Weil am Rhein Was Demokratie alles bedeutet

Saskia Scherer
Weils Oberbürgermeister Wolfgang Dietz, Landrätin Marion Dammann, Moderator Matthias Zeller, SPD-Landtagsabgeordneter Rainer Stickelberger und UFW-Gemeinderat Eugen Katzenstein (v.l.) diskutierten über politische Polarisierung. Foto: Saskia Scherer

Podiumsdiskussion: „Stammtisch“ mit vier Politikern. Ausstellung „Zeitenwende“ bietet Rahmen.

Weil am Rhein - Gefahren für die Demokratie, Klimaschutz und die Große Koalition – diese und andere Aspekte wurden beim gestrigen politischen Stammtisch unter dem Oberbegriff „Politische Polarisierung vor 100 Jahren und heute“ angeschnitten.

Auf dem Podium im Museum am Lindenplatz hatten neben Moderator Matthias Zeller Weils Oberbürgermeister Wolfgang Dietz, Landrätin Marion Dammann, der SPD-Landtagsabgeordnete Rainer Stickelberger sowie UFW-Gemeinderat Eugen Katzenstein Platz genommen. Dietz war für den erkrankten CDU-Bundestagsabgeordneten Armin Schuster eingesprungen.

Der politische Stammtisch fand als Teil des Rahmenprogramms der Ausstellung „Zeitenwende. Leben im Umbruch. Weil in den 1920er Jahren“ statt, die noch bis zum 21. Juli im Museum am Lindenplatz zu sehen ist. Kuratorin Barbara Brutscher erinnerte daran, dass vor 100 Jahren Frauen und Soldaten erstmals wählen durften und dass das Wahlalter von 25 auf 20 Jahre herabgesenkt wurde. „Es tobte ein heftiger Wahlkampf.“ Die Demokratie in Deutschland sei hart erkämpft worden.

Gefahren für Demokratie

Von Zeller nach möglichen Gefahren für die Demokratie befragt, meinte Dammann, dass es darauf ankomme, wie man Gefahr auslege. „Aber wir befinden uns heute in einer anderen Situation, haben eine gefestigte Demokratie und ein stabiles Grundgesetz. Damals war niemand darin geübt.“

Stickelberger sieht schon Gefahren: „Wenn Leute und Splittergruppen, die niemand kennt, gewählt werden.“ Die Wähler seien sprunghaft, und das Vertrauen in demokratische Institutionen werde sehr schnell in Frage gestellt. „Wir leben auf sehr hohem Niveau und Probleme werden hochstilisiert.“ Einen Grund dafür sah er in den Sozialen Medien. Außerdem beziehe in Deutschland der einzelne Bürger viel auf sich. „Und wenn es dann nicht so läuft, wie er es sich vorstellt, zieht das Verdruss nach sich.“ AfD-Wählern sei oft egal, was die Partei überhaupt wolle, hat Stickelberger beobachtet. „Die Wähler wollen es den etablierten Parteien zeigen.“ Menschen, die sich zur AfD hin orientieren, sei nicht ausreichend vermittelt worden, wie komplex es sei, Probleme zu lösen, meinte Dietz.

Auch Katzenstein zeigte sich „besorgt“, etwa im Hinblick auf „Shitstorms“ im Internet. „Da werden Aggressionen freigesetzt.“ Seit Jahren gehe es in der Politik immer darum, Feuer abzulöschen. „Erst war es die Flüchtlingskrise, jetzt ist es der Klimawandel.“ Es brauche jedoch „nicht nur Gesinnungsethiker, sondern auch Verantwortungsethiker“. Viele würden einfach mitlaufen. „Es ist ja richtig, sich auf wichtige Probleme zu konzentrieren, aber es braucht auch welche, die sich fragen, wie man da rauskommt.“

Weltthema Klimaschutz

Die Europawahl sei nicht mit einem Europa-, sondern einem Weltthema, dem Klima, entschieden worden, meinte Stickelberger. Er sah bei den klassischen Parteien ein Versäumnis, eine Vision zu entwickeln, wo die Menschheit hin will. Themen könnten sich aber auch wieder verschieben, etwa bei wirtschaftlichen Einbrüchen. „Die großen Parteien werden als altmodisch angesehen“, fand Katzenstein. „Den Arbeiter von 1919 gibt es nicht mehr.“

Dietz war es wichtig, den Gesamtkontext zu betrachten: Der Anteil der Bundesrepublik am weltweiten CO2-Ausstoß liege bei 2,2 Prozent, der von China bei 28 Prozent. Die Bundesregierung sei gefragt, solche Themen auf eine internationale Ebene zu heben. Ausstiege, wie aus der Atomkraft, würden Zeit brauchen. „Es geht aber nicht darum, etwas rauszuschieben, sondern Dinge nachvollziehbar durchzudiskutieren“, betonte er. Um dann auch bessere Ziele formulieren zu können.

Die Frage von Zeller, ob die SPD ohne die Große Koalition ganz anders dastünde, konnte Stickelberger nicht mit ja oder nein beantworten: „Eine Kur in der Opposition ist nur sinnvoll, wenn vorher ein Heilungsprozess stattgefunden hat.“ Er sei bekanntlich kein Befürworter der GroKo, aber sie habe auch einiges erreicht. Die Parteien seien jedoch aufgefordert, ihre Positionen deutlicher zu markieren. Gleichzeitig würden die Bürger aber politischen Streit verabscheuen.

„Streiten gehört in der Politik dazu“, fand Zuhörer Erhard Zeh und erinnerte an Zeiten, in denen die Wahlbeteiligung bei 90 Prozent lag. „Heute ist vieles dadurch geprägt, dass die Wähler Angst haben vor Verlust von Wohlstand, Sicherheit oder davor, am Fortschritt nicht teilgenommen zu haben.“

Der Weg für Deutschland

Ein weiterer Zuhörer pochte darauf, dass sich Deutschland auch bei anderen Ländern Positives abschauen könnte – wie das Schweizer Mobilitätskonzept. „Die Schweiz hat einen Riesenvorteil“, meinte Dietz. Sie habe ihre Infrastruktur seit Jahrhunderten ausbauen können, während jene in Deutschland allein im vergangenen Jahrhundert zweimal zerstört wurde.

„Was meinen wir, wenn wir über Demokratie reden?“, fragte sich SPD-Gemeinderat Johannes Foege im Publikum. Dammann hielt die repräsentative Demokratie für die richtige Form für Deutschland. „Aber wir müssen uns auch weiterentwickeln.“ Vielleicht seien andere Partizipationsprozesse möglich. Sie wünsche sich Interaktion, ohne die repräsentative Demokratie anzutasten.

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