Weil am Rhein Mit Flexibilität die passende Lehrstelle gefunden

Zoë Schäuble
 Foto: sba/Felix Kästle

Beruf: Unternehmen suchen online und in persönlichen Gesprächen die passenden Lehrlinge / Unterschiedliche Erfahrungen / Bewerberrückgang Corona-unabhängig

Weil am Rhein - Die Pandemie stellt eine große Herausforderung für die Berufsausbildung dar. Wer jetzt auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist, sollte flexibel sein. Dass die Krise für Schulabgänger auch Chancen bietet, haben die großen Weiler Industrie- und Logistikunternehmen in jüngster Zeit festgestellt.

Auch wenn die Zahl der Kurzarbeiter inzwischen deutlich sinkt, läuft die Wirtschaft nach dem langen Lockdown noch nicht wieder im Normalmodus. Wer unter den erschwerten Bedingungen eine Lehrstelle ergattert hat, ist erleichtert, wissen die von unserer Zeitung befragten Weiler Unternehmen. Trotz massiver Einschränkungen werden die Betriebe weiter ausbilden und ab September die neuen Auszubildenden begrüßen.

„Natürlich stellt uns die derzeitige Situation weiter vor gewisse Herausforderungen, wenn es um die Azubis geht“, bemerkt Anita Sautter, Personalverantwortliche bei Acito Logistics. Das Weiler Logistik- und Transportunternehmen hat für den Ausbildungsstart im September insgesamt bereits fünf Stellen besetzt, drei Azubis werden ihre Lehrstelle im kaufmännischen Bereich absolvieren, zwei weitere in der Lagerlogistik eingesetzt. Obwohl das bereits eine gute Bilanz sei, habe das Unternehmen noch weitere offene Stellen, auf die sich Interessierte noch bis Ende des Monats bewerben können.

Als besonders herausfordernd empfindet Sautter die Verlagerung der Vorstellungsgespräche in die digitale Welt: „Da wir die AHA-Regeln entsprechend umsetzen können, haben wir uns bewusst gegen digitale Vorstellungsgespräche entschieden.“ Für das Unternehmen sei es einerseits wichtig, den Bewerber persönlich kennenzulernen, da stelle der Videocall keine gute Alternative dar. „Andererseits sehen so die Bewerber auch direkt, wie unser Betrieb aussieht und sie können die Atmosphäre ganz anders wahrnehmen.“

Unter Pandemiebedingungen ebenfalls schwierig sei die Werbung der Unternehmen um geeignete Auszubildende. Normalerweise präsentiert sich das Unternehmen auf der Weiler Messe und auf diversen Jobbörsen im Raum. „Jetzt konnten wir lediglich an virtuellen Azubimessen teilnehmen“, berichtet die Personalverantwortliche.

Die vorübergehende Schließung der Berufsschulen während der ersten Corona-Welle im vergangenen Jahr stellte einen weiteren Kraftakt für die Lehrlinge, aber auch für die Unternehmen dar: „Der Unterricht fand nahezu ausschließlich virtuell statt, darunter haben die Azubis natürlich gelitten.“ Für dieses Jahr, so hofft Sautter, ändert sich die Lage aber und alle Veranstaltungen können wieder wie gewohnt in Präsenz stattfinden.

Das Ausweichen der jungen Nachwuchskräfte ins Homeoffice kommt für viele der Weiler Betriebe nur in Ausnahmefällen infrage. „Ob Teile der Ausbildung im Homeoffice absolviert werden, hängt stark vom jeweiligen Ausbildungsberuf ab“, erklärt Katharina Moser, Personalverantwortliche für den Bereich Ausbildung und Duales Studium bei der Firma ARaymond, dem großen regionalen Automobilzulieferer. Das Unternehmen hat bislang 23 Azubis und dual Studierende für ihre drei Standorte für September eingestellt. Zwei Lehrstellen sind bislang noch unbesetzt. „Es ist nicht für alle Ausbildungsplätze einfach, geeignete Bewerber zu finden“, weiß die Expertin. Das sei aber nicht zwingend mit der Pandemie in Zusammenhang zu bringen. Manche neuartige Berufsbilder seien einfach zu wenig bekannt.

Heikel an der aktuellen Lage ist für die potenziellen Bewerber besonders der durch Corona verursachte Ausfall vieler Betriebspraktika. So haben Bewerber laut Moser nur wenig Chancen, die Unternehmen vorab kennenzulernen.

Bei ARaymond wurde – angepasst an die jeweilige Inzidenz – in der Bewerbungsphase auf einen Wechsel zwischen digitalen und vor Ort stattfindenden Gesprächen gesetzt. Problematisch ist das Kennenlernen online nicht, schildert Moser. „Mit dem Online-Format haben wir positive Erfahrungen gemacht, da gerade unsere Zielgruppe bestens mit der notwendigen Technik ausgestattet ist.“

Einen Trend, den die Unternehmen insgesamt wahrnehmen, ist der generelle Rückgang an Bewerbungen. Beim Weiler Standort von Endress+Hauser konnten zwar alle drei freien Ausbildungsplätze besetzt werden, berichtet Katrin Wallus, Ausbildungsbeauftragte des Unternehmens. „Allerdings ist es generell schwierig, geeignete Bewerber zu finden, da die Anzahl an Bewerbungen nicht ganz so hoch ist, wie gedacht.“ E+H bildet ab September Industriekaufleute und Mechatroniker aus. Wie auch Moser von ARaymond bemerkt die E+H-Verantwortliche Wallus, dass gewisse Berufsbilder gefragter sind als andere.

Die Pandemie hat diesen Bewerberrückgang nicht hervorgerufen, unterstreichen die Unternehmen. „Natürlich sind die Herausforderungen, vor die wir jetzt gestellt sind, hoch,“ erklärt Wallus. Allerdings sei das Phänomen des Azubi-Mangels viel eher auf eine zunehmende Akademisierung und nicht auf die Corona-Krise zurückzuführen.

Einen eher geringen Bewerbungseingang verzeichnet auch die Firma Conductix-Wampfler, jedoch abhängig vom jeweiligen Ausbildungsberuf. Trotzdem haben sich neun geeignete Bewerber zunächst im Online-Bewerbungsgespräch, später dann vor Ort für die ausgeschriebenen Stellen qualifiziert. „Ausgebildet werden die neu eingestellten jungen Leute in den Bereichen Lagerlogistik, Montagetechnik, Konstruktionsmechaniker und einigen weiteren Berufsbildern“, berichtet Svenja Held, Personalverantwortliche des Unternehmens. Ebenfalls wie für Acito Logistics war auch für Conductix-Wampfler die Bewerbungsphase im Online-Format ungewohnt, weswegen man lediglich das erste Gespräch per Videochat und alle weiteren Gespräche vor Ort persönlich geführt habe.

Dass die Corona-Krise nicht zu einer Ausbildungskrise führen darf, da sind sich die befragten Weiler Unternehmen einig. Sie halten entsprechend an ihren Angeboten fest. Wenn die Betriebe es jetzt versäumten, Fachkräfte auszubilden, dann werde sich der Fachkräftemangel in Zukunft verstärken.

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