Weil am Rhein Schadstoffe setzen dem Fluss zu

Weiler Zeitung

Überwachungsstation: Wie geht es dem Rhein? / Von Haushalten, Industrie und Landwirtschaft

Der Rhein – er muss viel leisten und hat vieles auszuhalten. Rund 22 Millionen Menschen versorgen er und seine Zuflüsse mit Trinkwasser, gleichzeitig leiten rund 54 Millionen Menschen und unzählige Industriebetriebe ihre geklärten Abwässer in den Fluss. Er ist Lebensraum von Pflanzen und Tieren, Erholungsraum für Menschen, dient aber auch als Transportweg und Kühlwasserlieferant. In den Fokus rückt der Rhein meist aber nur nach Havarien, wie den im Juli glimpflich verlaufenen Großbrand im Basler Hafen. Wie also geht es dem Rhein?

Von Jasmin Soltani

Weil am Rhein. Ortstermin in der Rheinüberwachungsstation (RÜS) am Weiler Rheinufer. Im Eingangsbereich sind zwei Wände voll gespickt mit Zeichnungen, Diagrammen und Tabellen über die Befindlichkeit des Gewässers. In diesem außergewöhnlichen Sommer ist das Wasser zu warm, erklärt Reto Dolf, der Leiter der Station. Mehrfach wurden Werte bis 26,5 Grad Celsius gemessen. Der Sauerstoffgehalt ist etwas zu niedrig und beides setzt Fischen und anderen Lebewesen zu. Insgesamt, sagt Dolf, ist die Wasserqualität heute aber besser als in den 1970er Jahren.

Schwermetall- und Phosphatbelastung sind deutlich gesunken, weil die Politik reagiert und Phosphate in Waschmitteln verboten hat. Die Nitratwerte allerdings sind nicht gesunken. 100 bis 200 Tonnen transportiert der Fluss pro Tag, wie Dolf anhand der langjährigen Messreihen zeigt. Sie zeigen auch, wie schwer es ist, Schadstoffe, die über Jahrzehnte in den Boden gelangten, aus dem Kreislauf zu beseitigen: Sechs Jahre nach dem Anwendungs-Verbot des Herbizids Atrazin in der Schweiz ist es im Rheinwasser noch nachweisbar. „Man sieht das menschliche Handeln im Wasser“, sagt Dolf.

Das gilt auch für die sonstige Vielzahl an Schadstoffen aus Haushalten, Industrie und Landwirtschaft, die in den Messungen nachweisbar sind und das mitunter in einer solchen Konzentration, dass mehrmals im Jahr regionale oder gar internationale Warnungen erfolgen.

Insgesamt 680 Schadstoffe, davon 420 täglich, analysieren die Fachleute des Amts für Umwelt und Energie (AUE) des Kantons Basel-Stadt, das die binationale RÜS betreibt. Die Untersuchungsprogramme sind von der Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins (IKSR) festgelegt worden. Aufgabe der RÜS ist es, einerseits zeitnah kritische Schadstoffkonzentrationen zu erkennen und zu melden, damit Rheinanlieger und vor allem Trinkwasserversorger frühzeitig Schutzmaßnahmen ergreifen können. Gleichzeitig sollen Verursacher möglichst rasch gefunden und die weitere Einleitung von Schadstoffen verhindert werden. Hinzu kommt eine langfristig angelegte Trendanalytik, die als Grundlage für Gesetze zum Schutz des Wassers und zur Erfolgskontrolle dient, wie das Beispiel Phosphat zeigt.

Wie wird gemessen?

Der Rhein hat im Staubereich des Kraftwerks Kembs keine Durchmischung. „Er ist wie ein langsam fließender See“, sagt Dolf. Also wurden, um die Einleiter und Nebenflüsse zu lokalisieren, im 205 Meter breiten Rheinbett zwischen Weil am Rhein und dem französischen Ufer fünf Wasserentnahmestellen eingebaut. Je eine Kunststoff- und eine Stahlleitung führen von den Stellen in die Station. Aus den Stahlleitungen werden Proben für die Analyse organischer Stoffe entnommen. Aus den Kunststoffleitungen die für Metalle. 15 Kubikmeter pro Stunde fördern die zehn Pumpen aus dem Rhein – 1,3 Millionen Kubikmeter im Jahr.

In der Station werden die Teilströme für die täglichen Routineuntersuchungen gemischt. Leitparameter wie Temperatur, Sauerstoffgehalt, pH-Wert und Leitfähigkeit werden laufend in der Station bestimmt und online gestellt (https://www.hydrodaten. admin.ch/de/2613.html). Zur weiteren täglichen Überwachung werden 24-Stunden-Mischproben gesammelt und im AUE-Labor mittels Gas- und Flüssigkeitschromatographie, gekoppelt mit Massenspektrometrie untersucht. Das liefert zeitnah eine Übersicht über eine Reihe von relevanten Schadstoffen, darunter organische Mikroverunreinigungen, und dient auch der Überwachung der Einleiter.

Neun Probennehmer mit Wasser aus den Entnahmesträngen ermöglichen es zudem, bei auffälligen Messwerten (durch Havarie oder unerlaubte Einleitungen), die Emissionsquelle einzugrenzen.

Die Schwebstoffe werden mittels Durchflusszentrifuge auf einer Teflonfolie einmal im Monat sowie bei Hochwasser gesammelt und untersucht. Für die Trendermittlung werden die Wasser- und Schwebstoffproben auf rund 240 Einzelstoffe analysiert.

