Weil am Rhein Meisterhafte Radierkunst

Jürgen Scharf
„Prozession in Poschiavo“: eine frühe Radierung von Jürgen Brodwolf aus der Ausstellung bei Stahlberger. Foto: Jürgen Scharf

Ausstellung: Jürgen Brodwolf zeigt in der Weiler Galerie Stahlberger Radierzyklen

Von Jürgen Scharf

Weil am Rhein. Jürgen Brodwolf hat Radierungen immer ernst genommen. Sehr viele hat er davon, sie allerdings später selten ausgestellt, weil sie nicht direkt in Verbindung zu seinen Objekten und Installationen stehen. Umso interessanter ist es, dass der in Kandern lebende Künstler, in diesem Jahr 90 geworden, Radierungszyklen aus den Jahren 1966 bis 2005 erstmals zeigt.

„In und aus der Figur“ heißt diese Ausstellung in der Weiler Galerie Stahlberger, wo Brodwolf auch schon die geschlossene Werkgruppe „Wunde – Theresienstadt“ (die als Sammlung einen eigenen großen Raum im Museum Küppersmühle in Duisburg erhalten hat) und die Reihe „Letztes Bildnis der Meret Oppenheim“ ausgestellt hatte.

In den 1960er und 70er Jahren hat sich Brodwolf intensiv mit der Kaltnadelradierung beschäftigt. Kein Wunder, ist er doch als Lithograf ausgebildet, einer Technik, die auch viel Handwerk ist. Irgendwann hat er dann die Tubenfigur entdeckt, aber nicht erwartet, dass aus dieser Modellfigur über Jahrzehnte ein so großes Werk entstehen und dieser Figurentyp zu einer wahren Idolfigur werden würde. Ähnlich war es bei den Gaze- und Bleiobjekten, die folgten.

Auch in den Kaltnadelradierungen, die nicht geätzt werden, sondern mit spitzem Stahlstichel oder kurzen Messern in die Radierplatte geritzt werden und tiefe Gräben in das Zink oder Kupfer machen, ist die Figur immer präsent – aber in vielfältigen Abwandlungen und Evolutionen von Lebensprozessen. Die Kaltnadelwerkzeuge wie der scharf geschliffene Stichel oder ein Stück Blech tauchen mehrfach in den Blättern auf, ähnlich wie Brodwolf bei seinen Figurenobjekten oft Werkzeuge dazu montiert. In Werkbeispielen wie „Radierer mit Schädel“ und „Radierer mit Modell“ zeigt Brodwolf den Künstler mit seiner Figur, seinem „Geschöpf“.

Bei Stahlberger sind die Radierungen räumlich in Themenbereiche geordnet. Auf den Drucken steht meist das Wort „Figuration“, aber es gibt doch auch Übertitel zu den Werkreihen wie „Krieg“, „Pygmalion“ oder „Ars moriendi“ (Kunst des Sterbens). Zur Serie „Pygmalion“ hängt von Brodwolf ein eigener Text aus. Darin erfährt man einiges zur Technik des Tiefdrucks, allerdings nicht, dass der Künstler Pygmalion auf sich selber bezieht.

Pygmalion-Mythos

Schließlich wollte Pygmalion ja Figuren machen, die leben, und dieser Mythos hat Brodwolf, auch ein Erschaffer von Figuren, angezogen.

Ebenso interessant ist der Zyklus mit Insekten, die augenscheinlich größer sind als die ganzen Figuren. Das passt wiederum in unsere Zeit der Naturbedrohung.

Etwas verwundert reibt man sich als vermeintlicher Brodwolf-Kenner die Augen bei den kirchenkritischen Kaltnadelradierungen von Papst, Mönchen und Bischöfen als Totenköpfe, die im letzten Raum versammelt sind und die Brodwolf in merkwürdige Architekturen stellt. Hierzu muss man wissen, dass der Bildhauer einmal bei dem Autor Wolfgang Hildesheimer in Poschiavo zu Besuch war, diesen seltsamen Baustil in Graubünden gesehen und in den Arbeiten reflektiert hat.

Manche dieser Blätter aus dem Ende der 1960er Jahre erinnern an Theaterszenen oder Cabaret. Einmal meint man, Hamlet halte auf der Bühne den Totenschädel seines Vaters in der Hand. Das Theater hat Brodwolf immer schon fasziniert, damals in den 1960er Jahren hat er in Berlin viele Theateraufführungen besucht. Das Bühnenartige erscheint sowohl in Objekten als auch, wie man jetzt erstmals sehen kann, in den Radierungen.

Mit diesen bemerkenswerten Arbeiten aus Brodwolfs früher und mittlerer Schaffensphase wird die Galerie zu einem echten Grafikkabinett, ergänzt durch zwei beeindruckende Bronzegüsse, die das zentrale Thema Figur auf plastische Art vertiefen.  Bis 18. Dezember, Di-Sa 16-18 Uhr.

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