Weil am Rhein Mit Design die Welt verändern

Weiler Zeitung
„Tetrakaidecahedron“ (1973-1975), eine bewegliche Spielplatz-Struktur, die Papanek zusammen mit Eltern, Studenten, Lehrern und Schülern entworfen hat Foto: Dorothee Philipp Foto: Weiler Zeitung

Ausstellung: Vitra Design Museum zeigt große Retrospektive zu Victor Papanek mit dem Titel „The Politics of design“

Von Dorothee Philipp

Weil am Rhein. Victor Papanek (1923-1998) ist einer der wichtigsten Vordenker eines sozial und ökologisch orientierten Verständnisses von Design. Das Vitra Design Museum zeigt jetzt erstmals eine große Retrospektive zu Leben und Werk Papaneks mit dem vielsagenden Zusatz „The Politics of Design“. Gleichzeitig geht es der Ausstellung darum, wie stark Papaneks Ansatz die Entwicklung des Designs im 20. Jahrhundert geprägt hat. Sein Umfeld hat seine Ideen und Erkenntnisse nicht nur aufgegriffen und weiterentwickelt, sondern sich auch kritisch dagegen gestellt.

Berühmt wurde Papanek mit seinem Buch „Design for the Real World“ (1971), das heute zu den meistgelesenen Büchern über Design zählt. Bezeichnenderweise ist seine erste Übersetzung auf Schwedisch erschienen. Danach wurde es in weitere 20 Sprachen übersetzt. Hier findet sich alles, was Papanek an Gedanken weiterentwickelt und in die Debatte geworfen hat: eine gesamthafte Sicht auf die Weltgemeinschaft, in der auch die Armen, die Minderheiten und die Kulturen außerhalb Europas und Amerikas ein Recht auf funktionierendes Werkzeug, eine menschenwürdige Unterkunft und brauchbare Kleidung sowie eine intakte Umwelt haben.

Wie setzt man ein Thema mit so vielen theoretischen Elementen und einem derart universellen Umgriff in einer Ausstellung so um, dass der Besucher einen prägnanten Eindruck mitnehmen kann? Das Team um die Kuratorinnen Amelie Klein (Vitra Design Museum) und Alison J. Clarke (Victor J. Papanek Fondation, Wien) hat sich einiges einfallen lassen, um dem Lebenswerk Papaneks ein Gesicht zu geben. Zunächst wird man durch eine dreidimensional angeordnete Video-Installation intuitiv an die Thematik herangeführt, um schon zu Beginn des Rundgangs durch eine wandfüllende Grafik zu erfahren, wie stark vernetzt Papanek in seiner Zeit war.

Die mehreren Dutzend Namen sind dabei fünf Kategorien zugeordnet: Einflüsse, Studenten, Organisationen, Freunde, Kritiker. Ein beeindruckendes Who is Who mit klangvollen Namen wie Henry Miller, Alvar Aalto, Frank Lloyd Wright, Sheila Levrant de Bretteville und vielen anderen. Im nächsten Raum ist Papaneks Biografie auf einer Art Zeitstrahl angeordnet, museal-klassisch in Vitrinen und Plakaten, wie Kuratorin Amelie Klein das Konzept dieses Herzstücks der Ausstellung nannte.

Intensive Dichte und viele Exponate

Die intensive Dichte und große Zahl der Exponate erfordert viel Zeit und eventuell mehrere Besuche. Dafür gibt es einiges zu entdecken, wie beispielsweise die Geburtsurkunde, die Papanek für seine Emigration in die USA benötigte oder das Poster „Big Character“ Poster No.1: Work Chart for Designers“, auf dem Papanek in skizzenhafter Manier alles Wesentliche seiner Lehre zusammengefasst hat. Das ausgestellte Material stammt hauptsächlich aus der Papanek Fondation Wien. In der Mitte dieses Raums steht ein designerisch sehr gelungener, runder „Büchertisch“, auf dem die wichtigsten Publikationen von und über Papanek präsentiert werden.

Im dritten Ausstellungsraum erlebt man die wichtigsten Ideen Papaneks in ihrer Weiterentwicklung durch seine Studenten. Auf mehreren Themeninseln geht es unter anderem um die Frage „Was ist normal?“ mit Blick auf die Bedürfnisse von Minderheiten, die bei näherem Hinsehen gar keine Minderheiten sind, sondern Teil der Gesellschaft. In diesem Raum werden auch die einfachen Lösungen gezeigt, für die Papanek sowohl gelobt als auch kritisiert wurde wie das Tin-Can-Radio aus einer Blechdose mit Transistor oder eine Paraffinlampe aus einer recycelten Glühbirne, Teilen aus Softdrink-Flaschen und Docht, die Papanek in Brasilien entdeckt hat.

Ohne Kooperationen geht es nicht

Um das Große und Ganze geht es im letzten Raum im Obergeschoss, wo deutlich wird, wie stark Design in alle Lebensbereiche hineinwirkt und diese auch verändern kann. Hier wird der Blick geöffnet auf Design als Prozess, an dem Unzählige beteiligt sind.

Eine Installation von Richard Buckminster Fuller, einem der wichtigsten Mentoren Papaneks macht das deutlich: Eine riesige Kugel, die frei im Raum hängt, besteht aus Metallstäben, die nur durch dünne Fäden miteinander verbunden sind. Bewegt man einen der Stäbe, hat das Auswirkungen auf die Form der gesamten Kugel. Von Buckminster Fuller stammt auch die Geodätische Kuppel im Außenbereich, die ein fester Bestandteil des Architekturparks auf dem Vitra Campus ist. Ohne Kooperationen lassen sich die kleinen und großen Probleme der Menschheit nicht lösen, ist die Botschaft dieses spannenden Ausstellungsteils, in dem es auch um die Frage geht, ob Technologie es schafft, die negativen Folgen von Technologie zu beheben.

Nicht von ungefähr hat auch die Ausstellung nebenan in der Vitra Gallery mit Christien Meindertsma „Beyond the Surface“ ebenfalls diesen politischen und ganzheitlichen Ansatz, bei dem es um die Möglichkeiten geht, durch Design die Welt (zum Besseren) zu verändern. „Design kann zum politischen Instrument werden“, betonte Kuratorin Alison J. Clarke bei der Vorbesichtigung für die Medien.

  Victor Papanek: „The Politics of design“, Vitra Design Museum. bis 10. März 2019, www.design-museum.de

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