Weil am Rhein Wo die Trauben gemolken werden

Beatrice Ehrlich
Susanne Engler, Obfrau der Winzer aus Haltingen mit den Teilnehmern der Rebbegehung. Foto: Beatrice Ehrlich

Winzer, Politik und Verwaltung unterwegs in den Haltinger Weinbergen.

Auf Einladung der Stadt Weil am Rhein sind am Montag Vertreter aus Politik und Verwaltung sowie Winzer zur traditionellen Rebbegehung zusammengekommen. Begangen wurde in diesem Jahr turnusgemäß die Gemarkung Haltingen, nach Weil und Ötlingen in den vergangenen beiden Jahren.

Hitze-Stress im Weinberg

Michael Heintz, Geschäftsführer und Vorstandvorsitzender der Haltinger Winzer eG, begrüßt die Teilnehmer vor der Winzergenossenschaft. Die Sonne scheint, das Wetter scheint ideal für einen kleinen Herbstspaziergang. Doch der Aufstieg über die Haltinger Stiege strengt über die Maßen an. Denn dieser Nachmittag ist heiß, fast zu heiß, wenn man das Wohl der Weinstöcke im Blick hat. Das ständige Hin und Her von starkem Regen und heißem Sonnenschein bedeute Stress für die Reben, führt Susanne Engler, Obfrau der Winzer aus Haltingen aus.

Die Obfrau der Winzer aus Haltingen, Susanne Engler, führte durch die Reben. Foto: Beatrice Ehrlich

Das bremse ihre Reifung aus, sie verschiebe sich nach hinten. Starke, ausgiebige Regenfälle sollte es jetzt möglich nicht mehr geben, sagt Ingo Ehret, Kellermeister der Haltinger Winzer eG, der örtlichen Genossenschaft. Denn wenn auch die sichtbare Reife und die Oechsle-Grade mit dem vergangenen Jahr um diese Zeit vergleichbar seien, mache ihm doch die wesentlich dünnere Haut der Beeren sorgen. Werde diese jetzt noch beschädigt, sei das ein Einfallstor für Wespen und Kirschessigfliegen, welche den Trauben noch im letzten Moment Schaden zufügen könnten.

Durch die Haltinger Weinberge Foto: Beatrice Ehrlich

Wie so oft bei herbstlichen Rebbegehungen fällt bald die Frage nach dem Mostgewicht. „Oechsle-Rekorde wie früher werden wir nicht erzielen“, sagt Ehret. Dies sei aber auch gar nicht mehr gewollt, ergänzt Engler. Heute seien leichtere Weine gefragt. „Die Leute trinken lieber ein Glas mehr“, hat sie beobachtet. Regelrecht explodierende Oechsle-Werte haben indessen Johannes und Christoph Schneider vom Weingut am Schlipf in den vergangenen Tagen beobachtet.

Kühler Start ins Rebenjahr

Kühl sei das Jahr gestartet, erinnert Engler an den Beginn des Rebenjahrs. Der Pilzdruck sei hoch gewesen, dennoch habe man den Einsatz von Pflanzenschutz, das heißt Schädlings- und Unkrautbekämpfungsmitteln, lange herauszögern können. Irgendwann drehte sich das Wetter dann, von da an gab es viel Sonne im Weinberg, berichtet sie. Nun hängen die Stöcke rechts und links des Wegs voller dicker Trauben.

Trauben im Haltinger Rebberg Foto: Beatrice Ehrlich

„Der Herrgott hat es gut mit uns gemeint“, freut sich Engler, gibt aber gleich darauf zu bedenken: „Wir haben es noch nicht“. Denn so lange die Trauben nicht gelesen, in große Bottiche verfrachtet und auf dem Hof in große Tanks geleert wurden, weiß niemand, was kommt. Extreme Wetterereignisse wie sie zuletzt öfter zu beobachten waren, können eine Ernte in wenigen Minuten buchstäblich „verhageln“. Und Engler zeigt auch, welche verheerende Wirkung der Esca-Krankheit, von Pilzen verursacht und von den Winzern gefürchtet, auf einen Weinstock haben kann: Er stirbt innerhalb weniger Tage ab.

Durch Esca-Krankheit geschädigter Rebstock Foto: Beatrice Ehrlich

Dagegen könne man nichts machen, sagt die Winzerin. Im Weitergehen weist sie darauf hin, was einzelne Rebsorten unterscheidet. So seien beim Burgunder die Beeren drall und sehr kompakt angeordnet, besonders im oberen Teil der Traube. Die unteren Beeren könnten sich weniger frei entfalten und im schlimmsten Fall faulen. Wie sie dagegen vorgeht, nämlich indem sie eine Traube „melke“ demonstrierte Engler zur Freude der Zuschauer: Ähnlich wie beim Melken drücke sie den Saft aus den Beeren auf mittlerer Höhe der Traube und verschaffe dieser so Erleichterung. Eine wesentlich aufwändigere Alternative sei, die Traube zu teilen.

Einen Halt legen die Rebgänger am „Spritzehüsli“ ein, einer Haltinger Besonderheit. Etwas oberhalb des Dorfs auf der „Hermannshöhe“ gelegen, wurde das kleine Haus 1952 errichtet, um hier Pflanzenschutzmittel gemäß der Vorgaben des Weinbauberaters zentral anzurühren und an die Winzer auszugeben.

Am „Spritzehüsli“ Foto: Beatrice Ehrlich

Der Name des Standorts ist eine Hommage an die Haltinger Hermann Lehmann, Hermann Fischer und Hermann Schaufelberger, die das Spritzenhaus einst errichtet hatten. Sie sei dankbar dafür, sagt Engler, denn so müsse sie die Mittel nicht zu Hause lagern. Mit Blick auf eine frisch geteerte Gasse in den Rebberg hinauf, lobt Engler die Stadtverwaltung für die zuverlässige Instandhaltung der Wege.

Neu gemachter Weg im Weinberg Foto: Beatrice Ehrlich

Große Aufmerksamkeit erregt ein Rebstück, in dem die Rebzeilen mit schwarzen Netzen bedeckt sind. Diese Netz biete sehr guten Schutz vor Regen und Hagel, zum Bearbeiten der Stöcke lasse es sich hochziehen wie ein Rolladen. Damit erziele man sehr gute Ergebnisse.

Schutznetze gegen Regen und Hagel Foto: Beatrice Ehrlich

Das Netz halte außerdem Wespen ab und diene als Sonnenschutz, erläutert Matthias Dirrigl, Gemeinderat und Winzermeister aus Haltingen.

Winzer zu sein, bedeute Mut und Bereitschaft zur Veränderung, sagt Oberbürgermeister Wolfgang Dietz zum Abschluss.

Abschluss mit Vesper und Wein Foto: Beatrice Ehrlich

Am Schluss der Rebbegehung steht ein Vesper unter dem kühlenden Dach der Winzergenossenschaft.

  • Bewertung
    18

Umfrage

Ukraine-Krieg

Der Krieg in die Ukraine findet kein Ende. Soll Deutschland auf Friedensverhandlungen drängen?

Ergebnis anzeigen
loading