Weil am Rhein Moment der Verblüffung

Jürgen Scharf
Der Illustrator Christoph Niemann erzählte beim Vitra-Talk, wie seine Bildwerke entstehen. Foto: Jürgen Scharf

Künstlerporträt: Illustrator, Grafiker und Autor Christoph Nieman im Schaudepot.

Weil am Rhein - Das war mal ein erfrischendes Eröffnungsgespräch zur jüngsten Ausstellung „Living in a Box“ im Vitra-Schaudepot (wir berichteten gestern), in freier Rede, witzig und pointiert: Christoph Niemann, dem 48-jährigen Illustrator, Grafiker und Autor, der eine Größe in der Werbegrafik ist, hörte man im dicht besetzten Depot Deli auf dem Vitra Campus gerne zu.

Matteo Kries, Direktor des Vitra Design Museums, stellte ihn als wichtigsten Zeichner in Deutschland und vielleicht weltweit vor. Niemann habe mehr Instagram-Follower als Vitra, meinte Kries augenzwinkernd.

Es war sehr persönlich und privat, was Niemann dann über sich sagte, indem er seine Arbeit hautnah und lebendig präsentierte.

Der nach einem längeren New York-Aufenthalt in Berlin lebende Künstler bewegt sich als Illustrator im Grenzbereich zwischen Kunst und angewandter Kunst. Seine Zeichnungen erzählen Geschichten aus dem Alltag. Schere, Apfel, Banane, sie tauchen auf ungewohnte Art in seinen Zeichnungen auf. Da gibt es einige Lacher, wenn man seine Bilder projiziert sieht, etwa die aus zwei Bananen bestehenden Hinterbeine eines Pferdes.

Zwei typische Arten von Ästhetik unterscheidet Niemann: Die „Notausgangsschilder“ – so ein Schild hing auch über der Tür des Bistros –, die eine klare Botschaft transportierten, und „alles andere“. Der Grafikdesigner spielt mit dem Moment der Verblüffung, wenn er fotografierte reale Alltagsgegenstände mit Gezeichnetem kombiniert. Seine ungewöhnliche Sicht ist dabei sehr amüsant. Kein Wunder, dass er schon Cover-Illustrationen für den legendären „New Yorker“ machte.

Spezieller Bildwitz: Niemanns Zeichnungen sind spielerisch, absurd

Niemanns Zeichnungen sind spielerisch, absurd, haben eine ganz bestimmte Art von Bildwitz, der im Kopf des Betrachters entsteht. Dabei vermag er es, mit wenig Informationen beim Betrachter Emotion auszulösen. Das ist auch sein künstlerisches Ziel, und dazu bedient er sich Elementen aus der Hoch- und Popkultur, die er zwingend verbindet. So wird der Strich zum Gegenstand, zu Verwandlungen.

Der Meister der optischen Illusion ist sowohl von Fantasy-Malern inspiriert, wie auch von dem Romantiker Caspar David Friedrich, der die Menschen nie frontal gemalt hat, sondern in einer Perspektive von hinten. Niemann versucht, sein Sehen ständig neu zu erfinden, um einen besonderen Blick für die Dinge aus dem Alltag zu bekommen. Zudem denkt und arbeitet er auch architektonisch und fertigt seine Zeichnungen in reduzierter Form an, wie seine Porträts von Christo bis Picasso zeigen.

Am lustigsten war sicherlich der Fingerzeig auf sein eigenes Badezimmer, das er ganz im Stil des New Yorker U-Bahn-Netzes zu einer Pinselzeichnung verwandelt hat. Niemann ist ein Künstler mit Obsession, und dass sich viele Menschen für seine ikonografische Kunst interessieren, bewies der große Andrang vor der Ausstellungseröffnung.

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