Weil am Rhein Retter mit Aggressivität konfrontiert

Marco Fraune
Hans-Peter Volkmer aus Weil am Rhein ist seit Jahrzehnten als Notarzt im Einsatz. Foto: Weiler Zeitung

Problemfälle: Leitender Notarzt Hans-Peter Volkmer analysiert die steigende Gewalt gegen Einsatzkräfte

Weil am Rhein - So oft wie nie zuvor waren Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter Gewalt ausgesetzt. Das zeigt nicht nur die gerade vorgestellte Landesstatistik für das vergangene Jahr, sondern diese negative Entwicklung bemerkt auch der Leitende Notarzt Dr. Hans-Peter Volkmer seit vielen Jahren. Bei den Ursachen für das aggressive Verhalten müsse aber differenziert werden, unterstreicht der Weiler.

Vor allem Handyfilmer zunehmend ein Problem

Mehr als vier Jahrzehnte lang ist Volkmer schon als Notarzt im Einsatz, über zwei Jahrzehnte als Leitender Notarzt bei Notfällen im Landkreis unterwegs, wobei er auch auf die trinationale Vernetzung der Blaulichtorganisationen setzt. „Vor allem Handyfilmer stellen zunehmend ein Problem dar“, bemerkt der Weiler Notarzt mit Blick auf die vergangenen Jahre. Dabei seien sich diese nur in Einzelfällen ihres Tuns bewusst. „Sie behindern die Einsatzkräfte bei ihrer Arbeit und reagieren aggressiv, wenn man sie darauf hinweist und des Platzes verweisen will.“

Häufig helfe nur polizeiliche Präsenz, um hier Abhilfe zu schaffen. „Durch solch ein unverantwortliches Verhalten geht dann für die Einsatzkräfte im Vorfeld schon wertvolle Zeit verloren – zum Schaden der Verunglückten und anderen Notfallpatienten.“

Entwürdigende Situationen für hilflose Menschen

Mit Grauen erinnert sich Volkmer an einen vor wenigen Jahren zurückliegenden Fall als eine Frau auf dem Gehweg an der Weiler Hauptstraße reanimiert werden musste, wozu ihr Oberkörper dann teils von Kleidung frei gemacht wurde. „Wenn dann Passanten daneben stehen, alles beobachten oder gar noch mit dem Handy filmen, dann platzt mir der Kragen.“

Als ein Platzverweis nicht half, musste die Polizei eingreifen. Eine „Sichtmauer“ zur Patientin war sogar erforderlich. Volkmer: „Man muss sich vorstellen, wie entwürdigend solch eine Situation für hilflose Menschen ist. Sie brauchen da kompletten Schutz.“

Bei aggressiven Patienten kommen viele Ursachen in Frage

Aggressives Verhalten von Patienten gegenüber Rettungskräften könne eine psychische beziehungsweise eine neurologische Erkrankung, eine psychische Ausnahmesituation, der Entzug oder die Unverträglichkeit von psychotropen Drogen, oft in Verbindung mit Alkohol, als Ursache haben, weiß der Notfallarzt. „Hier hilft nur ein behutsamer Umgang mit dem Patienten und der Versuch, einen Zugang zu ihm zu bekommen.“ Das gelinge nicht immer, womit wiederum alarmierte Polizisten gefragt sind.

Ein aggressives und ablehnendes Grundverhalten von Patienten sieht Volkmer als andere Ursache bei der Gewalt gegen Einsatzkräfte. Auch hier seien oft Alkohol und/oder Drogen im Spiel. So erinnert sich der Weiler Notarzt an einen Mann mittleren Alters, der früher dem Rettungsdienst immer wieder auffiel. Meistens reichten beruhigende Worte, doch einmal demolierte der Mann den Rettungswagen. „In nüchternem Zustand war er ein hilfsbereiter und gutmütiger Zeitgenosse.“

Gegen Aggressivität hilft nur sehr einfühlsames Handeln

In den zurückliegenden Jahrzehnten hat Volkmer viele Erfahrungen gesammelt. „Generell hilft gegen Aggressivität nur sehr einfühlsames Handeln der Einsatzkräfte, sonst eskaliert die Situation meistens.“ In vielen Fällen gehe es schließlich um „Imponiergehabe einer schwachen Persönlichkeit“.

Der erfahrene Weiler Notarzt bemerkt gesamtgesellschaftlich seit zwei Jahrzehnten eine negative Entwicklung. „Die Leute sind egoistischer geworden, denken nur noch an sich und ihren persönlichen Vorteil.“ Durch das Internet sei der Reiz nach schnellem und vermeintlichem Ruhm in den Vordergrund getreten. „Den Leuten geht es einfach zu gut. Nachbarschaftshilfe, gesellschaftlicher Zusammenhalt und gegenseitige Rücksichtnahme und Achtung sind für viele Bürger ein Fremdwort geworden.“ Stattdessen erschöpfe sich deren Kommunikation in SMS, MMS und Videoposts. Unterm Strich stehe eine höhere Aggressivität.

Nur einschneidende Ereignisse könnten die Menschen wohl wieder auf den Boden der Tatsachen bringen, wartet Volker die Corona-Folgewirkungen nun ab.

Zur Person: Dr. Hans-Peter Volkmer (71) ist seit mehr als 20 Jahren leitender Notarzt und seit über vier Jahrzehnten Notarzt im Landkreis Lörrach. Der Mediziner aus Weil am Rhein war Kreisverbandsarzt des DRK Lörrach und langjähriger Taucherarzt des DLRG Weil am Rhein. „Ich kenne praktisch alle Vertreter der Hilfsorganisationen im Landkreis bis zur Bergwacht“, erklärt Volkmer. Dies sei in der Hinsicht positiv, dass man so auf ein großes, eingespieltes Team zurückgreifen könne, wenn es um die Hilfe für Bürger in Not geht. Seine Tätigkeit als Kreisrat ergänzt das gute Netzwerk.

Umfrage

Heizung

Der Ausbau des Fernwärmenetzes im Landkreis Lörrach nimmt Fahrt auf. Würden Sie, falls möglich, Ihr Haus an das Netz anschließen lassen?

Ergebnis anzeigen
loading