„Bei der Inklusion an Schulen braucht es noch einen großen Wurf“, lautete das Fazit von Referentin Anja Hanke bei der Info-Veranstaltung am Mittwochabend in der Rheinschule, zu der die SPD eingeladen hatte.
Schule: Diskussion zum Thema „Inklusion am Scheideweg“ mit Eltern und Lehrern / Förderbedarf
„Bei der Inklusion an Schulen braucht es noch einen großen Wurf“, lautete das Fazit von Referentin Anja Hanke bei der Info-Veranstaltung am Mittwochabend in der Rheinschule, zu der die SPD eingeladen hatte.
Von Saskia Scherer
Weil am Rhein. Ein Problem stellt etwa der Lehrermangel dar: Eine Mutter, deren Tochter eine Klasse der Weiler Gemeinschaftsschule besucht, in der auch sieben förderungsbedürftige Kinder unterrichtet werden, berichtete von ihren Erfahrungen: „Die soziale Komponente ist toll, aber die Lehrer kommen an ihre Grenzen. Sie tun ihr Bestes, aber die Stunden, in denen Sonderschulkräfte zur Verfügung stehen, sind einfach zu wenig.“ Das konnte auch eine Steinener Lehrerin bestätigen. In ihrer Klasse sind fünf Inklusionskinder. „Ich merke jeden Tag, wie anstrengend es ist, jedes Kind zu fordern und zu fördern.“ 15 Stunden in der Woche gelte es nämlich, ohne einen Sonderpädagogen an ihrer Seite zu bewältigen. Es gebe jedoch Kinder, die eigentlich permanent betreut werden müssten, was so aber nicht möglich sei. „Inklusion bedeutet ja auch, dass jedes Kind Förderbedarf hat“, stellte GEW-Kreisvorsitzende Hanke klar, die selbst ebenfalls Lehrerin ist.
SPD-Gemeinderätin Monika Sulzberger hat viele Jahre an einer Schule der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet, wie sie erzählte. „Dort herrschten aber optimale Bedingungen, die Klassen bestanden aus höchstens zwölf Schülern und wir waren immer zwei Lehrkräfte.“ Sie sehe nicht die Inklusion als Problem, sondern deren Umsetzung. „Es besteht massiver Handlungsbedarf, damit es eine Inklusion gibt, die den Namen auch verdient hat.“ Die GEW fordert laut Hanke etwa ein festgeschriebenes Zwei-Pädagogen-Prinzip von mindestens 20 Stunden pro Woche. Außerdem sollten nicht mehr als 20 Kinder in einer inklusiven Klasse sein.
Eine andere Mutter, deren Sohn den Förderschwerpunkt Lernen hat, bemängelte, dass auch Unterrichtsmaterial zum Teil nicht vorhanden sei. „Dann muss man über den Rest gar nicht reden, das kann so nicht funktionieren.“
Bernhard Nopper, Leiter der Rheinschule, sprach das Raumangebot an. „Nachmittags sehe ich hier Schülergruppen mit Erwachsenen in den Fluren sitzen, weil kein einziger Raum dafür zur Verfügung steht“, erklärte er. Sulzberger betreut dagegen Drittklässler in einem Zimmer der vierten Klasse, das diese Schüler immer wieder zwischendurch betreten. „Auch das ist nicht optimal.“
Eine Elternbeirätin der Leopoldschule merkte an, dass dort im Sekretariat Stunden gekürzt worden seien. „Das hätte die Stadt Weil am Rhein als Träger so belassen können“, meinte sie. Hauptamtsleiterin Annette Huber stellte klar, dass es dafür ein Rechnungssystem gebe und die Stunden nur bei großer Differenz gekürzt würden. Auch eigene professionelle Arbeitsplätze für Lehrer wurden gewünscht. „Wir versuchen, das möglich zu machen, aber es ist nicht so einfach“, erklärte Huber.
Wichtig sei jedenfalls, immer wieder Aufklärungsarbeit zu betreiben, hielt Hanke abschließend fest. Sie und Sulzberger ermunterten auch dazu, sich an die Landtagsabgeordneten zu werden.
Weil am Rhein (sas). Das, was an vielen Schulen als Inklusion bezeichnet werde, habe mit dem, was eigentlich gemeint ist, wenig zu tun, erklärte Referentin Anja Hanke, die als Lehrerin an einer Gemeinschaftsschule arbeitet und Kreisvorsitzende der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-Württemberg) ist, bei der SPD-Veranstaltung „Inklusion am Scheideweg“.
Inklusion bedeute, dass alle Individuen das gleiche Recht auf individuelle Entwicklung und soziale Teilhabe und damit auch uneingeschränkten Zugang und Zugehörigkeit zu Kindergarten und Schulen haben. Jeder Mensch werde als selbstverständliches Mitglied der Gesellschaft anerkannt. Das Ziel der 2008 in Kraft getretenen UN-Menschenrechtskonvention sei etwa, den gemeinsamen Schulbesuch von behinderten und nicht behinderten Kindern zu ermöglichen. „Die Umsetzung ist Pflicht, es geht nur darum, wie man das gestaltet“, erklärte die Referentin.
Inklusion sei außerdem Aufgabe aller Schularten. Anhand einer Tabelle zeigte sie jedoch auf, dass die Gymnasien stark außen vor sind und sich Inklusion vor allem auf Haupt-/Werkrealschulen, Gemeinschaftsschulen und Grundschulen beschränkt. „Das Ansinnen ist also noch weit davon entfernt, umgesetzt zu werden.“