Wieden Stück für Stück in den Berg hinein

Verena Wehrle

Finstergrund: Ehrenamtler legen Stollen frei, um Frischluftzufuhr für Besucherbergwerk zu sichern

Es ist wie ein geheimer Ort, an den sich jedoch nahezu jeden Freitag vier bis fünf Männer begeben: der Stollen 4 im Finstergrund. Er wird freigelegt, damit die Bewitterung – die Frischluftversorgung – für das Besucherbergwerk gesichert bleibt. Wir durften in den Stollen hinein.

Von Verena Wehrle

Wieden/Utzenfeld. Ganze 98 Meter weit in den Berg hinein geht es bereits in dem von den Wiedener „Bergmännern“ freigelegten Stollen 4 des Bergwerks Finstergrund. Bis 1954 haben die damaligen Bergmänner hier ihre harte Arbeit verrichtet. Bei der Schließung des Bergwerks 1974 wurde der Stollen zugesprengt.

Im August 2016 hat dann der Bergmannsverein Finstergrund Wieden begonnen, den Stollen wieder „aufzuwältigen“, also zu öffnen. Doch warum eigentlich?

Die Maßnahme dient der Wettersicherung, wie Martin Wietzel, einer der Vorsitzenden des Bergmannsvereins Finstergrund, bei der Begehung erklärt: Durch Temperaturunterschiede zwischen dem Inneren des Bergs und der Außenluft kommt es zu einem natürlichen Luftzug. Derzeit kommt die Frischluft für das Besucherbergwerk im Sommer aus dem Stollen 1. Dieser Wetterstrom allerdings ist wegen verschütteter Löcher fast zum Erliegen gekommen, stellten die Vereinsmitglieder im Jahr 2015 fest. Weiteres loses Material erhöht die Gefahr, dass Luftwege blockiert werden könnten. „Wenn Stollen 1 einstürzt, hat das Besucherbergwerk keine Bewitterung – also keine Frischluft – mehr“, erklärt Wietzel.

Es war also nötig, den Wetterstrom auch in Zukunft aufrecht zu erhalten – und genau deswegen werde Stollen 4 als reiner Wetterstollen wieder geöffnet, erklärt Wietzel. „Dann haben wir einen gesicherten Zugang für die Frischluft.“

Die Bergmänner arbeiten sich Stück für Stück vor

Doch dieses Öffnen ist kein leichtes Unterfangen und mit jeder Menge Aufwand verbunden. Seit 2016 investiert der Verein pro Jahr durchschnittlich 1 500 Stunden an Arbeitszeit in den Stollen und übernimmt auch die Finanzierung des Projekts.

Maximal fünf Mann arbeiten gemeinsam tief unter dem Berg, weil es sonst einfach zu eng sei, erzählt Wietzel. Sie sind allesamt keine „echten“ Bergmänner, aber alle sind fasziniert vom Bergbau.

Stollen war eingestürzt und wird wieder freigelegt

Der Stollen war nach der Schließung des Bergwerks eingestürzt, der Zugang war nicht mehr vorhanden. „Wir haben den Stollen komplett zugänglich gemacht, aufgebaggert, 27 Meter mit dem Bagger freigelegt und mit einem Stahlausbau gesichert“, erzählt Wietzel.

Der Holzausbau in dem Stollen sei bereits Ende der 60er Jahre eingebrochen. Im Zuge der „Wiedereröffnung“ haben die Bergmänner die die Stollendecke, also das lose Gebirge, bei diesem ersten Bruch mit Leitplanken abgesichert. Dazu wurde Planke für Planke mit dem Pressluftbohrhammer in den Berg hineingeklopft. „Das war abenteuerlich“, erinnert sich Wietzel an diese laute und harte und auch gefährliche Arbeit.

Ausgerüstet mit Werkzeug aus dem Bergbau, schweren Stahlprofilen aus dem Kohlebergbau, riesigen Bohrern, und einem Bagger arbeiteten sich die Helfer Stück für Stück durch den Bruch.

Das Vorhaben war immer mit einem großen Risiko verbunden, erklärt Wietzel: Wäre etwas eingestürzt, wäre dies eine enorme Gefahr für die ehrenamtlichen Bergmänner gewesen.

Weiter drinnen im Stollen war das Gebirge dann selbsttragend – dennoch mussten die Decken gesichert werden. Und wiederum weiter drinnen gelangten die Bergmänner dann an eine zweite Stelle, an der der frühere Stollen eingebrochen war. Dort haben sie die Wände betoniert und mit Eisen verankert, damit alles massiv ist.

Projekt war zeitweise gefährdet

Doch dann gab es ein Problem: Über ihnen lag ein riesiger Hohlraum, der bis zu zehn Meter hoch und bis zu 86 Meter breit war, das Ganze 35 Meter unter der Erdoberfläche. „Die Gefahr, dass alles über uns Bergmännern einstürzt, war riesengroß“, macht Wietzel deutlich. „Deshalb sagte das Bergamt, es sei zu gefährlich und wir dürfen nicht weitermachen“, erinnert sich Wietzel an diesen Tiefpunkt des Projekts.

Die rettende Idee: Die Bergmänner besorgten für 18 000 Euro einen speziellen Bergbauschaum und füllten den Hohlraum mit Hilfe eines Hochdruckschlauchs mit dem Schaum auf. Zur großen Erleichterung der Bergmänner habe das Bergamt dann seine Genehmigung erteilt, und sie konnten mit ihrem Werk fortfahren: den Stollen freilegen und abstützen

Insgesamt haben die Arbeiter des Bergmannsvereins Wieden bisher 240 Leitplanken verbaut, haben das ganze Geröll mit einem Bergbau-Radlader mit einer 900-Liter-Wanne aus dem Stollen heraustransportiert und mussten sich auch eine eigene Belüftung in den Stollen einbauen, um selbst genug Frischluft zu haben.

98 Meter tief in den Stollen hineingelangt sind die Männer auf diese Weise bisher. Insgesamt ist der Stollen von seinem Zugang bis zum Flusspatgang aber ganze 290 Meter lang – etwa weitere 200 Meter harte Arbeit also liegen noch vor ihnen.

„Wir hoffen, dass diese Meter einfacher werden“, so Wietzel. Aktuell allerdings liegt noch eine dicke Felswand vor ihnen. Nichts als Stein. Was hinter dieser Wand liegt oder wann sich die ehrenamtlichen Bergmänner durch diese Wand hindurchgearbeitet haben, ist völlig unklar.

Aufhören allerdings ist keine Option: Das ganze Projekt macht erst dann Sinn, wenn das Ende des Stollengangs erreicht ist. Bis dahin also treffen sich die Arbeiter weiterhin fast jeden Freitagabend nach ihrer regulären Arbeit und kämpfen sich von 19 Uhr bis spät in die Nacht hinein Stück für Stück weiter durch den Stollen vor. Und wissen dabei nicht, was sie als Nächstes dort im Stollen erwartet. Es bleibt spannend.

Das Bergwerk Finstergrund besteht aus fünf Stollen, die bis auf das heutige Besucherbergwerk allesamt nach deren Schließung im Jahr 1974 zugesprengt worden sind. Stollen 4 liegt auf Utzenfelder Gemarkung , Stollen 5 (Besucherbergwerk) auf Wiedener Gemarkung.

Weitere Infos zum Besucherbergwerk Finstergrund unter www.finstergrund.de.

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