Weil am Rhein Neugier und das Staunen über die Welt fördern

Adrian Steineck
 Foto: Adrian Steineck

Verabschiedung: Martin Jösel geht nach 20 Jahren am „Kant“ in den Ruhestand

Weil am Rhein - Mit Martin Jösel hat dieser Tage ein Lehrer seinen letzten Unterrichtstag am Kant-Gymnasium gehabt, der das kulturelle Leben in der Stadt auch abseits des Klassenzimmers als Rezitator, Pianist und Sänger bereichert hat. „Ich bin sehr gerne Lehrer in Weil am Rhein gewesen“, zieht der umtriebige Jösel eine zufriedene Bilanz seiner 20 Jahre am Kant-Gymnasium.

Wer mit Jösel spricht, der merkt schnell, dass hier einer begeistert ist und diese Begeisterung auch in anderen entfachen will. „Neugierig zu sein, zu staunen über die Welt, das ist es, was ich meinen Schülern stets vermitteln wollte“, sagt der scheidende Lehrer für Deutsch, Geschichte und Ethik.

An erster Stelle stand für ihn stets die persönliche Begegnung mit den Schülern, erst dann kam der Lehrstoff. „Es gab so viele herzliche Begegnungen mit offenen jungen Leuten“, sagt Jösel. Auch während des Gesprächs mit unserer Zeitung ruft er einem vorbeikommenden Schüler zu: „Wir spielen aber noch einmal zusammen Klavier“, was dieser mit einem „Aber klar, fragt sich wegen Corona nur, wann“ beantwortet. Denn das Coronavirus hat auch am Kant-Gymnasium vieles durcheinandergewirbelt. „Ich bin jetzt noch viel mehr in das Thema Digitalisierung eingestiegen, als ich das bei meiner Veranlagung eigentlich vorhatte“, sagt der scheidende Lehrer mit Blick auf die vergangenen Monate.

Schüler durften sich stets stark einbringen

Bei Jösel sollten die Schüler stets etwas von sich selbst mit einbringen. Im Geschichtsunterricht etwa: „Ich habe nicht gesagt: Schaut, was im Geschichtsbuch auf Seite 14 steht, sondern ich habe appelliert: Fragt eure Eltern oder Großeltern, wie das damals war“, schildert er seine Herangehensweise. Auch er selbst berichtete als Zeitzeuge der 68er-Generation vieles aus eigenem Erleben, wenn es in den Unterricht passte, wie Jösel schmunzelnd sagt.

Geboren ist Jösel im Jahr 1955 in Karlsruhe. In Freiburg und Innsbruck hat er Germanistik, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft studiert. Erste Erfahrungen als Lehrer sammelte er an der Deutschen Schule in Brüssel – ein Lebensabschnitt, den er nicht missen will. „Ich habe dadurch etwas von der Welt kennengelernt“, legt er dar.

Zurück in Deutschland, leitete er mehrere Jahre die Volkshochschule Hochrhein. „Jeder meiner Lebensabschnitte hat meine Lehrtätigkeit am Kant-Gymnasium befruchtet“, sagt er im Rückblick. So gelang es ihm etwa, Annemarie Pieper, „eine der großen Philosophinnen Deutschlands“, die er zuvor schon von seiner Volkshochschul-Tätigkeit her kannte, für einen Vortrag an das „Kant“ zu holen. Gerne erinnert er sich auch noch an den Besuch des früheren Fußballtrainers Ottmar Hitzfeld, der am Kant-Gymnasium über „Burn-out im Alltag“ sprach und sich als warmherziger Mensch präsentierte, der die Schüler auch umarmte und mit seinem Vortrag viele berührte.

Am Kant-Gymnasium brachte Jösel häufig sein Kant-Holz mit in den Unterricht, das anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Schule im Jahr 2013 von ihm entworfen wurde. Das Spielen mit Worten und Wortbedeutungen liebe er, bekennt der scheidende Lehrer mit strahlenden Augen. Beim Kant-Holz handelt es sich um ein vierkantiges Holz, das auf jeder Seite eine Grundfrage des Philosophen Immanuel Kant aufweist, etwa „Wer bin ich?“ oder „Was kann ich wissen?“.

Auch das kulturelle Leben hat er bereichert

„Diese Fragen haben es in sich und bringen die Schüler zum Nachdenken“, sagt Jösel, der seine Kant-Hölzer an viele Philosophen in Deutschland verschickt hat. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann habe ein Kant-Holz auf seinem Schreibtisch liegen und hätte sich sogar mit einem persönlichen Schreiben bei ihm bedankt, freut sich Jösel.

Neben dem Unterricht am „Kant“ bereicherte der Lehrer das kulturelle Leben in Weil am Rhein unter anderem mit den Kabarettgruppen „Taktlos“ und „Die Pfifferlinge“ sowie mit Projekten etwa zu Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“, den er als Rezitator gemeinsam mit dem befreundeten Saxofonisten Ralf Geisler inszenierte. „Das Projekt geht weiter“, macht er deutlich, wenngleich Corona auch hier eine Zwangspause notwendig gemacht hat.

Jetzt freut sich Jösel aber erst einmal darauf, mehr Zeit für seine Familie zu haben. An Ideen für den neuen Lebensabschnitt mangelt es ihm nicht. So will er das Projekt des Epikur-Gartens, bei dem mehrere von Kant-Schülern gestaltete Büsten des antiken griechischen Philosophen den Säulengarten auf dem Landesgartenschaugelände schmücken sollen, weiter begleiten. Auch als Pianist und Buchbinder – „Da bin ich gehobener Amateur“, sagt er mit Blick auf Letzteres – will er verstärkt tätig sein. „Ich gehe nicht in den Ruhestand, aber eine Ruhepause darf durchaus sein“, bringt er es auf den Punkt.

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