Weil am Rhein Mehr Sitze für die Mehrheits-Partei

Weiler Zeitung
Die NPD wäre mit dem alten Zählverfahren zwischen 2014 bis 2019 nicht im Weiler Gemeinderat vertreten gewesen. Aktuell profitiert die SPD mit einem zweiten Ausschusssitz – auf Kosten der Freien Wähler. Foto: sba/Peter Endig Foto: Weiler Zeitung

Kommunalwahl: Freie Wähler stören sich an Ausschussbesetzungen / OB unterstützt Städtetag-Forderung

Der Unmut der Freien Wähler in Weil am Rhein über die Mehrheitsverhältnisse zugunsten von kleinen Fraktionen in den Fachausschüssen des Gemeinderats liegt in dem aktuellen Kommunalwahlrecht begründet. Über dieses wird derzeit auf Landesebene diskutiert. Weils Oberbürgermeister kann sich eine Reform der Reform gut vorstellen, auch der heimische Grünen-Chef sträubt sich nicht gegen eine Prüfung.

Von Marco Fraune

Weil am Rhein. Der als großer Makel in den vergangenen fünf Jahren angesehene Sitz eines NPD-Kandidaten im Weiler Ratsrund lag ursächlich in der im Jahr 2013 erfolgten Gesetzesänderung zur Kommunalwahl 2014 hin. „Mit d’Hondt hätte es der NPD-Kandidat nicht in den Gemeinderat geschafft“, erklärt Wahlamtsleiter Jürgen Schopferer rückblickend. Auf eine Reform des Kommunalwahlrechts dringt auch aufgrund solcher Erfahrungen aktuell der Städtetag in Baden-Württemberg.

Im neuen Gemeinderat hat den Berechnungen des Weiler Wahlamts zufolge das andere Höchstzahlverfahren keine Auswirkungen, doch die Freien Wähler stören sich an der Sitzverteilung in den Ausschüssen, was Fraktionschef Eugen Katzenstein als auch Axel Schiffmann in den Gremien artikulierten. Letzterer wollte es außerdem genau wissen, warum die kleinen Parteien trotz deutlich niedrigerer Stimmenanzahl noch so viele Mitglieder entsenden können. Das Ergebnis: Würden die Sitze wie vormals nach dem d’Hondt’schen Verfahren und nicht nach dem Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren verteilt, hätte die größte Fraktionen mehr Stimmkraft. Denn: In zwei Berechnungstabellen wird deutlich, dass nach dem aktuellen Verfahren bei neun Ausschusssitzen je zwei auf die UFW, Grünen und die CDU sowie auch die SPD und einer auf die FDP/Freie Bürger entfallen. Würde hingegen das alte d’Hondt’sche Verfahren noch gelten, hätten die Freien Wähler einen Sitz mehr, die SPD einen weniger. So aber sind die Freien Wähler mit ihren 26,3 Prozent bei der Kommunalwahl mit gleich vielen Ausschussmitgliedern vertreten wie die SPD, die nur noch 16,76 Prozent erhielt.

Die Kommunalwahl bildet eine Mischung aus Persönlichkeitswahl und Parteienpräferenz, weiß Oberbürgermeister Wolfgang Dietz. „Es gibt auf der ganzen Welt kein gerechtes Wahlsystem. Es ist immer nur eine Annäherung“, ordnet er ein. Mit Sainte-Laguë/Schepers sollten die kleineren Gruppierungen gestärkt werden, erinnert Dietz zugleich an die von Grünen und SPD umgesetzte Reform, welche er sogar als „populistisch“ bewertet. Dietz selbst bleibt Befürworter des alten Verfahrens.

Offenbar hole auch die damals Verantwortlichen die Wirklichkeit ein. Denn besonders in den großen Städten würden nun viele kleine Gruppierungen in die Räte rücken. „Eine Rückkehr zu dem, was sich bewährt hat, finde ich nicht schlecht,“ hofft er nun. Die Volkspartei Grüne müsse sich aber revidieren, womit der Weiler OB nicht rechnet.

Offen für eine mögliche Reform der Reform und Rückkehr zum alten Verfahren ist zumindest der Weiler Grünen-Chef Thomas Bayer. „Prüfen sollte man das auf jeden Fall.“ Doch einfach nur eine Reform umzusetzen, weil einem die Mehrheiten nicht passen, sei falsch: „Nur aus Beliebigkeit heraus, das wäre gefährlich.“ Ob eine erneute Wahlrechtsreform sinnvoll sei, müssten daher nun Experten bewerten.

An den verzerrten Mehrheitsverhältnissen in den Räten stört sich der Städtetag, da kleine Gruppierungen und Einzelkandidaten überproportional von dem Auszählverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers profitieren, wie Verbandspräsident Peter Kurz (SPD) jetzt erklärte (wir berichteten am Montag auf unserer Seite „Baden-Württemberg“). Es erschwere die Mehrheitsbildung und begünstige Sonderinteressen. Zudem ergäben sich direkte demokratische Probleme, da die Gruppen mit einem Sitz überrepräsentiert seien. Einer Zersplitterung soll mit dem Wechsel auf das bisherige Verfahren begegnet werden. Eine Veränderung des Wahlverfahrens noch vor der Kommunalwahl im Mai sei am Innenministerium gescheitert, erklärte Städtetags-Verbandsgeschäftsführerin Gudrun Heute-Bluhm, die frühere Oberbürgermeisterin von Lörrach. Dies sei wegen verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt worden.

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading