Weil am Rhein „Wir brauchen Diskussionen“

Weiler Zeitung
Im ersten Teil der neuen Reihe „Am Puls der Zeit“ geht es um bezahlbaren Wohnraum. Foto: sba/Silas Stein Foto: Weiler Zeitung

Interview: VHS-Leiter Tom Leischner spricht über den ersten Teil der neuen Reihe „Am Puls der Zeit“

Eine kontroverse Diskussion verspricht die Volkshochschule Weil am Rhein mit ihrer neuen Streitgespräch-Reihe „Am Puls der Zeit“. Eine Polarisierung ist dabei gewollt, eine Meinungsbildung zentral.

Von Marco Fraune

Weil am Rhein. Eine Diskussion ohne Lösung: Was es damit auf sich hat, besprach Marco Fraune mit dem VHS-Leiter Tom Leischner.

Frage: Der erste Teil der VHS-Gesprächsreihe steht unter dem Titel „Bezahlbarer Wohnraum – Kannst du vergessen!??“: Warum stehen dahinter ein Rufzeichen und zwei Fragezeichen?

Zuerst ist es eine Behauptung – und dann stellen wir diese These wieder infrage. So haben wir das Konzept mit den zwei Meinungen im Titel dargestellt. Wir sind gespannt, was uns die Referenten als Lösungsmöglichkeiten bieten.

Frage: Ein Vertreter des Badischen Mieterrings und einer von Haus & Grund Württemberg sollen kontrovers diskutieren. Was erwarten Sie?

Eigentlich gehe ich davon aus, dass beide das Fragezeichen ernst nehmen und sagen: Bezahlbarer Wohnraum ist möglich. Aber ich erwarte auch, dass beide unterschiedliche Ansätze haben. Der Vertreter des Mieterrings wird wohl eher über gesetzliche Regelungen wie die Mietpreisbremse argumentieren, während der Vertreter der Eigentümer auf den freien Markt setzt, aber dennoch Lösungsmöglichkeiten hat, wie bezahlbarer Wohnraum möglich ist.

Frage: Daraufhin sollen sich die Besucher eine eigene Meinung bilden. Rechnen Sie damit, dass Mieter plötzlich den knappen Wohnraum gar nicht mehr als so schlimm ansehen und die Vermieter-Seite mit den Mieten runtergeht?

Nein, das wird nicht der Effekt des Abends sein. Ziel des Abends ist nur eine politische Meinungsbildung. Die Zuschauer sollen eine Vorstellung davon bekommen, was der richtige Weg ist. Danach kann dann jeder analysieren, welche Partei die eigene Meinung vertritt und hat bei der nächsten Wahl fundierte Argumente für diese oder jene Volksvertreter.

Frage: Scheinbar heikle Themen sollen Ihrer Intention nach nicht nur an den politischen Rändern der Gesellschaft zur Sprache gebracht werden. Bedeutet das beispielsweise, ein Vorurteil, dass Ausländer angeblich den anderen Bürgern Wohnungen wegnehmen, kommt auch zur Sprache?

Ja, ich hoffe, dass es keine Scheu gibt vor solchen Fragen und solchen Themen. Ziel ist, offen zu reden und sich auszutauschen. Wichtig ist, dass wir es nicht tabuisieren, weil sonst die Fragen an anderen Orten gestellt werden.

Frage: Wie kann es gewährleistet werden, dass sachlich diskutiert wird?

Das ist die Aufgabe des Moderators Tonio Paßlick.

Frage: Welche Wirkung kann solch eine Diskussion für die Wohnraumpolitik in Weil am Rhein entfalten?

Das ist sehr schwer einzuschätzen. Ich setze hier auf eine länger angelegte Nachhaltigkeit. Wir brauchen Diskussionen auch über den Wohnraum und es gibt längere Prozesse in einer Demokratie, mit denen sich etwas verändern kann. Vielleicht bewegt sich etwas aufgrund der Diskussionen, die an dem Abend beginnen.

Frage: Was muss sich nach Ansicht des VHS-Leiters Tom Leischner beim Thema Wohnraum in Weil verändern?

Als unabhängiger VHS-Leiter kann ich darauf nicht antworten. Ich will mich nicht auf eine Seite schlagen.

Frage: Was würde sich die Privatperson Tom Leischner wünschen?

Dass genügend Wohnraum für die Menschen da ist, die hierher wollen. Natürlich soll es teuren Wohnraum geben für diejenigen, die es sich leisten können. Es muss aber auch günstigen Wohnraum geben. Ob das über noch mehr Wohnungsbau, gesetzliche Regelungen oder Angebote im ländlichen Raum mit guter ÖPNV-Anbindung erfolgen kann: Das sind Ideen, die zu diskutieren sind.

Frage: Wieder zum VHS-Leiter, der die Gesprächsreihe initiiert hat. Eine Polarisierung ist in der neuen Streitgespräch-Reihe gewollt. Gibt es nicht schon genug Zuspitzungen in den Debatten?

Es stimmt, es gibt viele Zuspitzungen in den Medien. Doch die erfolgen nur von Seiten der Politiker. Diese sind aber auch keine Fachexperten. Mir fehlt dabei das Sachliche und Fachliche in der Zuspitzung. Mir fehlt das Expertentum.

Frage: Dazu gehören auch Fakten. Haben Sie nicht die Sorge, dass in Zeiten der „alternativen Fakten“ die tatsächlichen Fakten vom Publikum kritisch gesehen und infrage gestellt werden?

Damit muss man umgehen und darüber diskutieren. Es ist unsere erste Veranstaltung, wir lernen dann auch. Gegebenenfalls kann man bei einem Disput an dem Abend noch einmal recherchieren und einen Faktencheck nachliefern.

Frage: Insgesamt klingt das Konzept etwas nach einer lokalen Hart-aber-Fair-Sendung.

Dort sind es mehr Diskutanten und eine Mischung aus Experten und Politikern. Wir konzentrieren uns hingegen nur auf zwei Experten und zwei gegenteilige Meinungen. Bei den TV-Diskussionssendungen habe ich häufig das Gefühl, dass am Ende alle froh sind, wenn man doch eine Lösung hat und es einen Kompromiss gibt. Das ist bei uns absolut nicht gewollt. Es geht darum, dass der Zuschauer sich aufgrund der sachlichen Argumente der Diskussionskontrahenten eine eigene Meinung bilden kann.

Frage: Ist es nicht unbefriedigend für die Zuschauer, keine Lösung zu bekommen?

Man muss zu Beginn deutlich machen: Heute Abend gibt es kein Happy End. Es geht um fachkundiges Wissen von zwei unterschiedlichen Seiten – plus die Deutung der Fakten, plus mögliche Lösungswege.

Frage: Nach einem ersten Teil folgt ein zweiter. Was haben Sie noch im Köcher?

In der Gruppe werden wir analysieren, wie es lief und ob noch etwas verändert werden muss. Zugleich schauen wir auf das zweite Thema, das „am Puls der Zeit“ sein soll. Noch ist unklar, welches Thema es Ende November wird.

Die VHS startet eine Streitgespräch-Reihe unter dem Titel „Am Puls der Zeit“. Das erste Thema am Freitag, 20. September, im Kesselhaus ist „Bezahlbarer Wohnraum – Kannst du vergessen!??“. Die Fachreferenten auf dem Podium sind Christian Göpper (Badischer Mieterring) und Ottmar H. Wernicke (Haus & Grund Württemberg). Beginn ist um 19.30 Uhr.

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