Weil am Rhein Von Ungewissheit und Fülle der Leere

Weiler Zeitung

Ausstellung: Martin Cleis und Ulrich Wössner stellen gemeinsam im Stapflehus aus

Von Gabriele Hauger

Weil am Rhein. Kunst – endlich wieder live! Im Stapflehus wird seit dem Wochenende eine besondere Schau gezeigt: [:die Baustelle] 03-2021. Die beiden Weiler Künstler Ulrich Wössner und Martin Cleis zeigen in produktiver Kooperation raumbezogene Installationen auf drei Stockwerken. Die Räume sind thematisch verbunden, der Besucher – jeweils sechs Personen sind gleichzeitig erlaubt – erschließt sich beim Rundgang assoziative, persönliche Welten. Thematischer Aufhänger ist die T-Form als wichtiges architektonisches Element.

Schon der Begriff Baustelle beinhaltet zahlreiche Gedankensplitter: Unvollständigkeit, Zukunftsausrichtung, Prozesshaftigkeit, Zuversicht ebenso wie Unsicherheit. Der Titel ist Tradition bei Martin Cleis, der diesen – variiert – seit 2003 für seine Ausstellungsprojekte verwendet. Auf seinen künstlerischen „Baustellen“ mit Künstlerkollegen herrschen indes stets Respekt, Toleranz, Professionalität und Gleichwertigkeit. Die Entstehung der Ausstellung verlief auch hier nach diesem Prinzip. Die beiden können miteinander, was am Ergebnis der schlüssigen Installationspräsentation abzulesen ist.

„T-Room“

Im Erdgeschoss ist der „T-Room“, der Möglichkeiten zum Wortspiel bietet. Bei diesem eher spielerischen, auch augenzwinkernden Auftakt dienen drei überdimensionale Ts als Eyecatcher. Da ist die eigentlich störende, jedoch zur Architektur des Hauses gehörende Deckenstützkonstruktion in T-Form, die kurzerhand mit knalligem Grün bemalt wurde und durch ein formgleiches, schwarzes, dysfunktionales Gegenstück ergänzt wird. Gemeinsam strukturieren beide den Raum neu. Ihre Farben grün und schwarz, der Gleichklang T und tea: Hier haben wir eine humorvolle Reverenz an die beiden Tee-Sorten schlechthin.Weitergesponnen wird dies mit plüschigen Tischgrüppchen mit Spitzendecke, an ein alt-englisches Teehaus erinnernd. Hier kann sich der Besucher wie zur Teestunde niederlassen und die weiteren T-förmigen Arbeiten ringsum an den Wänden betrachten.

So zum Beispiel das dritte großformatige T-Stück, ein buntes, blumiges Gemälde-Triptychon von Martin Cleis. Daneben finden sich verschiedene Objets trouvés von Ulrich Wössner, die mit der Form des „T“ spielen: seien es entsprechend geschnittene Pappkartons, Porträts des Künstlers mit t-förmigen Nasen aus metallenen Pflugscharspitzen oder die fünf fliegenden Ts aus entsprechend aneinandergesetzten Holzstückchen.

„Momento mori“

Nach dem entspannten Aufenthalt im „T-Room“ geht es einen Stock höher. „Momento mori“ ist die raumeinnehmende, wirkungsvolle Installation betitelt. In strenger Reihung sind Backsteine platziert, bis sich deren starre Ordnung im hinteren Teil der Arbeit verliert, auflöst. Assoziationen drängen sich hier auf: Man denkt vielleicht an langweilig uniforme Reihenhaussiedlungen; coronabedingt an Halden nicht verkaufter Autos; oder an die Bilder von in Zelten aufgereihten Intensivbetten, an Reihengräber, an Holzsärge. Und vielleicht auch daran, dass solche Ziegel mancherorts in mühseliger Kinderarbeit hergestellt werden. Baukränen oder Kreuzen gleich stecken in manchen Ziegeln rot-weiße Klappmessstäbe – Streben nach Höherem oder Mahnung. Nach hinten löst sich die Gleichförmigkeit auf: Ordnung und Reglementierung haben dauerhaft keinen Bestand. Ergänzend lehnen an der hinteren Wand drei melancholische Aufnahmen von gefundenen T-Formen sowie ein leicht zu übersehendes Zitat: „Nichts ist gewiss“. Ein weiterer Verweis auf die Vergänglichkeit unseres geordneten, zuweilen auch schweren Daseins, das irgendwann unausweichlich nach Auflösung strebt.

„Die Fülle der Leere“

Geradezu meditativ ist der abschließende Raum „Die Fülle der Leere“ im Dachgeschoss. Das intensive Rot des Teppichs dominiert. Kontrast dazu bildet ein übermannshohes, schwarzes T, das auf einem Spiegel steht. Ein Lichtstrahl auf das Glas lässt einem Mond gleich ein weiteres Rund entstehen; der Blick in den Spiegel scheint das ganze Gebäude zu durchdringen. Ergänzt wird diese spürbare Leere durch leere Blätter an den Wänden. Der Besucher soll im verdunkelten Raum konzentriert seinen inneren Bilder nachspüren. Nach dem Gang durch das Haus schließt sich hier der Kreis und man mag den auf die Wand geschriebenen Worten nachspüren: „hören, was ertönt; fühlen, was sich regt; ahnen, was entsteht; sehen, was sich zeigt.“ bis 24. Mai: Sa, 15 bis 18 Uhr, So, 14 bis 18 Uhr, Anmeldungen beim Kulturamt, Tel. 07621/704 412 oder direkt in der Galerie vor Ort, (sechs Personen gleichzeitig); es erscheint ein Katalog; eine Lesung ist für Sonntag, 25. April, 16 Uhr, mit Ulrich Wössner geplant sowie ein Künstlergespräch als Podcast; Martin Cleis stellt parallel bis 11. April in der Riehener Galerie Mollwo aus.

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