Vergleichen konnten die Sowjetbürger mangels Reisefreiheit freilich kaum. Aber die kulturelle Einzigartigkeit der Metro, in deren Hallen es bisweilen Konzerte und viele Straßenmusiker gibt, ist unübertroffen. Sie sollte nie wie andere einfach nur funktional sein - und diente als Vorbild für viele U-Bahnen in anderen Sowjetrepubliken, darunter in der ukrainischen Hauptstadt Kiew oder in der georgischen Hauptstadt Tiflis (Tbilissi).
Ein Zufluchtsort im Krieg
In der Kiewer Metro, die der Moskauer ähnlich ist, suchen die Menschen heute auch immer wieder Schutz bei Luftalarm vor dem russischen Angriffskrieg. Sandsäcke schützen die historischen Gebäude. Auch Moskaus Metro ist für den Kriegsfall als gigantische Bunkeranlage vorgesehen – und soll sogar Schutz bieten für den Fall eines Atombombenangriffs. 75 Meter unter der Erde liegt die tiefste Station. Allein unter Tage sind rund 472 Kilometer Gleise verlegt.
An der Station Revolutionsplatz sind die Vorrichtungen zu sehen, mit denen die Halle hermetisch abgeriegelt werden kann. Um dafür Platz zu schaffen, wurde auch die Zahl der lebensgroßen Skulpturen von Vaterlandsverteidigern reduziert. Stalin selbst lobte einst, dass sie aussehen wie echte Menschen – einer ist da mit einem Wachhund, ein Wahrzeichen der Haltestelle. Die Schnauze des Vierbeiners schimmert messingfarben, weil Passanten sie im Vorbeigehen streicheln und so blitzblank reiben. Das soll Glück bringen.
Anders als in Kiew will in Moskau niemand daran denken, die Metro – wie während des Zweiten Weltkriegs – heute wieder als Zufluchtsort im Kriegsfall zu nutzen. Die Moskauer schätzen ihre Bahn im Sommer bei Hitze als Ort der Kühlung, im Winter zum Aufwärmen – und als im Großen und Ganzen sicheres und zuverlässiges Verkehrsmittel. Auch ein Unfall, bei dem 2014 Waggons entgleisten und 22 Menschen starben, sowie Terroranschläge taten der Beliebtheit des Verkehrsmittels keinen Abbruch.
Zukunft strahlt hell
Von allen U-Bahnen in den größten Städten der Ex-Sowjetrepubliken ist Moskau diejenige, die am schnellsten wächst. Feierten die Verantwortlichen es noch 2021 als Sensation, dass auch Frauen als "Maschinist" Züge steuern durften, reden Planer heute schon vom autonomen Fahren und führerlosen Zügen. Kabelloses Internet und das von Datenschützern argwöhnisch beobachtete Face Pay, bei dem registrierte Passagiere einfach nur mit ihrem Gesicht bezahlen können, gelten längst als Standard.
Und auch heute wird wieder viel Wert auf Design gelegt. Marmor ist damals wie heute ein beliebter Baustoff. Auf der neuen großen Ringlinie spielen Architekten aber oft mit futuristischen Motiven. Und auch die Fahrt in der Kabine eines Metro-Zugs durch die hellen unterirdischen Tunnel mutet an wie in eine Reise in die Zukunft. Bürgermeister Sobjanin will bis 2030 weitere 71,4 Streckenkilometer und 31 Stationen bauen lassen, um, wie er sagt, noch mehr Menschen aus der staugeplagten Stadt von der Straße in die Metro zu locken.