Weil am Rhein Sicherheit

Weiler Zeitung
Der Anschlag, der auf das Gebäude des türkisch-islamischen Kulturvereins verübt wurde, wird jetzt vor Gericht verhandelt.. Foto: Marco Fraune Foto: Weiler Zeitung

Personenkontrollen an der Eingangsschleuse und ein knappes Dutzend Polizisten und Justizbeamte

Personenkontrollen an der Eingangsschleuse und ein knappes Dutzend Polizisten und Justizbeamte im Schwurgerichtssaal: Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen wurde am Landgericht Karlsruhe gestern der Brandstifter-Prozess gegen fünf mutmaßliche Unterstützer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK eröffnet.

Die Sorge vor möglichen Racheakten erwies sich gestern bei der Verhandlung schnell als unbegründet. Weil sich zudem nur drei Angehörige und eine Handvoll Medienvertreter im Gerichtssaal verloren, wurden die Sicherheitsvorkehrungen an der Eingangstür schon kurz nach der Eröffnung des Verfahrens der Staatschutzkammer in Karlsruhe durch den Vorsitzenden Richter Fernando Sanchez-Hermosilla gelockert.

Von Ekart Kinkel

Weil am Rhein / Karlsruhe. Laut der Anklageschrift von Staatsanwalt Manuel Graulich sollen die zwischen 20 und 33 Jahre alten Männer aus dem südbadischen Raum in der Nacht zum 28. April gegen 1.45 Uhr fünf Molotow-Cocktails an das Vereinsgebäude des türkisch-islamischen Kulturvereins in Weil am Rhein geworfen haben. Da die Brandsätze an der Außenwand zerschellten und keinerlei Brandbeschleuniger ins Innere gelangten, wurde lediglich die Hausfassade des von der türkischen Religionsgemeinschaft Ditib als Moschee genutzten Gebäudes in Friedlingen beschädigt. Die Angeklagten hatten laut Graulich allerdings „billigend in Kauf genommen“, dass die im Wohnbereich des Vereinsgebäudes lebenden Personen in Lebensgefahr gerieten.

32-Jähriger räumt Tatbeteiligung ein

Zum Prozessauftakt ließ der 32-jährige Angeklagte von seinem Verteidiger Michael A. Eichin eine Erklärung verlesen und räumte seine Tatbeteiligung dabei ein. Die „idiotische Idee“ für den Brandanschlag sei nach mehreren Joints und einigen Drinks spontan entstanden. Personen hätten aber niemals zu Schaden kommen sollen. Schließlich wäre es ein Leichtes gewesen, die Brandsätze durch die Fenster zu werfen. Mit der „absolut sinnlosen Aktion“ habe man lediglich der Wut der Kurden Ausdruck verleihen wollen. Nach der Tat seien die fünf Männer ins Lokal „Gobal“ gegangen.

Von gegenüberliegender Seite Anschlag gefilmt

Dass der Brandanschlag gefilmt wird, sei allerdings nicht abgesprochen gewesen. Der 31-jährige Angeklagte hatte die Molotow-Cocktail-Würfe seiner vier Komplizen von der gegenüberliegenden Straßenseite gefilmt und das Video vom Brandanschlag bereits am 29. April mit einem Bekennerschreiben der „Jugendinitiative Racheteam“ auf einer der Seite der PKK-nahen Jugendorganisation Rojaciwan ins Internet gestellt. Als Motivation für den Anschlag wurden die gewalttätige Unterstützung der PKK sowie die Antwort auf Luftangriffe auf kurdische Städte und die Inhaftierung von kurdischen Journalisten und Politikern genannt. Außerdem wurden in dem Bekennervideo noch weitere Anschläge auf türkische Einrichtungen angekündigt.

Nähe zur PKK wird zurückgewiesen

„Diese Leute sind aber nicht die PKK“, wies Eichin die Spekulationen um eine mögliche Nähe zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei zurück. Eine gewisse Sympathie für den bewaffneten Kampf der PKK gegen das türkische Regime sei jedoch bei seinem Angeklagten wegen dessen traumatischer Erlebnisse in der Vergangenheit nicht zu verleugnen.

Der 32-Jährige wuchs mit vier Geschwistern im kurdischem Gebiet auf und wurde laut Eichin schon in seiner Kindheit mit „Krieg und Armut“ konfrontiert. 1995 wurde der jüngere Bruder des Angeklagten bei einer Hausdurchsuchung von einer paramilitärischen Einheit erschossen, noch heute habe er deswegen Albträume. Der älteste Bruder und der Vater des 32-Jährigen saßen wegen Verbindungen zur PKK im Gefängnis, und auch weitere Familienmitglieder wurden laut den Angaben des Angeklagten in den 1990er Jahren misshandelt und getötet. 1997 floh der 32-Jährige mit seiner Mutter nach Deutschland. In der Grundschule sei er wegen Sprachfehlern gehänselt und von türkischen Kindern wegen seiner Herkunft gemobbt worden. Ab der Pubertät schlug der 32-jährige eine kriminelle Laufbahn ein, beging Einbrüche, nahm Drogen und saß immer wieder im Gefängnis.

Quintett hat bereits eine Straftaten begangen

Auch die anderen drei Kurden und der 33-jährige Deutsche hatten bereits vor dem Werfen der Brandsätze zahlreiche Straftaten begangen und regelmäßig Drogen konsumiert. Nach intensiven Ermittlungen im mutmaßlichen PKK-Umfeld konnte die Kriminalpolizei am 27. Juli den 31-Jährigen und den 32-Jährigen festnehmen. Am 1. August wurde der 20-jährige Angeklagte verhaftet. Der 28-Jährige und der 33-Jährige sitzen seit dem 26. September in Untersuchungshaft.

Pikante Randnotiz: Bei der Telefonüberwachung des 20-Jährigen deckten die Ermittler noch eine weitere mögliche Straftat auf. Gemeinsam mit einem 23-jährigen Mittäter wollte sich der 20-Jährige offenbar Waffen beschaffen und an den Mördern seines Verwandten Umut K. rächen. Umut K. wurde in der Nacht zum 1. Dezember 2016 in Hechingen auf offener Straße von drei Italienern aus dem Drogenmilieu erschossen. In einem aufsehenerregenden Verfahren wurde die Angeklagten zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Bilder der Überwachungskameras

Der Brandstifter-Prozess wird am 19. März mit der Vernehmung der ersten Zeugen und der Auswertung von Bildern der Überwachungskameras fortgesetzt. Bis zum 25. April sind noch sieben weitere Verhandlungstermine angesetzt. „Es kann aber auch gut sein, dass wir schon nach fünf Verhandlungstagen fertig sind“, bat Richter Fernando Sanchez-Hermosilla um eine zügige Durchführung des Prozesses.

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