Weil am Rhein „Lage beängstigend und bedrückend“

Siegfried Feuchter
Ein Hilfstransport für die Ukraine wird beladen. Foto: zVg

Interview: Thomas Harms und KiHeV haben ihre Hilfsaktionen für die Ukraine ausgeweitet

Thomas Harms, Vorsitzender des von ihm mitgegründeten Kinderhilfswerks Kiew (KiHeV), engagiert sich seit 30 Jahren für eine Klinik in der Ukraine. Aber seit dem Kriegsausbruch sind es längst nicht nur die Kinder, die als Folge der Tschernobyl-Katastrophe Strahlenschäden erlitten haben, die in der Klinik in Kiew behandelt werden. Durch den Angriffskrieg der Russen hat sich die Lage mit unsäglichem Leid, Elend und Not deutlich verschärft.

Von Siegfried Feuchter

Weil am Rhein. Deshalb hat der 76-Jährige sein soziales Engagement über die Strahlenklinik hinaus ausgeweitet. Er arbeitet nun auch eng mit dem Freiburger „S’Einlädele“ zusammen. Über die aktuelle Lage in der Strahlenklinik der ukrainischen Hauptstadt sprach unsere Zeitung mit dem Weiler Apotheker. Dringend benötigt wird ein gebrauchter Krankenwagen, für dessen Anschaffung Geld gesammelt wird.

Frage: Wie eng stehen Sie in dieser Kriegszeit noch in Kontakt mit der Klinik in Kiew?

Sehr eng. Jeden Tag, auch samstags, sonntags oder im Urlaub, telefoniere ich mit Professor Anatoly Chumak, meinem ersten Ansprechpartner in der Klinik. Es ist beruhigend, wenn ich weiß, dass es allen den Umständen entsprechend gut geht, dass der Klinikbetrieb funktioniert und es keine Strom- und Heizungsausfälle gibt. Auch erfahre ich bei meinen Anrufen immer, was gerade am dringendsten benötigt wird. Und dann versuche ich, entsprechend der Möglichkeiten zu helfen oder Hilfe zu organisieren.

Frage: Ist die Versorgung der Patienten in der Strahlenklinik gewährleistet?

Der normale Betrieb läuft, allerdings etwas reduziert. Denn durch den Krieg kommen nun noch viele Verwundete, die zusätzlich behandelt und versorgt werden müssen. Die Lage insgesamt, das kann man sich gut vorstellen, ist für die Menschen dort beängstigend und bedrückend. Es ist ein Leben mit der Angst. Trotz allem ist die Situation in Kiew derzeit noch relativ ruhig, auch wenn die Menschen immer wieder durch Alarme aufgeschreckt werden. Das Leid, das der Krieg auslöst, ist immens.

Frage: Und KiHeV leistet weiterhin nach Kräften Hilfe?

In jedem Fall. Wir tun, was wir können. Seit Kriegsbeginn habe ich unsere Hilfe noch ausgeweitet. Das heißt, wir unterstützen nicht nur die Klinik, sondern auch andere Menschen in der Ukraine. Neben medizinischen Geräten, Medikamenten und Diagnostika, Reagenzien, Computern, Laptops und Untersuchungsmaterialien sowie Geld für deren Anschaffung für die Klinik geht es jetzt auch um Lebensmittel, Artikel des täglichen Bedarfs und anderes mehr.

Frage: Wie kommen die Hilfsgüter in die Ukraine?

Wir arbeiten eng mit dem gemeinnützigen Laden „S’Einlädele“ in Freiburg zusammen. Diese Einrichtung unterstützt ebenso die Ukraine und organisiert Hilfstransporte. Dabei werden unsere Hilfsgüter kostenlos mitgenommen. Im Gegenzug haben wir unter anderem die ukrainischen Kinder unterstützt, die seit Kriegsausbruch nach Freiburg gebracht wurden und dort betreut und versorgt werden. Auch hat KiHeV jüngst die Kosten für eine benötigte Tonne Reis übernommen. Zudem haben wir die Anschaffung eines Lieferwagens für 3000 Euro ermöglicht.

Frage: KiHeV hat Mitte des Jahres eine große Spende erhalten, einmal fast 53 000 Euro von der Stiftung Deutscher Lions, zum anderen eine Zuwendung von mehr als 10 000 Euro von „S’Einlädele“. Ist das Geld schon aufgebraucht?

Ja, längst. Es wurden beispielsweise Medikamente, Verbandsmaterial, Lebensmittel, Stiefel und einiges mehr gekauft. Die Not in der Ukraine ist groß. Deshalb sind wir weiterhin auf Spenden angewiesen, um unsere Unterstützung fortsetzen zu können. So wollen wir einen dringend benötigten gebrauchten Krankenwagen anschaffen. Das ist aber nur mit entsprechenden Spendengeldern machbar.

Frage: Wie steht es denn mit der Spendenbereitschaft?

Zu Beginn des Krieges, als die Betroffenheit groß war, haben wir zahlreiche Spenden erhalten. Und eine positive Wirkung hatte auch ein Bericht über mich und meine 30-jährige Arbeit für das Kinderhilfswerk Kiew in der Deutschen Apotheker-Zeitung. Durch diesen Bericht und den damit verbundenen Spendenaufruf kamen bundesweit fast 15 000 Euro an Spendengeldern für KiHeV zusammen. Wir sind weiter von Spenden abhängig, um unsere Hilfsaktionen weiterführen zu können. Hilfe ist in der Ukraine dringender denn je notwendig. Gerade mit Blick auf den bevorstehenden Winter ist die Lage beängstigend, denn Russland bombardiert bekanntlich die lebenswichtige Infrastruktur in der Ukraine.

Frage: In den vergangenen Monaten wurde in der Ukraine Europas größtes Atomkraftwerk wiederholt beschossen. Haben Sie Angst, dass sich ein zweites Tschernobyl ereignen könnte?

Anfänglich hatte ich große Bedenken. Doch seit die internationale Atomenergiebehörde sich eingeschaltet hat, dürfte auch den Russen klar sein, dass bei einem Reaktorunfall die atomaren Wolken nicht nur in eine Richtung ziehen werden.

Frage: In den vergangenen Jahrzehnten haben Sie jedes Jahr mindestens einmal, meist sogar mehrfach auf eigene Kosten die Klinik in Kiew besucht. Wann waren Sie zum letzten Mal vor Ort?

Im Oktober vergangenen Jahres. Sobald der Krieg vorbei ist, und ich hoffe, dass dies so schnell als möglich der Fall sein wird, werde ich wieder nach Kiew fliegen. Es gibt noch viel zu tun, deshalb mache ich weiter, so lange es meine Gesundheit erlaubt. Ich freue mich, dass meine Tochter, ebenfalls Apothekerin, mein Lebenswerk, Apotheke am Rathaus und das Kinderhilfswerk KiHeV, fortführen will.

Spendenkonten Kinderhilfe KiHeV:

Sparkasse Markgräflerland

IBAN: DE 22 683 518 65 000 81 31112; BIC: SOLADES1MGL

Volksbank Lörrach

IBAN: 79 683 900 00 0000 380 555, BIC: VOLODE66XXX

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