Weil am Rhein „Postengeschacher“ in der Kritik

Weiler Zeitung
Rochus Stiefvater (von links), Petra Haselhoff und Daniel Ramos sind neu in die SPD eingetreten. Die Ortsvereinsspitze, Brigitte Pantze und Stefan Reinelt, konnten neue Parteibücher überreichen. Fotos: Marco Fraune Foto: Weiler Zeitung

SPD I: Weiler Genossen wägen Für und Wider einer GroKo ab / Schlechtes Ergebnis bei Neuwahl befürchtet

Wohin der Weg der SPD führen soll, darüber gibt es im Ortsverein Weil am Rhein und Haltingen unterschiedliche Auffassungen. Das wurde bei der Diskussion während der Mitgliederversammlung am Freitagabend deutlich. Die Bandbreite reichte von einer Parteiaustrittsdrohung über Forderungen, dass sich die Partei erneuern muss bis hin zur Zustimmung zur Großen Koalition.

Von Marco Fraune

Weil am Rhein. Aktuell stimmen bundesweit die Mitglieder darüber ab, ob die SPD in eine GroKo gehen soll. 20 Prozent hatten bereits ihre Stimme bis Freitag abgegeben. Einige Weiler Genossen sind darunter, wobei auch mit Nein votiert wurde.

Klaus Pfleghaar: Die Mehrheit sei sich im Klaren, das die GroKo benötigt werde. Doch welche Partei wolle die SPD künftig sein, erinnerte Klaus Pfleghaar an Punkte wie die Solidarität in der Arbeiterschaft, Demokratie und den friedlichen Kampf zur Durchsetzung der Ziele. Der SPD fehle es an Profil, daher sei eine Erneuerung der Partei wichtig. Diese müsse von den Mitgliedern und den Ortsvereinen ausgehen. Dass das Lobby-Register aus dem Koalitionsvertrag verschwunden ist, sei schlecht. Die SPD müsse mit Ideen überzeugen. „Es geht um Ideen, nicht um Macht und nicht um Pöstchen.“

Christoph Ruhland: Seine Furcht vor der Großen Koalition artikulierte Christoph Ruhland, der dagegen gestimmt hat. Die Parteiverantwortlichen kritisierte er auch, da diese mit den Abstimmungsunterlagen für das GroKo-Votum einige Papiere mit Werbung für dieses Bündnis versenden würden, was Mehrkosten von etwa 65000 Euro verursache. Außerdem monierte Ruhland den Umgang mit dem bisherigen Parteichef Martin Schulz. Und: „Wenn Sigmar Gabriel einen Ministerposten bekommt, bin ich versucht, wieder auszutreten aus der SPD.“ An dem „Postengeschacher“ stört sich der Weiler Sozialdemokrat ebenso. Eine neues Grundsatzprogramm, also ein „Godesberger Programm 4.0“ sei erforderlich.

Johannes Foege: Der SPD-Fraktionschef verwies darauf, dass seine Partei einen idealistischen Hintergrund habe, doch auf der anderen Seite täglich für Bürger Entscheidungen auch auf kommunaler Ebene trifft. „Zwischen den Polen hängt die SPD.“ Gegen Juso-Chef Kevin Kühnert bezog Johannes Foege Position, da dieser Stimmung mache. „Wir müssen in der Lage sein, uns auf veränderte Wetterverhältnisse einzurichten.“ Nachdem das Jamaika-Bündnis nicht die Regierung übernommen habe, daraufhin Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die SPD in die Pflicht genommen hat, zu verhandeln, gebe es ein „neues Faktum“. Es handele sich also nicht um einen Wortbruch, sondern ein Reagieren auf Realitäten.

„Besser aus der Position des Machenkönnens als des Kritisierens“ müsse sich die Partei erneuern. „Wir haben Ministerien erstritten, in denen man gestalten kann. Es wäre größter Schwachsinn, wenn man den Gestaltungswillen opfert, um sich zu erneuern.“ So sei auch eine Reaktion auf die veränderte Arbeitswelt wichtig, die mit der digitalen Welt einherget. „Da fehlen uns die Konzepte.“

Brigitte Pantze: Nicht der Verantwortung entziehen dürfe sich die SPD, meint die SPD-Ortsvereinsvorsitzende. „Ich sehe nicht eine Erneuerung in der Opposition“, sprach sich Brigitte Pantze klar für die GroKo aus. Eine Große Koalition, in der mit Kompromissen gearbeitet werde, und eine Erneuerung von unten seien erforderlich. Dass nicht alle ihre Meinung vertreten und eine ausführliche Diskussion geführt werde, hält sie für „nicht schlecht“. Das „Postengeschacher“ habe sie hingegen getroffen.

Jürgen Valley: „Wir können uns nicht beleidigt umdrehen und nicht in die Koalition gehen“, meint der SPD-Gemeinderat. Eine Minderheitsregierung sei zu unsicher. Und die SPD sei dafür verantwortlich, dass keine Unsicherheit entsteht. „Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen.“ Die Zustimmung zum Koalitionsvertrag sieht Jürgen Valley als „alternativlos“ an. Die SPD müsse die Chance nutzen und sich während der Regierungszeit erneuern. Dies müsse von der Führungsspitze aus erfolgen. „Dazu braucht es Führungspersonen.“

Werner Wiesner: Die SPD habe nicht geliefert, findet Werner Wiesner. So müsse man den Leuten aufs Maul schauen und denen nicht die Äußerungen verbieten. Er habe zudem Angst vor einem Erstarken der AfD. „Bei Neuwahlen kommt nichts raus, die SPD verliert dann und das braune Volk wird regieren.“

Bernd Gallasch: „Ich bin unsicher“, weiß Bernd Gallasch nicht, ob er für die GroKo stimmen soll. Eine Minderheitsregierung gebe es schließlich auch in anderen Staaten. Die SPD habe sich auch in Baden-Württemberg bisher nie erneuert, wobei die Nominierung von Andrea Nahles zur Parteichefin „im Hinterzimmer“ von Gallasch kritisch gesehen wird. Angst vor Neuwahlen hat er aber auch, da die SPD dann wohl weiter an Ansehen verliere und es den Genossen so ergehe wie denen in Frankreich.

Petra Haselhoff: Als Fan von Martin Schulz positionierte sich Petra Haselhoff. „Ich fand Schulz schon immer herausragend anders.“ Doch rede nun noch irgendjemand über seinen Weggang. „Ich verstehe im Moment weder oben noch unten.“ Ob eine Minderheitsregierung helfe, weiß sie nicht. Auch Haselhoff hat sich noch nicht entschieden, ob sie für die GroKo stimmen wird.

Stefan Reinelt: Als „zutiefst frustriert“ beschrieb der stellvertretende SPD-Ortsvereinsvorsitzende seine Gemütslage. Auch angesichts der Energiepolitik der SPD hat sich Stefan Reinelt schon gefragt, ob er in der richtigen Partei ist. „Unsere Leute in Berlin haben sich nicht mit Ruhm bekleckert.“ Angela Merkel werde wohl keine Minderheitsregierung eingehen, womit eine Neuwahl anstünde. „Das wird dann schlecht für die SPD ausgehen.“ Reinelt hat zwar das Verlangen, der Partei einen Denkzettel zu verpassen. Doch es werde über die Regierungspolitik und nicht über die Parteispitze abgestimmt. Der Ortsverein selbst müsse jedenfalls mehr auf die Bürger zugehen und dürfe nicht den Draht zu den Menschen verlieren.

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