Was findet man alles im Rheinwasser?

Das Analysespektrum wird immer breiter, immer niedrigere Konzentrationen werden messbar.

Ist ein Stoff identifiziert, kann aus dem Profil der Wasserentnahmestränge der Verursacher eingegrenzt und in der Regel auch rasch identifiziert werden. Denn auch Betriebe, die Kühlwasser entnehmen und/oder Wasser in den Rhein leiten, müssen Proben entnehmen, aufbewahren und den Behörden zur Verfügung stellen. So konnte 2016 bei einer zweifach über dem internationalen Meldewert gestiegenen Konzentration an Naproxen, einem Schmerzmittel, der Verursacher ermittelt werden. Der Fall hatte ein juristisches Nachspiel.

Zu finden im Rheinwasser – und oft über der regionalen Meldeschwelle – sind Schadstoffe aus der Landwirtschaft wie Insektizide und Herbizide, etwa Mecoprop oder Isoproturon, Pharmawirkstoffe wie das Schmerzmittel Diclofenac (Jahresfracht von einer Tonne), das Drogensubstitut Methadon, oder das Diabetes-II-Mittel Metformin (zehn Tonnen), Röntgenkontrastmittel, Lösungsmittel und vieles mehr. Der Konsum von künstlichem Süßstoff versüßt das Rheinwasser mit 4,5 Tonnen Sacharin und 27 Tonnen Acesulfam im Jahr. Einmalige Ereignisse können dabei schnell ein Großteil der Jahresfracht ausmachen, wie 2013, als das Herbizid Isoproturon bei Starkregen ausgewaschen wurde: ein Viertel der Jahresfracht.

Auch Kernkraftwerke, die aus dem Rhein ihr Kühlwasser entnehmen, sind eine Belastung: Vor den Wartungsintervallen steigt jedes Mal die Tritiumkonzentration.

Wie kann es weitergehen?

An der starken Nutzung des Rheins dürfte sich in absehbarer Zukunft nichts ändern. Eine Hoffnung liege deshalb in der effizienteren Klärung der eingeleiteten Abwässer, sagt Dolf. Rund 100 Schweizer Anlagen sollen denn auch eine vierte Reinigungsstufe erhalten. Mit Ozon und Aktivkohle sollen organische Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser gefischt werden. Kläranlagen wie diejenige von Basel werden so angepasst, dass sie denitrifizierend arbeiten.

Weil am Rhein (jas). Entsprechend den IKSR-Richtlinien gehen international Meldungen raus, wenn die in der Rheinüberwachungsstation gemessene Konzentration an Pestiziden oder Pharmawirkstoffen über 0,3 Mikrogramm je Liter liegt. Für die übrigen organischen Schadstoffe gilt ein Meldewert von drei Mikrogramm. Dann greift der international vereinbarte Warn- und Alarmplan.

Regional werden Behörden, wie Umweltämter, und vor allem Trinkwasserversorger ab einem Wert von je 0,1 Mikrogramm beziehungsweise einem Mikrogramm je Liter per Mail gewarnt.

Im Jahr 2016 wurden die Schwellenwerte des internationalen Alarmplans einmal überschritten, im Falle des Naproxens (siehe Hauptbericht). 17 Mal allerdings gab es doch so auffällige Verunreinigungen mit organischen Mikrosubstanzen, dass regionale Meldungen erfolgten. Gemeinsam mit Behörden beiderseits des Rheins konnten die Vorfälle dem RÜS-Jahresbericht zufolge meist aufgeklärt werden. Wasserwerke konnten Versickerungsbereiche rechtzeitig schützen. 13 Grenzüberschreitungen gab es 2017, das Jahr mit den meisten Überschreitungen war 2013.

2018 wurden bislang drei internationale Meldungen abgesetzt, wovon die jüngste anlässlich des Großbrandes im Basler Rheinhafen vorsorglicher Natur war. Nirgends waren markante Anstiege an Schadstoffen zu messen. Im Rheinwasser lagen sie sogar unter der Bestimmungsgrenze. „Das hat uns selbst überrascht“, sagt Reto Dolf, Leiter der RÜS.

Weil am Rhein (jas). Um die vielseitigen wirtschaftlichen und ökologischen Funktionen des Rheins zu bewahren, die Wasserqualität zu kontrollieren und zu sichern, haben Anrainerstaaten eine Kette von sieben Überwachungsstationen zwischen Bodensee und der Mündung in Rotterdam errichtet. Die Station mit dem größten Messprogramm und die weltweit erste binationale Anlage befindet sich seit 25 Jahren unweit der Palmrainbrücke im Weiler Hafengebiet.

Die zunächst trinational geplante, dann aber binational per Staatsvertrag umgesetzte Rheinüberwachungsstation (RÜS) entstand in Folge des großen Chemieunfalls am 1. November 1986 in Schweizerhalle bei Basel und wurde 1993 in Betrieb genommen. 13 Fachleute des Amts für Umwelt und Energie Basel-Stadt (AUE) messen und analysieren mit einer ausgeklügelten und im Laufe der Jahre weiter verfeinerten Methodik die Wasserqualität im Auftrag des baden-württembergischen Landesamts für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) und des schweizerischen Bundesamts für Umwelt (Bafu).

Das Budget von rund einer Million Franken jährlich tragen beide Träger zu gleichen Teilen, zusätzlich beteiligt sich der Kanton Basel-Stadt. Der Unterhalt der Station obliegt dem Regierungspräsidium Freiburg.

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