Weil am Rhein Natur trifft auf Kultur

Weiler Zeitung
Blick in die Ausstellung mit Erd-Moos-Hügel von Takakazu Takeuchi (links) und einem Textil-Papier-Objekt von Christine Fausten, hier mit Kurator Martin Hartung Foto: Jürgen Scharf

Ausstellung: Takakazu Takeuchi und Christine Fausten

Von Jürgen Scharf

Weil am Rhein. „Geerdet“ ist die neue Ausstellung im Weiler Kunstverein. Mit Erde arbeitet nämlich der japanische Künstler Takakazu Takeuchi. Erde gibt Energie, sagt der Bildhauer und Zeichner, in der Erde finden biologische Vorgänge wie eine Symbiose mit Bakterien statt.

Folgerichtig hat er in der Städtischen Galerie Stapflehus im Erdgeschoss aus Erde, Moos, Farn, Steinen, Gräsern und Holz eine konzeptuelle Bodeninstallation geschaffen, die einen Urkontinent darstellen soll. Aus dem Moosboden scheint eine mystische Erdfigur mit deutlich modellierter Wirbelsäule zu wachsen: eine Kreatur, ein Urmensch der Frühzeit.

Dieser Kontinent soll grün bleiben, darf nicht welken und muss daher während der Ausstellung gut gepflegt werden. Mitgeholfen beim Sammeln der örtlichen Naturmaterialien haben Mitglieder des Kunstvereins, so dass die Erdskulptur schon eine Art Gemeinschaftswerk geworden ist.

Mit seinen naturnahen Installationen und Tonfiguren trifft Takeuchi auf Christine Faustens textile Objekte. Intensive Begegnungen zwischen Natur und Kultur sind da programmiert und erlebbar. „Ich träume von innen und außen“ ist der Titel der japanisch-deutschen Begegnung, ein „interkultureller Dialog zwischen Ost und West“, so der Kunsthistoriker und Kurator Martin Hartung.

Die beiden Künstler haben noch nie zusammen ausgestellt, kennen sich aber seit ihrer gemeinsamen Studienzeit in den 1990er Jahren an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo Takeuchi Bildhauerei bei Günther Uecker und Fausten Malerei bei Gotthard Graubner studiert hat – beide Stränge kommen in der Ausstellung zusammen.

Der Japaner kam zu einem mehrwöchigen Arbeitsaufenthalt ins Basler Atelier Mondial und nach Weil am Rhein, wo er die große Bodenarbeit, die sich „der Kunstverein ausdrücklich von ihm gewünscht hatte“ (Hartung), realisieren konnte. Zudem schuf er hier die kleinformatigen Sitzenden und Liegenden aus glasiertem Ton in moosartiger Farbe (Engobe), die in den Fensternischen platziert sind. Aus seiner Heimat hat er die filigrane Keramikskulptur mit zwei verschlungenen Figuren mitgebracht, die Nähe und nicht Distanz verkörpern – etwas, was im Lockdown vermisst wurde.

Takeuchi arbeitet auch mit anderen Materialien wie Eisen, Plexiglas oder aufeinander gelegten Spiegelscheiben. Mit einem Pinsel aus selbst geschnittenem Bambus fertigt er Tuschezeichnungen zu seiner bevorzugten Thematik Tier, Mensch, Natur. Seine Wesen sind ähnlich hybrid wie die von Christine Fausten. In solchen figurativen Arbeiten nähern sich die beiden Künstler an.

Die in Baselland lebende Fausten, die für ihre Mischwesen, halb Mensch, halb Tier, bekannt ist, hat ebenfalls vor Ort gearbeitet. Zwei große Vogelmenschen, die um sich ein starkes Kraftfeld erzeugen, strahlen durch ihre Verwandlung und Tier-Mensch-Werdung große Intensität und Ausdruckskraft aus. Sie sind bildhauerisch gearbeitet, damit die Figuren standhalten; Oberfläche und Innenleben sind komplett stofflich und floral.

Da es in der Natur um Verwandlung und Farbwerdung geht, sind auch Faustens Bilder so zu deuten. Blumen sind ihr Kernmotiv, immer in Anbindung an die Natur, wie man auch in einem frühen Objekt aus Papier, Textilem und Pflanzenresten sieht. Die „Betonung von Zyklen, von Verwandlungen, die Bewusstmachung der Vergänglichkeit, aber auch das Spielerische, die Freude am Leben“ hebt Hartung als künstlerische Positionen der Ausstellenden hervor.

Wie zwei so individuelle Künstler mit Fragen nach der Existenz, der Bewahrung der Natur und dem ewigen Kreislauf in einen Kunstdialog treten, zeigt sich nicht zuletzt im Obergeschoss. Hier steht Faustens „Hölderlin-Sofa“, eine Recycling-Installation aus Stoffrollen von Kleidungen verstorbener Familienmitglieder.

Dazu läuft Takeuchis Video von seiner mutigen Expedition in ein Sumpfgebiet, die er mit der Kamera in der Hand gefilmt hat. Assoziativ begleitet wird der Film, in dem es um Wahrnehmung, den Reiz und die elementare Herausforderung der unberührten Natur geht, von Christine Faustens singender Stimme.   Bis 24. Oktober, Sa 15-18, So und Feiertag 14-18 Uhr. Es erscheint ein Katalog.

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