Weil am Rhein Überaltert und kaum gepflegt

Weiler Zeitung
Truz-Fachbereichsleiterin Astrid Deek (l.) und Mobil-Projektkoordinatorin Isabel Szabó haben 1900 Flurstücke am Tüllinger kartiert, 600 fehlen noch. Es geht darum, den Obstbaumbestand zu erhalten, wovon Mensch und Tier profitieren sollen. Foto: Marco Fraune Foto: Weiler Zeitung

Naturschutz: Truz sucht Eigentümer von Streuobstflächen am Tüllinger / Beratung und Unterstützung

Der Streuobstbestand auf dem Tüllinger ist in vielen Bereichen überaltert. Er befindet sich nach Expertenmeinung in einem „alarmierenden Zustand“. Das trinationale Umweltzentrum (Truz) will Abhilfe schaffen und bietet Unterstützung und Förderung an. Erst einmal gilt es aber, die Grundstücksbesitzer zu finden.

Von Marco Fraune

Weil am Rhein. Eine Menge Vorarbeit liegt schon hinter den Kräften des Trinationalen Umweltzentrums. „Es ist sehr viel aufwändiger als vermutet“, konstatierte Truz-Fachbereichsleiterin Astrid Deek gestern Morgen bei einem Gespräch auf dem Tüllinger.

Grundstückseigentümer werden gesucht

1900 Flurstücke sind mittlerweile kartiert worden, 600 weitere fehlen noch. Als schwierig erwies sich dabei, die Besitzverhältnisse zu klären, um die Eigentümer dann für das eigentliche Anliegen Streuobstpflege überhaupt ansprechen zu können. Einige wussten noch nicht einmal, dass sie auf dem artenreichen Berg eine Fläche besitzen, für einige Parzellen gibt es Erbengemeinschaften und für andere Bereiche wiederum Besitzer, die von den zeitintensiven Pflegearbeiten abgeschreckt sind.

„Das Wissen für die Pflege fehlt und teilweise das Interesse der Besitzer, auch weil einige zu alt für diese Arbeit sind“, erklärt Projektkoordinatorin Isabel Szabó. Seit einem Monat hängen außerdem Flyer an den Streuobstflächen, dass deren Besitzer und Pächter gesucht werden – was bereits auf einige Resonanz gestoßen ist. Doch weitere Eigentümer sollen sich bei ihr im Truz in Weil am Rhein melden.

Verschiedene Optionen werden aufgezeigt

Denn es gibt verschiedene Möglichkeiten. Die Bandbreite reicht vom Verkauf der Kleinparzelle über die Verpachtung bis hin zu einer Unterstützung bei der Pflege, mit Geld und auch mit interessierten Naturschützern oder Obstbaumpaten. Möglich macht dies die Einbindung in das seit 2015 und bis zum Jahr 2020 laufende Projekt „Mobil – Modellregion Biotopverbund Markgräflerland“ des Regierungspräsidiums Freiburg. Ziel ist, wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu verbinden. Projektpartner am Tüllinger Berg sind neben dem Truz auch die Städte Weil am Rhein und Lörrach. 60 Prozent der Flächen in dem Vogelschutzgebiet liegen auf Weiler und der Rest auf Lörracher Gemarkung.

Richtige Mischung soll erreicht werden

Begonnen wurde mit der Kartierung des Bestands, um dann im nächsten Schritt die Maßnahmen zu formulieren und umzusetzen – also neue Obstbäume pflanzen und alte durch Pflege erhalten. Denn: Eigentlich stellen fünf bis zehn Prozent abgängige Bäume, zehn bis 15 Prozent Jungbäume sowie der Rest Bäume im ertragsfähigen Alter die gesunde Mischung dar. Doch, so Deek: „Ein Drittel der Streuobstwiesen auf dem Tüllinger sind überaltert und müssen gepflegt werden.“

Das passende Verhältnis diene dem Menschen und dem Naturschutz. So finden sich auf einer gut gepflegten Streuobstwiese bis zu 3000 Tier- und Pflanzenarten, von Insekten über Spinnen bis zu Vögeln. Speziell der Wendehals, der Grauspecht oder auch die Zaunammer freuen sich über wichtige Nachpflanzungen in dem FFH-Gebiet, erklärt Szabó. Sie benötigen Hohlräume und die gemähten Gräser.

Rückmeldungen fallen positiv aus

Die Mobil-Projektkoordinatorin schöpft für die weitere Arbeit Hoffnung aus etlichen positiven Rückmeldungen von Grundstücksbesitzern, mit denen sie in Kontakt treten konnte. „Es gibt eine Reihe von Leuten, die was machen wollen und nicht das Wissen haben. Die freuen sich, dass man auf sie zukommt. Wir können denen helfen.“ So weiß sie mittlerweile, welche Flächen sich für Neupflanzungen und den fachgerechten Pflegeschnitt eignen. Außerdem haben sich nach Aktionen wie dem Streuobsttag oder auch das Streuobstklassenzimmer viele Interessierte gemeldet, die einen Baum pflegen wollen. „Wir haben mehr Menschen, die einen Baum pflegen wollen als Menschen, die abgeben wollen.“

Daher sei es auch ein „Dilemma“, wenn sie auf bisher nicht gepflegte Apfel-, Birnen- oder vereinzelt auch Kirschenbäume blickt. Zu viele Äste bedeuten schließlich zu wenig Licht für den Baum insgesamt, womit sich beispielsweise Pilze bilden können. Auch brechen Äste gegebenenfalls im Winter unter der Last des Schnees ab.

Bis zu 70 Prozent Bezuschussung

Die Unterstützung beginnt daher mit einer Beratung vor Ort auf der Parzelle, geht weiter mit der Einschätzung, ob es sich um eine wertvolle Fläche handelt und dann gegebenenfalls mit dem Anzapfen des entsprechenden Fördertopfes, wobei hier der Landschaftserhaltungsverband (LEV) als Koordinator mit im Boot ist. Teilweise bis zu 70 Prozent des Pflegeschnitts wird finanziert. Die Ansprache der Besitzer erfolge nicht mit einem erhobenen Zeigefinger, sondern vielmehr mit einem Informationsangebot.

Zwar endet die Unterstützung über das Mobil-Projekt im Jahr 2020, doch die Aufgabe gehe darüber hinaus und soll auch danach Früchte tragen. „Der Tüllinger ist ein Hot Spot der Artenvielfalt, den es zu erhalten gilt“, betont Deek. Und Szabó ist zuversichtlich, da sie bei der jüngeren Generation außerdem ein gestiegenes Interesse an der Streuobstpflege und -nutzung erkennt. Und das sei auch wichtig, da sie bei etwa der Hälfte des Bestandes auf dem Tüllinger Handlungsbedarf sieht. Doch genau dafür muss sie weiter nach den Grundstückseigentümern suchen.

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