Weltklassik am Klavier Alexey Chernov bietet musikalischen Silvesterknaller

Jürgen Scharf
Alexey Chernov, seit 2022 in Deutschland lebender russischer Pianist, brillierte beim Silvesterkonzert in der Reihe „Weltklassik am Klavier“ in Binzen. Foto: Jürgen Scharf

Statt der angekündigten Pianistin kam der kraftvoll-virtuos spielende russische Pianist zum Silvesterkonzert nach Binzen.

„War ja gewaltig!“, kommentierte eine Besucherin im gut gefüllten Rathaussaal. Und das war er in der Tat, dieser pianistische Ausnahmeabend, der nicht nur einmal die bravourösen Möglichkeiten des Klaviers vor Ohren führte.

Chernov, der statt der angekündigten Pianistin auftrat, begann seine musikalische Reise in die leichte Wiener Klassik mit der Mozart-Sonate KV 330 in C-Dur, um dann gleich aber „in medias res“ zu gehen, mit einer eigenen Meta-Transkription des Rachmaninow-Lieds „Wie schön ist es hier“.

Mozart und Beethoven

Chernovs kompositorische Interpretation ging schon in Richtung Skrjabin, den man dann im Folgenden hörte. Von diesem kosmopolitischen Russen hatte sein Landsmann die fünfte Sonate aufs Programm gesetzt, ein einsätziges Werk mit einzelnen Stimmungsabschnitten und vielen Kontrasten. Mit seinem Zug ins Fieberhafte, Gehetzte, Rasende und Gleißende wurde dieses Werk des Ekstatikers Skrjabin zu einem wahren (Nerven-)Kitzel für die Zuhörer. Der Gastinterpret machte hier der Ankündigung des Programms („...musikalische Ekstase!“) alle Ehre. Er spielte diese Sonate, die harmonisches Neuland betrat, mit geradezu visionärer Leidenschaft und kontrollierter Ekstase, brachte den Flügel zum Beben mit grandiosen Steigerungen. Nur leider blieb das Instrument der Klanglichkeit Skrjabins etwas schuldig.

Im zweiten Teil ging es genauso gewaltig weiter. Bei Beethovens berühmter „Mondscheinsonate“ in cis-Moll op. 27 präsentierte Chernov eine andere, sehr eigenwillige Interpretation dieses vertrauten Stücks. Bemerkenswert war vor allem der erste Satz dieser Fantasiesonate, das Adagio, in einer konzessionslos ruhigen Gangart mit einem auffallend mäßigen Tempo der Melodiestimme, nicht wie üblich fließend und sanft, sondern eher stockend, eine Interpretation gänzlich ohne Mondscheinromantik, ohne Schwelgerei. Eher ein Adagio-Abgrund, dem dann als die wahnsinnige finale Presto-Raserei folgte. Dieses kraftvolle Spiel, das hier Ereignis wird, nötigte den Zuhörern alle Bewunderung ab.

Chernov ist auch Komponist

Mit Ravels berüchtigtem Zyklus der drei Klavierstücke „Gaspard de la nuit“ setzte Chernov noch eins drauf. In „Ondine“, der Nixe, und „Le Gibet“ (der Galgen), war Anschlagskultur gefragt; im „Scarbo“, diesem technisch extrem schwierigen Tongedicht von höchster Virtuosität über einen dämonischen Zwerg, ereignete sich ein wahrer Klavierspuk, bei dem Chernov wie ein Derwisch über die Tasten fegte.

Beim letzten „offiziellen“ Werk des Abends, einem eigenen Variationswerk über Mozarts „Kleine Nachtmusik“, merkte man dann, dass Chernov auch Komponist ist. Schon wie er die Melodie behandelt und bei jeder Veränderung witzige Akzente setzte, war höchst originell und eigenständig: Mozart, in die heutige Zeit kreativ weitergedacht.

Zwei Zugaben

Das Publikum ließ den russischen Pianisten nicht ohne zwei Zugaben gehen, einer Chopin-Valse in e-Moll und der ersten Bagatelle des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov.

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