Wohnungsmarkt in Schopfheim Prekäre Situation

Anja Bertsch
Die Wohnbau Lörrach sieht aktuell kaum Möglichkeiten, günstigen Wohnungen zu realisieren. Foto: Pixabay

Fast 1000 Haushalte stehen in Schopfheim auf der Warteliste der Wohnbau Lörrach. Eine der Kennzahlen, mit der Geschäftsführer Thomas Nostadt den aktuellen Wohnungsmarkt skizzierte – und die von der Politik geschaffenen Rahmenbedingungen kritisierte.

„Der Wohnungsmark bricht geradezu dramatisch ein – das ist ein sozialer Sprengstoff“, warnte Nostadt unlängst im Schopfheimer Gemeinderat. Auf der Nachfrageseite sorge die gesellschaftliche Entwicklung unter anderem durch Zuwanderung für Druck. Auf der Angebotsseite indes herrsche Stagnation, machte Nostadt deutlich: Die Bundesregierung sei weit davon entfernt, das – ohnehin schon niedrig angesetzte – Ziel von 400 000 neuen Wohnung pro Jahr zu erreichen. Die Prognosen lägen aktuell bei 175 000 – „nur 40 Prozent der Zielmarke: das ist dramatisch“, machte Nostadt deutlich.

Die Wohnbau Lörrach, an der auch die Stadt Schopfheim Anteile hält, würde sich der Herausforderung gerne stellen und dazu beitragen, das Ziel zu erreichen, so Nostadt weiter; sie sehe sich aber einer „toxischen Mischung“ aus steigenden Zinsen, explodierenden Baupreisen, weiter erhöhten Baustandards und einer „wenig verlässlichen Förderung durch Bund und Land“ gegenüber: „Unter diesen Bedingungen haben wir überhaupt keine Chance, günstige Wohnungen zu realisieren.“ Wolle die Wohnbau wirtschaftlich tragfähig sein – und das müsse sie auch in ihrem sozialen Anspruch – bräuchte es für Neubauten Kaltmieten von 15 bis 20 Euro je Quadratmeter. „Das ist Blödsinn. Solche Wohnungen bauen wir nicht“, sagte Nodstadt und machte aus seinem Unmut keinen Hehl: „Die aktuellen Bedingungen sind nahezu unsäglich.“

Standards strangulieren

Ein wichtiger Grund für die massiv steigenden Baupreise seien „immer höhere Standards“ von Stellplatz bis Brandschutz, führte der Wohnbauchef aus – und machte deutlich, dass er da manches für überzogen hält: „Komfort, Klimarettung, Sicherheit: Mit immer höheren Standards haben wir uns in Deutschland völlig stranguliert.“ Gerade im Bereich des „vermeintlichen Klimaschutzes“ gebe es einige Irrwege, die die Unmengen an „grauer Energie“ nicht mit einberechneten, die für die Aufrüstung oder Ausstattung von Gebäuden nötig sind: „Das ist zum Teil ein wirtschaftlicher und ökologischer Irrsinn, den wir da betreiben.“

„Probleme durchgereicht“

Sicherlich bemühten sich die Akteure, an den kleineren Stellschrauben zu drehen, auf die man vor Ort Einfluss habe, aber: „Diese Probleme werden wir nicht in den Kommunen lösen. Sie werden von oben durchgereicht – und hier poppen sie auf.“

Intern immerhin sieht sich die Wohnbau wirtschaftlich stabil – „Voraussetzung für soziales Handeln“, wie Nostadt deutlich machte. Dass die Wohnbau diesen Anspruch weiter erfüllt, machten einige Schlaglichter aus dem Geschäftsbericht deutlich: Die monatliche Durchschnittsmiete der Mietwohnungen liegt bei 7,33 Euro je Quadratmeter, die (Kalt)Mieten von rund 70 Prozent der insgesamt rund 3000 Wohnbau-Wohnungen liegen unter 550 Euro.

Kaum Mieterwechsel

Mieterwechsel gibt es in diesem Bestand kaum: Die Mieterfluktuation liegt bei nur knapp sieben Prozent – „ein Indiz für eine angespannte Wohnungsmarktsituation“ – und schlechte Aussichten natürlich für diejenigen, die sich auf der Warteliste finden. Ihre Zahl ist allein in den vergangenen beiden Jahren in Schopfheim um 40 Prozent gestiegen.

Megaprojekt in Lörrach

Ein echtes Megaprojekt stemmt die städtische Wohnbau derzeit mit der Neuen Mitte Nordstadt in Lörrach. Mit Investitionen von 97 Millionen Euro „das größte Projekt in der Unternehmensgeschichte“, machte Nostadt deutlich.

In Schopfheim selbst stehen derzeit keine größeren Neubauprojekte an – „aber auch hier wird kräftig investiert“, so der Geschäftsführer. Der Schwerpunkt liegt dabei aktuell auf den Liegenschaften in Lusweg und Blauenstraße: Diese werden saniert; zudem entstehen hier sechs zusätzliche Wohnungen in ehemaligen Speicherräumen – „eine klassische Innenentwicklung“, ordnete Nodstadt das Projekt ein – und bewertete es ausnehmend positiv: Nach Abschluss der Arbeiten in etwa zwei Jahren „ist das ein richtiges Vorzeigequartier“. Abgeschlossen ist die Aufwertung der Außenanlagen der Liegenschaften in Roggenbach-, Schwarzwald-, Wehrer- und Schlierbachstraße, die Stück für Stück angegangen wurden: Entsiegelung, die Anlage von Mietergärten, Errichtung von Carports. Was teils „wüst“ ausgesehen habe, „ist nun ein kleines Grünparadies“, schwärmte Nostadt, gerade mit Blick auf die Veränderungen im Quartier Wehrer-/ Schlierbachstraße.

Schwierige Bedingungen

Grundsätzlich stehe man auch Neubauprojekten in Schopfheim offen gegenüber, signalisierte Nodstadt; die Rahmenbedingungen indes seien wie skizziert schwierig.

An dieser Stelle schaltete sich Gemeinderat Thomas Kuri (CDU) mit dem bereits wiederholt formulierten Vorschlag ein, die Stadt solle die aktuelle Flaute im Bausektor nutzen, um die auf dem Markt verfügbaren Grundstücke aufzukaufen, zu tauschen und zusammenzufügen – um diese verfügbar zu haben, wenn sich der Wind wieder dreht. Und/oder, um gemeinsam mit der Wohnbau weitere Projekte zu entwickeln.

Nach zwischenzeitlicher Zurückhaltung zu Beginn des Großprojekts in Lörrach sei man für Neubauprojekte in Schopfheim prinzipiell wieder sehr offen, bestätigte Nostadt auf explizites Nachfragen von Kuri: „Klar hätten wir Interesse. Aber es muss eben wirtschaftlich vernünftig darstellbar sein.“

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