mit Elisabeth Schröder und Martin Hartung diese Schau konzipiert, kuratiert und aufgebaut hat.

Ein Rundgang gibt Aufschluss

Interessant ist es zu sehen, was die 22 Künstler an unterschiedlichen Arbeitsweisen und Techniken zum vorgegebenen Thema eingereicht haben. Hinter dem „verlorenen Paradies“ steht ein Fragezeichen.

Die Frage war nicht nur die nach dem Begriff Paradies, der sehr weit gefasst werden kann, sondern die nach der gegenwärtigen politischen Situation und den gesellschaftlichen Krisen und wie diese sich auswirken. Wie spiegeln sich Klimawandel, Kriege, Migration, Flucht, Artensterben in den einzelnen Arbeiten wider? Das lässt sich bei einem Rundgang entdecken.

Frappierende Vielseitigkeit

Themen wie Vergänglichkeit, Identität, Utopie, aber auch Kommunikation und Sprache stehen nach Ansicht von Isabel Balzer im Zentrum. Die Vielseitigkeit ist frappierend, die Unterschiede der ausgestellten Arbeiten groß. Wenn 22 Künstler zusammen ausstellen, mag die Schau zwangsläufig einen heterogenen Eindruck machen, und doch ist es gelungen, dieses utopisch-paradiesische Thema in vielerlei Hinsicht darzustellen.

Ein Schwerpunkt fällt dabei auf: die Natur. Schon im ersten Raum wird diese bei Ulrike Kesslers großformatiger „No Paradise“-Serie mit urwaldartigen Blattlandschaften thematisiert.

Es gibt viele Beiträge zum Thema Natur

Einige Mitglieder beschäftigen sich mit dem Artensterben wie Inge Gründel-Pfaff mit ihren gefährdeten Bienen und Faltern auf der roten Liste oder Sigrid Schaub mit filigranen Insektenbildern. Der einsame Wolf von Eva Schick rührt an den Verlust von natürlichen Lebensräumen. Eine Metapher für die Natur kann auch Reinhard Bombschs „Little Wing“, ein hölzerner Flügel, sein.

Bei Brigitte Borocco werden „Adam und Evelyn“, zwei bemalte Figuren auf einem Baumstamm, vielleicht aus dem Paradies vertrieben. Mit zwei Pools in einem, mit aufblasbaren Palmen, Flamingo, Äffchen, Ringen und Bällen signalisiert Kathrin Wächter, dass das Paradies der Kindheit vorbei ist.

Opfern von Krieg und Zerstörung ein Gesicht geben

Wie der Krieg in dem Alltag der Menschen und der Künstler Einzug hält, skizziert Ruth Loibl in ihren Tuschezeichnungen als Selbstporträt, mit dem Bleistift am Tisch sitzend, vor sich Panzer und Kampfjets. Aus den 1990er Jahren stammen die Irakkrieg-Szenen „Verbrannte Erde“ von Ilse Sterzl, die aber heute noch gültig sind als Sinnbilder für Krieg und Zerstörung. Eindrücklich stellt Beate Schöpflin nicht nur Kriegs-, sondern auch andere Gesellschaftsopfer dar bis hin zu dem aktuellen „Butscha“-Porträt.

Neben Malerei, Grafik, Objekten, Collagen und Skulpturen fallen auch einige Installationen ins Auge. Etwa die „Autoväschen“ von Matthias Frey, kleine verfremdete Blumenvasen, oder das Objektensemble „Ort“ von Ulrich Wössner mit „Lost Places“ aus verschiedenen Materialien wie Holz und Metall. Die Sparte Video ist durch Peter Bosshart und Karin Hochstatter vertreten, bei ihm mehr ländlich fokussiert, bei ihr mehr auf Technik.

Ein begehbares Haus im Dachgeschoss

Im Dachgeschoss hat Kathrin Stalder ein begehbares Haus als lauter Stoffteilen aufgebaut, betitelt „Heimat in Fäden“, zu dem noch eine lange Bahn mit den Namen der Menschen aus verschiedensten Ländern gehört, die diese Textilien bestickt haben. Bei diesem textilen Haus kann man das verlorene Paradies als Verlust der Heimat deuten.

Beilagen

Umfrage

Muss man bei der Bundestagswahl beide Stimmen abgeben? (Beispielbild, Stimmzettel von 2021)

Mal zwei, mal vier Kanzlerkandidaten, mal Spitzenkandidaten der kleinen Parteien. Vom Duell bis zum Quadrell im TV, vor Bürgern, vor Kindern: Beeinflussen die vor der Bundestagswahl gezeigten TV-Duelle ihre Wahlentscheidung?

Ergebnis anzeigen
loading