Weil am Rhein Mit FFP2-Maske, Abstand und Einfühlungsvermögen

Alisa Eßlinger
Die Untersuchung von Mutter und Kind wird durch strengere Hygiene-Konzepte ermöglicht. Foto: sba/Caroline Seidel

Corona: Hebammen passen Arbeit an Pandemie-Vorgaben an / Weiter Hand auf Schulter

Weil am Rhein - Die Ärmel werden hochgekrempelt und die Situation in Angriff genommen, so geht Hebamme Claudia Voitl an ihre Probleme heran. Neben der Corona-Krise und den einhergehenden Richtlinien, verschwinden die freiberuflichen Hebammen immer mehr aus Weil am Rhein, wie im Gespräch mit Voitl deutlich wird.

Das coronabedingte Hygienekonzept laufe bereits automatisch: „Wir haben davor schon hygienisch gearbeitet, daher es gehört schon zum Alltag dazu“, sagt Hebamme Voitl. Und auch mit durch die FFP2-Maske verdecktem Gesicht sei es nach wie vor möglich, ein vertrauensvolles Verhältnis mit den werdenden Müttern aufzubauen. „Man hört es am Lachen oder sieht es in den Augen. Und bei den Live-Kursen sieht man mich auch ohne Maske.“

Der Abstand und die Distanzarbeit stören Voitl dennoch. So darf sie das Baby, das sie in die Welt begleitet hat, nur in Vollmontur in den Arm nehmen. „Dieser schöne Nebeneffekt unserer Arbeit fehlt mir.“

Doch trotz aller Abstandsvorkehrungen würde sich die Hebamme es auch nicht nehmen lassen, die Hand aufbauend auf die Schulter zu legen. Danach gehe es eben direkt zum Händewaschen.

Coronabedingte Bedenken, das Kind im Krankenhaus auf die Welt zu bringen, hätten die wenigstens werdenden Eltern, die Voitl betreut. Allgemein seien die Frauen nicht ängstlicher zuvor. Die meisten seien eher genervt von der Situation, aber informieren sich verstärkt.

Aus dem Lockdown lernen

Aus dem Lockdown kann man aber auch lernen. So findet Voitl, dass der eingeschränkte Besuch im Krankenhaus beibehalten werden sollte. „So haben die Frauen viel mehr Zeit für sich und das Kind. Sie sind viel entspannter und erholen sich besser. Das Wochenbett ist nämlich die Flitterwochen mit Kind.“

Aus der Sicht der Hebamme seien die Paare auch zu Hause viel entspannter. Bei den Wochenbett-Besuchen aber gilt immer FFP2-Maskenpflicht und Abstand. „Es darf auch kein anderer Besuch anwesend sein und bevor ich komme, muss noch einmal gelüftet werden.“

Dabei muss Voitl bestätigen: Covid-19 ist plazentagängig, sprich das ungeborene Kind kann mit Corona infiziert werden. Doch sie kann auch beruhigen, denn sie hatte bereits eine coronainfizierte Patientin. „Der Krankheitszustand war mild und Mutter sowie Kind hatten einen unauffälligen Verlauf“, schildert die 51-Jährige.

Die Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse auf der digitalen Ebene anzubieten, bot für Voitl anfangs eine Herausforderung. „Ich musste mich zuerst reinfuchsen und mein Sohn hat mich gecoacht.“ Das neue Medium hatte aber auch seinen Vorteil, denn so konnte Voitl nahtlos weiterarbeiten.

Die Online-Kurse auch nach der Krise beizubehalten, fände Voitl gut. Vor allem der Online-Rückbildungskurs trifft auf Begeisterung. „Gerade für die Mehrgebärenden ist der Kurs im eigenen Zuhause geschickt, weil sie so keine Betreuung für die anderen Kinder brauchen, denn die Geschwister machen bei den Übungen mit.“ Voitl findet es nur schade, dass die Gruppendynamik in den Online-Kursen zu kurz komme. „Es ist wichtig, dass sich die Mütter untereinander vernetzen, um sich auszutauschen.“ Die Online-Möglichkeiten werden aber dennoch genutzt, so organisieren sich die Mütter über Chatgruppen.

Ein weiterer Vorteil: Die Krankenkassen übernehmen die Online-Angebote. „Ich finde das eine absolut tolle Sonderleistung und so können wir Kontinuität gewährleisten und die Familien sind durchgehend informiert.“

170 Frauen pro Jahr

„Es gibt viele ,Wiederholungstäter’ und daher bin ich schnell ausgebucht“, sagt Voitl. Im Jahr ist sie bei 170 Geburten dabei. Sie betreut bis zu 90 Frauen im Jahr, was im Monat acht Frauen sind. „Da muss der Urlaub gut vorbereitet sein“, hebt die Hebamme hervor. Viele Frauen würden eine ambulante Geburt vorziehen, bei dieser könne man bereits vier bis sechs Stunden später wieder gehen. Allerdings brauche es dann die Unterstützung einer Hebamme, so Voitl.

Bis September ist sie vollkommen ausgebucht, sodass sie pro Tag zwei bis vier Anfragen ablehnen muss. „Das tut mir in der Seele weh, aber ich muss aufpassen, dass ich nicht zu viel mache.“ Gleichzeitig hebt Voitl hervor: „Es darf sich jede Frau in Weil am Rhein melden: Wir bemühen uns, eine Lösung zu finden.“

Es werden immer weniger

Doch auch, wenn das Angebot einer Hebamme nach wie vor gefragt ist, verschwinden die Geburtshelferinnen immer weiter aus Weil am Rhein. „Ich arbeite hier seit 27 Jahren als freiberufliche Hebamme. Wir waren auch schon zu siebt, dann zu viert und ab diesem Jahr sind wir nur zu zweit“, sagt Voitl.

Den Grund für den Rückgang vermutet die Hebamme an der „nicht allzu berauschenden“ Bezahlung. „Es ist machbar, wirtschaftlich zu arbeiten. Allerdings sind die Einsatzzeiten für die Jungen nicht mehr attraktiv“, erklärt sie.

Hebammen, die Hausgeburten übernehmen, gebe es ohnehin keine mehr, weil die Versicherungssumme „sehr hoch“ ist. Hinzu komme der administrative Aufwand mit der Einführung des QM-Systems. Für die älteren Hebammen war es zu schwierig, sich ins neue System einzuarbeiten.

Doch auch wenn die Situation kritisch ist, hat sich Voitl ein Ziel gesetzt: Die Weiler Frauen sollen weiterhin gut versorgt werden. „Wir Hebammen sind gut untereinander vernetzt und helfen uns gegenseitig und versuchen, weiter zu vermitteln.“

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