Mit dem herrschenden Planungsdogma sei man auf die aktuelle Situation nicht vorbereitet, räumt Robert an der Brügge ein. 'Mit den Instrumenten, die die Politik in den zurückliegenden Jahren entwickelt hat, um den Wohnungsbau qualitativ zu verbessern, hat die Politik den Investoren Fesseln angelegt, mit denen das Delta an notwendigem Neubau kurzfristig nicht zu bewältigen ist', ergänzt Sigrid Feßler, die Verbandsdirektorin des vbw. Das sei kein Vorwurf, treffe aber jetzt mit voller Wucht auf die Wohnungswirtschaft. Einen Ausweg aus dem Dilemma sieht das Beratungsunternehmen Empirica aus Bonn in der Revitalisierung des ländlichen Raumes. Die Wohnraumversorgung sei mit diesem Konzept schneller und preiswerter sicherzustellen als durch einen massenhaften und langwierigen Neubau in den jetzt schon engen und teuren Stadtregionen. Die Umkehrung der Landflucht durch dieses Modell werde gleichzeitig eine Entwertung von Wohnungen und Infrastruktur in den ländlichen Regionen abmildern und im Idealfall zusätzlich die Nahversorgung mit Dienstleistungen und Gütern des täglichen Bedarfs dort verbessern, so die Studie. Sigrid Feßler hält die Idee, den ländlichen Raum mit Flüchtlingen zu besiedeln, allerdings für eine Scheindiskussion. 'Was sollen die Flüchtlinge in einem Gebiet, wo es kaum noch Arbeitsplätze gibt und keine Infrastruktur mehr vorhanden ist. Das müsste erst alles wieder mit hohem finanziellen Aufwand aufgebaut werden.'
Erschließung von Bauland
Besser sei es, entlang der Verkehrsachsen in der Region neue Wohngebiete zu erschließen. Aber: 'Es fehlt vor allem an verfügbarem Bauland, nicht nur hier in Stuttgart und der Region, sondern in vielen Ballungszentren', ergänzt die vbw-Verbandsdirektorin. 'Das Flächenpotenzial in der Raumplanung muss ausgeschöpft werden. Die Kommunen müssen insoweit auch über die Einbeziehung von Außenflächen nachdenken; allein durch Innenentwicklung lässt sich der Bedarf nicht decken', so Sigrid Feßler. Doch selbst wenn Bauland vorhanden wäre, gebe es tausend Gründe, die die Kommunen im Land daran hinderten, Bauland zu erschließen. 'Wir haben in den zurückliegenden Jahren so viele Schutzvorschriften erlassen, die es den Kommunen unmöglich machen, auf ihr potenzielles Bauland zuzugreifen', kritisiert die Verbandsdirektorin. Robert an der Brügge zählt drei Beispiele auf: Der Hochwasserschutz sei sicherlich wichtig, aber müsse jede tiefer liegende Fläche neben einem Fließgewässer gleich als Retentionsfläche ausgewiesen werden? Flächen, die im Falle eines Hochwassers als Überflutungsfläche genutzt werden könnten, seien somit praktisch unbebaubar. 'Wir müssen uns in der aktuellen Situation auch die Frage stellen, was wichtiger ist: der Erhalt von ein paar Grottenmolchen oder die Schaffung von Wohnraum', kritisiert er.