Weil am Rhein Wie aus der Schuldenfalle kommen?

Weiler Zeitung

Schuldnerberatung: Diakonisches Werk leistet wichtige Hilfe / Oft auch Grenzgänger in finanzieller Klemme

Wem finanziell das Wasser bis zum Hals steht und wer nicht mehr weiß, wie er aus der Schuldenfalle kommt, der kann professionelle Hilfe einer Schuldnerberatung in Anspruch nehmen. Zum Beispiel die des Diakonischen Werks im Landkreis Lörrach. Rund ein Viertel der bis zu 180 Anfragen für eine Beratung pro Jahr kommen aus Weil am Rhein.

Von Siegfried Feuchter

Weil am Rhein. 35 Personen kann die Schuldnerberatung des Diakonischen Werks im Jahr betreuen, wie Sozialarbeiter und Schuldnerberater Roland Meier zusammen mit Karin Racke, Fachbereichsleiterin für „Familie und Leben“, im Gespräch mit unserer Zeitung verdeutlicht. Davon können zwischen 25 und 30 Fälle, je nach erforderlicher Intensität der Beratung, abgeschlossen werden. Das heißt, der Bedarf an einer Schuldnerberatung, ein freiwilliges kirchliches Angebot, ist weitaus höher, als er gedeckt werden kann. Dies zumal, da Roland Meier nur 50 Prozent seiner Arbeitszeit für die Beratung überschuldeter Menschen aufwenden kann und die übrige Zeit andere Aufgaben wahrnehmen muss.

Insofern gleicht es einem Lotteriespiel, wer von den vielen Personen, die landkreisweit auf der Warteliste stehen, die Chance hat, beraten zu werden. Immer Ende November eines Jahres wird die Liste der Beratungssuchenden geöffnet und eine Auswahl getroffen. Die Beratungsdauer schwankt je Fall zwischen vier Monaten bis zu zwei oder gar drei Jahren. Je nachdem, wie komplex die jeweilige Situation ist.

Wer tappt in die Schuldenfalle? Es sind Menschen im Alter von 20 bis 75 Jahren – vom Arbeiter bis zum Akademiker. Sie haben ihre finanzielle Situation nicht mehr im Griff. Die Schulden schwanken zwischen 2000 und 200 000 Euro. „Der Großteil der Ratsuchenden befindet sich in der Mitte des Lebens“, weiß Meier aus Erfahrung, während Karin Racke auch auf das Problem zunehmender Altersarmut verweist.

Vielfältige Ursachen für eine Überschuldung

Die Ursachen für eine Überschuldung sind vielfältig: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Trennung vom Partner und Scheidung gehören dazu. Plötzlich können mit den Einnahmen nicht mehr die Miete, Energiekosten und allgemeine Kosten für den Lebensunterhalt aufgebracht werden, ohne dass das Konto überzogen wird. Dann läuft schnell alles aus dem Ruder, der emotionale Druck für den Einzelnen ist groß. Auch wird es heute im Zeitalter des Internets den Leuten leichter gemacht, mit Kauf auf Pump Schulden zu machen, als noch vor 20 Jahren.

Betroffen davon, Einnahmen und Ausgaben nicht mehr im Lot zu haben, sind in Weil am Rhein auch zahlreiche Grenzgänger, wie Meier und Racke wissen. Denn wer in der Schweiz arbeitet, der zahlt seine Steuern nicht monatlich, sondern muss vierteljährlich eine Vorauszahlung leisten. Und wenn diese ansteht, kommt es nicht selten vor, dass kein Geld mehr auf dem Konto ist. Denn die Verlockungen zum Ausgeben waren die Monate zuvor bei „gefülltem“ Konto groß.

Hinter nüchternen Zahlen menschliche Schicksale

Hinter einer Überschuldung steckt viel mehr als nur nüchterne Zahlen, dahinter verbergen sich auch menschliche Schicksale. Roland Meier schildert ein Beispiel, wie ein Mann nicht mehr in der Lage war, seine Schulden in Höhe von 10 000 Euro zu tilgen. Nach einer Krebserkrankung hatte er seine Arbeitsstelle verloren, schließlich war er erwerbsunfähig. Seine Erwerbsunfähigkeitsrente betrug 466 Euro, hinzu kam eine Grundsicherungsleistung in Höhe von 333 Euro. Mit diesem Existenzminimum war der kranke Mann nicht mehr in der Lage, seine Schulden zu tilgen.

Wie erfolgreich die Schuldnerberatung des Diaknischen Werks arbeitet, zeigt die Tatsache, dass fast alle Fälle positiv abgeschlossen werden können. Das heißt, den betroffenen Personen wird nach intensiver und kompetenter Beratung sowie mit einem strikten Haushaltsplan ein Weg in die Schuldenfreiheit aufgezeigt, auch werden diese Menschen auf dem nicht einfachen Weg begleitet. Ein akkurater Haushaltsplan zur finanziellen Konsolidierung, der genau festlegt, wie viel für den Lebensunterhalt ausgegeben werden darf, ist immer „ein schmerzlicher Eingriff“ für die betroffenen Menschen, weiß Meier aus seiner täglichen Praxis. Disziplin und konsequentes Handeln sind unabdingbar. Und Karin Racke ergänzt: „Wir schauen uns aber nicht nur die Zahlen an.“ Der Mensch stehe bei den existenzsichernden Maßnahmen, wenn beispielsweise Miet- und Stromschulden jemanden in Bedrängnis bringen, im Mittelpunkt. Nicht selten sind nämlich gesundheitliche und psychische Auswirkungen Folge der finanziellen Not. Und die Zahl der existenzsichernden Fälle, bei denen Menschen beispielsweise ihre Wohnung verloren haben, weil sie nicht mehr Miete, Strom, Heizung und Wasser bezahlen können, haben zugenommen, sagt Meier.

Die Beratungsstellen beim Diakonischen Werk sind mit Sozialpädagogen besetzt, außerdem arbeiten die Mitarbeiter in den verschiedenen Bereichen eng zusammen.

Zu wenige Stellen in der Schuldnerberatung

Wenn alle Maßnahmen, wozu mitunter auch Vergleichsangebote gehören, nicht greifen, dann hilft nur noch eine Privatinsolvenz als letzte Möglichkeit, den Betroffenen einen Neustart zu ermöglichen.

Während die Mitarbeiter des Diakonischen Werks in Not geratenen Menschen helfen, haben sie selbst einen Wunsch an die Politik: Es sollte mehr Schuldnerberatungsstellen geben, denn deren Zahl stagniert. Dann könnte noch mehr Menschen geholfen werden. Auch die Kommunen sollten sich in dem Bereich stärker engagieren. Zehn Stellen für in der Schuldnerberatung tätige Mitarbeiter sollte der Landkreis aufgrund seiner Größe und der Fallzahlen haben, tatsächlich sind es nur drei.

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