Weil am Rhein Nachts sollen Bürger ruhig schlafen

Jasmin Soltani
Für eine gerechtere Verteilung der Belastung nimmt Fingerle auch die deutschen Behörden in die Pflicht. Foto: Marco Fraune

Initiative engagiert sich gegen Fluglärm. „Es wird sogar über Lörrach-Haagen geflogen“.

Weil am Rhein/Kandern - Für weniger Belastungen durch den Flugverkehr im Dreiländereck, allen voran für ein striktes Nachtflugverbot, kämpft die Bürgerinitiative Südbadischer Flughafenanrainer, BISF, mit Sitz in Haltingen seit fast 20 Jahren. Ein Kampf von David gegen Goliath, selbst nachdem sich die 600 Mitglieder starke BISF um den Vorsitzenden Jürgen Fingerle mit vier anderen Gruppierungen aus den beiden Nachbarländern zusammengetan hat. Das zeigt auch das jüngste Fingerhakeln mit dem EuroAirport wegen der Verschiebung der Nachtflüge nach Norden.

Reiner Protest bewirkt wenig

Früh hatte die BISF festgestellt, dass reiner Protest gegen Fluglärm wenig bewirkt. „Man muss sich mit Fakten, Flugtechnik und politischen Zusammenhängen auseinandersetzen“, weiß Fingerle. Und man muss ein Netzwerk aufbauen. Dennoch habe es 18 Jahre gedauert, bis die Allianz Anfang 2018 stand, schüttelt er den Kopf. Nun „ziehen alle an einem Strang“, die BISF, die französische ADRA, zwei Schweizer Schutzverbände und ein Verbund von sechs Gemeinden aus dem Kanton Baselland.

Der Forderungskatalog hat sich nicht geändert: Striktes Nachtflugverbot zwischen 23 und 6 Uhr am EuroAirport (derzeit 24 bis 5 Uhr), maximal 100 000 Flugbewegungen pro Jahr, einschließlich der Privatflieger (2017 waren es 96.000) sowie eine Änderung des Flugverfahrens mit dem Ziel, die besonders lärm- und schadstoffintensiven Kurvenflüge bei Start und Landung abzuschaffen. Mehr Direktflüge also, was auch mehr Abflüge nach Süden bedeuten würde.

Doch seit der Schließung des Militärflughafens Bremgarten steuern bis zu 40 Prozent der Starts den virtuellen Navigationspunkt Elbeg bei Kandern an, auch solche, die südliche Destinationen anfliegen. In der Allianz der Fluglärmgegner, die sich verständigt haben, „keinem Florian-Prinzip zu folgen“, habe zwar jede Gruppe ihre eigene Argumentationsgrundlage, „aber alle sind gegen Elbeg“, betont Fingerle.

Nachtflüge haben enorm zugenommen

Ob sich die Gemeinschaft mehr Gehör bei den Verantwortlichen des Flughafens, den schweizerischen, französischen und deutschen Behörden verschaffen kann, bleibt abzuwarten. Ungeachtet des jahrelangen Kampfs gegen den Fluglärm haben die Nachtflüge in den Jahren 2016 und 2017 jedenfalls enorm zugenommen. Der EAP führt wirtschaftliche Argumente ins Feld, während die Beschwerden der Lärmgeplagten aus allen drei Ländern stärker werden. Auch weil die Flugroute über Elbeg immer mehr aufgeweitet werde, kritisiert Fingerle: „Es wird sogar über Lörrach-Haagen geflogen“.

Ein Ärgernis seien zudem die widersprüchlichen Meldungen des Flughafens: Erst habe der Verwaltungsrat wegen der Proteste eine Halbierung der geplanten Starts zwischen 23 und 24 – allerdings nur derer nach Süden –, versprochen, dann sei das für „schwer durchführbar“ erklärt worden, um bald sogar 90 Prozent zu versprechen. Gleichzeitig werden Piloten per Flugblatt angehalten, ab 23 Uhr Abflüge nach Norden vorzuziehen.

„Das ist Belastungsexport nach Deutschland, während Basel, das nur ein Prozent der Belastung trägt, geschont wird“, ärgert sich Fingerle. Für eine gerechtere Verteilung der Belastung nimmt er auch die deutschen Behörden in die Pflicht. Die Flugsicherung hätte den unteren Luftraum im Einzugsbereich des EAP, der bis zum Wiesental reiche, nicht ohne Mitspracherecht an die französische Seite delegieren dürfen. Nun aber werde sie bei Änderungen im Flugverkehr nicht einmal von der französischen Aufsichtsbehörde für die zivile Luftfahrt, DGAC, informiert. „Wir können machen, was wir wollen“, habe der DGAC-Chef jüngst der Allianz mitgeteilt. Wie die Sachlage wirklich ist, will die BISF nun vom Bundesverkehrsministerium wissen.

Immerhin hat es erstmals seit 18 Jahren ein solches „sehr offenes Gespräch“ zwischen Fluglärmgegnern und DGAC gegeben. Findet das Netzwerk mit 7000 Mitgliedern doch mehr Gehör, nachdem man einzeln nichts bewirken konnte? Jürgen Fingerle bleibt skeptisch. Es mangele weiter an Transparenz, was für ihn persönlich 51 Prozent der Motivation ausmache, weiter zu kämpfen. Und ohne die BISF und die anderen Organisationen, die ihm auch viele positive menschliche Begegnungen bescherten, wäre vielleicht alles „noch schlimmer“, sagt er.

Gleichwohl ist Fingerle um Klarstellung bemüht: „Wir sind keine Flughafengegner, sondern für vernünftigen Flugverkehr“. Der nächtliche Flug eines Rettungshubschraubers sei „völlig okay“, nicht aber, „dass einem ein Airbus oder ein Frachtflieger nach Mitternacht den Schlaf raubt“. Er selbst halte sich privat mit dem Fliegen zurück: je einmal Indonesien, Hawaii, Bristol, Wien und Berlin habe er auf dem Konto. Und irgendwann könnten die Azoren hinzukommen. Noch stehen sie nur auf der Wunschliste.

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