Weil am Rhein Von der Kunst des Traurigseins

Jürgen Scharf
Spielte Tänze und Songs der Renaissance bei einem der Ötlinger Konzerte: der englische Lautenist Sam Brown. Foto: Jürgen Scharf

Lautenist und Songwriter Sam Brown in der St. Galluskirche: Schöner, fremder Klang.

Weil-Ötlingen - „Semper Dowland, Semper Dolens“: Dieses Wortspiel war das Motto von John Dowland, frei übersetzt: „Immer Dowland, immer elend“. Die von Melancholie getränkte Musik des berühmtesten elisabethanischen Lautenisten und Songwriters führte beim jüngsten Ötlinger Konzert in der St. Galluskirche ins Goldene Zeitalter der englischen Lautenmusik.

Dowland ist für Laute das, was Chopin für das Klavier ist: So stellte Sam Brown, der junge englische Lautenist, der eine nachgebaute Renaissancelaute spielt, den gewichtigsten Komponisten seines Programms vor. Das Repertoire erwies sich als eine wahre Fundgrube für Raritäten der Lautenmusik.

Der Klang der Laute ist unheimlich schön, aber uns heute auch fremd. Die spezifisch Dowlandsche Depression passt zu diesem Instrument, zu dieser „Kunst des Traurigseins“, wie es der Veranstalter, der Weiler Kulturamtsleiter Tonio Paßlick, so treffend bezeichnete. Dennoch war das Konzert mit dem von Dowland entlehnten Titel „A Fancy“ – dahinter verbirgt sich eines von Dowlands schönsten Stücken, eine Fantasie für Laute – eine relativ abwechslungsreiche Anthologie mit Lautenstücken der englischen Renaissance.

Sam Brown, inzwischen Spezialist für diese Renaissancemusik, stellte in mehreren Sets bekannte und weniger bekannte Lautenkomponisten und populäre Balladen jener Zeit vor und gab fundierte Einführungen zu dieser doch sehr speziellen Alten Musik. Zu hören gab es Stücke wie Dowlands Galliard für „den sehr ehrenwerten Grafen von Essex“, die berühmte Lacrimae-Pavane, Dowlands wohl melancholischstes Lamento endloser Trauer, aber auch dessen Charakterstücke wie das Liebeslied „The Frogg Galliard“.

Sam Brown fängt nicht nur Dowlands Melodiosität ein, sondern spielt die Galliarden und ein Präludium ganz klar und uneitel, mit dezent kultiviertem Lautenklang. Wobei seine prinzipienfeste und stilgerechte Darbietung bisweilen eine etwas konfektionierte Traurigkeit hervorbringt.

Die galant anmutenden Tanzsätze von Francis Cutting, einem Komponisten vor Dowland am Hof von Heinrich VIII., dessen ergötzliche Unterhaltungsmusik („Das Spielzeug des Eichhörnchens“) oder das bekannte „Greensleeves“ erklingen empfindsam. Brown stellt alle diese Stücke mit ungekünstelter Phrasierung, sachkundig und präzise, mit selbstverständlicher technischer Perfektion dar. Dass manches, bis auf die farbiger gespielten Balladen, mitunter leicht temperamentarm erscheint, mag auch an dem leisen Instrument liegen. Schließlich wirkte das ganze Recital zurückhaltend.

Das Publikum, das sich für so etwas Intimes wie ein Lautenkonzert interessierte (oder für einen Lautenspieler aus Weils englischer Partnerstadt Bognor Regis), wurde von dem sensiblen Interpreten behutsam an die Peripherie der Musikgeschichte geführt: ein schönes Beispiel für musikalische Entschleunigung.

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