Weil am Rhein Verkehrstote bei Tempolimits sowie „Fake“ und Fakten kontrovers diskutiert

Weiler Zeitung

Verkehr: Unterschiedliche Ansichten prallen bei „Am Puls der Zeit“ im Weiler Kesselhaus aufeinander

Das Thema Tempolimit polarisiert. Versehen mit den jeweils für die eigene Sichtweise passenden Unfallopferzahlen oder auch Bürgerbefragungs-Ergebnissen haben sich zwei ausgewiesene Experten im Kesselhaus einen verbalen Schlagabtausch zu dem Thema geliefert. Das Schlusswort von Moderator Tonio Paßlick fasste die mehr als zweistündigen Diskussion zusammen: „Die Vielfalt der Meinungen ist so groß wie unser Land groß ist.“

Von Marco Fraune

Weil am Rhein. Am kleinen runden Tisch kamen sich Wulf Hoffmann (Vorstand der Verkehrsunfallopferhilfe Deutschland) als Befürworter eines Tempolimits und Michael Haberland (Präsident Mobil in Deutschland) rein räumlich recht nah, inhaltlich saßen sinnbildlich beide hingegen auf einem anderen Planeten. „Die Schutzpflicht des Staates ist nicht auf die Pandemie beschränkt“, unterstrich Hoffmann mit der Fokussierung auf die tödlichen Folgen von Unfällen. Bei der Erkennung von Gefahren, die es bei Geschwindigkeiten von deutlich mehr als 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen oder auch 30 auf innerörtlichen Straßen gebe, müsse der Staat begrenzende Vorgaben machen. Den Freiheitsbegriff bemühte hingegen der Münchener Mobil-Präsident und Parteikollege von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Das Thema ist reine Symbolik, reine Show“, bemühte Haberland zugleich ein Zitat von FDP-Chef Christian Lindner, der in diesem Zusammenhang von „Symbolpolitik“ gesprochen hatte. Daher sei das Thema Tempolimit von den wohl künftigen Koalitionären schnell abgeräumt worden.

Verkehrstote und Umfrage

Die stark auf das Tempolimit auf Autobahnen konzentrierte Diskussionsveranstaltung, zu der die VHS im Rahmen ihrer Reihe „Am Puls der Zeit“ eingeladen hatte, wurde immer wieder bei den Argumenten mit reichlich Zahlen unterfüttert, wobei jeweils der Gegenpart immer mal wieder diese infrage stellte. Haberland kommentierte Fakten der deutschen Umwelthilfe zum reduzierten CO2-Ausstoß bei einem Tempolimit in einem Fall sogar als „Fake“. Die Ergebnisse einer von ihm angeführten Umfrage, dass eine knappe Mehrheit der Bürger gegen ein Tempolimit ist, kannte sein Kontrahent auf dem Podium gar nicht. Dieser zeigte auf, dass die Zahl der Toten und Schwerverletzten auf den Autobahnen in den zurückliegenden zehn Jahren nicht rückläufig war, während Hoffmann die Zeit ab 1970 bemühte, seitdem es zu einer enormen Reduzierung kam. Nicht eine Studie weltweit weise nach, dass es nicht vernünftig sei, das Tempolimit vorzugeben, da dann weniger schlimme Unfälle passieren. Wer bei 30 Kilometern pro Stunde vor einem Kind bremse und dort zum Stehen komme, überfahre dieses in der identischen Situation bei Tempo 50 mit der Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde. Grund seien die verlängerte Reaktionszeit und die Abbremszeit.

Haberland legte einen Schwerpunkt darauf, dass von 13 000 Autobahnkilometern schon ein Drittel limitiert seien und die Durchschnittsgeschwindigkeit auf Autobahnen bei 117 Kilometern liegen würde. Im Gegensatz zu früher, als zu schnelles Fahren und Alkohol am Steuer sich als Hauptunfallursachen abwechselten, liege das Handy am Steuer nun auf Platz 1. Es gelte, beim Thema Tempolimit ausgewogen zu sein und nicht auf Symbolik zu setzen. Und wichtig sei, den Menschen im Land die Entscheidung über die gefahrene Geschwindigkeit auf freien Autobahnen selbst zu überlassen. Es gebe ein gutes Autobahnnetz, gute Autofahrer, gute Autos und Autobahnen seien die sichersten Straßen. Für die Zukunft setzt er zudem statt auf tausende von Blechschildern mit Tempobegrenzungsangabe auf digitale Lösungen.

Folge von Tempolimits

In Sonntagsreden heiße es immer, dass jeder Verkehrstote einer zu viel sei, erinnerte Hoffmann. Doch jede Temporeduzierung führe zu weniger Verkehrstoten. Haberland verwies hingegen darauf, dass in Autobahnabschnitten mit Tempolimitierung ähnlich viele Unfälle passieren. Das, so Hoffmann, stehe in Zusammenhang mit dem Grund der Tempovorgabe. „Diese Strecken haben einen Gefahrengrund.“ Problematische und unproblematische Abschnitte dürften nicht miteinander verglichen werden. Jeder Getötete habe 113 Opfer-Betroffene, warb Hoffmann eindringlich für das Tempolimit. Haberland sprach hingegen von einem „Wunschgedanken“, dass Tempolimits weniger Verkehrstote mit sich bringen. Hoffmann konterte: „Studien weisen nach, dass Tempolimits Leben retten.“

Wenn auch längst nicht in der Ausführlichkeit, doch über Tempo 30 innerorts und Tempo 80 auf Landstraßen wurde vor allem noch mit dem Publikum diskutiert. Der Weiler Klaus Wittkämper sprach sich grundsätzlich für Entschleunigungen aus. Bei Bodenschwellen und Einbuchtungen handele es sich innerorts um „Störfaktoren, die künstlich von Politikern geschaffen wurden, die entfernt werden sollen“. Die Grünen-Stadträtin Irmgard Lorenz verwies hingegen auf die Lärmbelastung und Fridays-for-Future-Aktivist Erik Mehrle auf die Tempo-Freiheit, die es künftig trotz Fahrspaß zu begrenzen gelte.

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