Weil am Rhein Wenn der Dialekt langsam ausstirbt

Tonio Paßlick
Junge französische Verfechter des elsässichen Dialekts: (v.l.) Jean-Christophe Meyer, Bénédicte Keck und Adrien Fernique Foto: Tonio Paßlick

Dialekt: Über die Zukunft des Elsässischen diskutierten Teilnehmer eines Symposiums im Kesselhaus

Der Staffettenlauf zweier Vereine zugunsten der elsässischen Sprache führte am Samstag über die Dreiländerbrücke ins Friedlinger Kesselhaus. Zwei Stunden nach dem Auftakt in Basel fand dort mit Unterstützung des Weiler Kulturamts ein Oberrheinisches Sprachensymposium statt.

Von Tonio Paßlick

Weil am Rhein -  „Warum reden so wenige Menschen im Elsass elsässisch?“ lautete einmal die Frage ihrer sechsjährigen Tochter, erinnert sich die elsässische Schauspielerin Bénédicte Keck. Mit einem Stafettenlauf über Pfingsten versuchten der elsässische Verein „Sprochrenner“ und die „Basler Elsass-Freunde“ darauf aufmerksam zu machen, dass Elsässisch zwar mit Vereinen, Theatergruppen und Förderern auf allen Seiten des Dreilands sehr beliebt ist, aber im französischen Alltag nur noch von drei Prozent aller Eltern an ihre Kinder weitergegeben wird. Deshalb wurde der Stafettenlauf über 375 Kilometer von Basel über viele Gemeinden im Elsass bis nach Wissembourg organisiert.

Der alemannische Mundart-Dichter Markus Manfred Jung fasste die Beiträge des Symposiums abschließend mit wenigen Worten zusammen: „Wir haben gesehen, dass die Ausgangsbedingungen in allen drei Ländern unterschiedlich sind. Um das Elsässische im Alltag zu schützen und zu erhalten, müssen es die Elsässer selber wollen! Wir können uns da nur solidarisch zeigen, denn: „Mr ghöre zämme!“

Wie aber das Bewusstsein dafür schaffen? Patrick Puppinck aus dem Nord-Elsass hatte vor Jahren beobachtet, dass informative „Staffettenläufe“ in Regionen mit einer nationalen und einer regionalen Sprache, etwa im Baskenland und in der Bretagne auf breite Resonanz stießen. Also hatte er gemeinsam mit dem früheren Schweizer Diplomaten Hans-Jörg Renk vor drei Jahren alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen Elsässer Stafettenlauf mit dem Namen „Sprochrenner“ zu realisieren.

Im ersten Teil sollte das Verhältnis zwischen Dialekt und Standardsprache beleuchtet werden, im zweiten Teil Gegenwart und Zukunft der Dialekte. Dazu wurden nach der Begrüßung des Weiler Oberbürgermeisters Wolfgang Dietz und des Weiler Kulturamtsleiters Peter Spörrer von Moderator Stephan Lüthi Vertreter aus Literatur und Gesellschaft auf die Bühne gebeten.

„Was uns vereint – Ce qui nous unit“ war das Leitmotiv der ersten Runde mit Markus Moehring, dem Leiter des Dreiländermuseums in Lörrach, Marianne von Grünigen von den Elsass-Freunden Basel und Gérard Leser, dem Volkspoeten, Dichter und Historiker. Wie es um den Dialekt steht, kann am besten durch persönliche Beispiele erläutert werden.

Aufgewachsen in einem hochdeutsch sprechenden Elternhaus, kommuniziere er im persönlichen Umfeld alemannisch, im beruflichen Kontext aber hochdeutsch, sagte zum Beispiel Markus Moehring. Ähnlich später der Stafetten-Träger Adrien Fernique, Übersetzer und Kulturvermittler aus dem Elsass: er habe erst mit 18 Jahren elsässisch gelernt, sich aber entschieden, seine Kinder im Dialekt zu erziehen – die beste Grundlage, um hochdeutsch zu lernen.

Der Dialekt als Basis für gemeinsamen Protest

„Hat der Dialekt Chancen bei jungen Menschen?“, fragte Moderator Stephan Lüthi. Der Dichter und Journalist Jean-Christophe Meyer sieht sie durchaus. Rap-Songs oder Poetry-Slam auf elsässisch hörten sich authentisch und geschmeidig an. In den Siebzigerjahren stiftete der gemeinsame Dialekt eine erfolgreiche Basis für die Proteste gegen Kernkraftwerke in Wyhl und Kaiseraugst.

Verhalten optimistisch äußerten sich Daniel Adrian, Präsident der Kommission für internationale Beziehungen und zur Förderung der Zweisprachigkeit oder Brigitte Moog, Präsidentin des Théâtre du Rhin sowie Véronique Ueberschlag vom „Elsassische Sprochveràltungsbüro“. Seit 1994 ist das „Elsassische Sprochamt (OLCA)“ bemüht, in 330 Gemeinden des Elsass dem „Elässischen seinen legitimen Platz im Alltag zu verschaffen, wie Christèle Willer, Präsidentin der Vereinigung und Bürgermeisterin von Buschwiller betonte.

Autoren wie Edgar Zeidler oder der Liedermacher Daniel Muringer finden dafür Bilder und Klänge. Muringer besingt das Trennende wie das Einigende des Rheins, den Gérard Leser als Falz zwischen zwei Seiten eines Buchs, nämlich den Vogesen und dem Schwarzwald sieht.

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