Zell im Wiesental Die Geschichte der Zeller Gießerei

Uli Merkle

Historie: Kommt das Ende eines Zeller Industriestandorts? / Welchen Ursprung das Mahle-Werk III hat

Wenn in diesem Jahr die Firma Mahle ihr Zeller Werk III stilllegt, geht auch eine langjährige Industriegeschichte zu Ende. Die 45 Mitarbeiter werden laut Thomas Bittner, IG Metall-Gewerkschaftssekretär, ihre Arbeitsplätze behalten.

Von Uli Merkle

Zell. Begonnen hat die Geschichte der Gießerei bereits 1784 durch die Brüder Meinrad und Peter Montfort. Die beiden Brüder haben am heutigen Standort des Werks eine Hammerschmiede errichtet. Später wurde daraus eine Eisengießerei, die weit über hundert Jahre hinaus im Besitz der Familie Bernauer war, bevor sie 1977 an die Firma Pleuco veräußert wurde. Pleuco fertigte hier Schleuderguss für den eigenen Bedarf. 1999 ging das Werk an die Firma Mahle Ventiltrieb über. In diesem Jahr wird der Betrieb eingestellt.

Zuerst war es eine Hammerschmiede

Bereits 1776 erhält der Industrielle und Zeller Vogt Meinrad Montfort von der vorderösterreichischen Regierung die Genehmigung zum Bau einer Hammerschmiede am Mühlteich an der Wiese. Er möchte dort Eisenschrott einschmelzen und aus dem so gewonnenen Metall Werkzeuge und Gebrauchsgegenstände herstellen. Dazu sollte Holzkohle aus den heimischen Wäldern verwendet werden. Die Zeller wehrten sich allerdings gegen ein solches „Feuerwerk“, weil sie befürchten, dass die benachbarten, mit Stroh bedeckten Häuser gefährdet sein könnten. Es kommt zu Sabotageakten auf der Baustelle, so dass von den vorderösterreichischen Behörden eine Militäreinheit mit 200 Soldaten abgestellt wird, die die Baustelle schützen soll. Es nützt allerdings nichts. Es kommt auf der Baustelle immer wieder zu Sabotage und Zerstörungen durch wütende Zeller.

Das heute noch bestehende Haus „Rote Fabrik“ war eines der damals errichteten Gebäude. Nach kurzer Betriebszeit der Hammerschmiede gibt Meinrad Montfort auf und kauft gemeinsam mit seinem Bruder Peter auf der äußeren Schwarznau, unmittelbar vor dem Grendel, ein Grundstück, um dort, weit weg vom Zeller Städtli, eine Hammerschmiede zu errichten, die dann 1784 den Betrieb aufnimmt. Der Schlussstein über der Eingangstür am einstigen Faktoreigebäude zeigte bis Ende der 1980er Jahre die Initialen Meinrad Montforts und die Jahreszahl 1784. Dann wurden sie im Rahmen von Renovierungsarbeiten leider entfernt.

Um den unliebsamen Zeller Konkurrenten auszuschalten, kaufte das großherzogliche Eisenwerk Hausen 1822 die Zeller Hammerschmiede auf. Durch die Auswirkungen des Zollvereins, dem Baden 1836 beigetreten war, kam es bei der Eigenerzeugung zu einer wirtschaftlichen Krise. Roheisen aus England war jetzt billiger und konnte durch die neuen Dampfschiffe günstig auf den Kontinent transportiert werden. Gleichzeitig stieg der Preis für Holz und Holzkohle, so dass Eisen nicht mehr wirtschaftlich erzeugt werden konnte. Die Zeller Hammerschmiede wurde 1865 versteigert und das Hausener Eisenwerk verkauft.

Umbau zur Eisengeißerei durch Jakob Bernauer

Der zwanzigjährige Jakob Bernauer, der bislang im Hausener Eisenwerk als Eisengießer gearbeitet hatte, ersteigerte damals die ehemalige Zeller Hammerschmiede. Er baute diese in eine Eisengießerei um und stellte 17 Männer ein. Die meisten von ihnen waren zuvor im Eisenwerk Hausen beschäftigt.

Es werden bei Bernauer vorrangig Maschinenteile in Sandformen gegossen, die in den Industriebetrieben im Wiesental, der Schweiz und im Elsass Absatz fanden. Die Geschäfte liefen von Anfang an gut, dennoch bewirtschaftet Jakob Bernauer nebenher noch eine kleine Landwirtschaft. Mit dem Pferdefuhrwerk aus der Landwirtschaft wurden auch die Gussteile ausgeliefert. Dabei war das Gespann oft zwei Tage unterwegs und brachte auf dem Rückweg aus dem Basler oder Mülhausener Hafen Roheisen und Koks mit nach Zell. Es sollte noch bis 1921 dauern, bis der erste Lastwagen angeschafft wurde, der das Pferdefuhrwerk ersetzte.

Die Arbeit in der Gießerei war körperlich schwer und gefährlich. Anfänglich mussten das Roheisen, der Schrott und der Koks in sogenannten Krätzen (Weidekörbe) auf dem Rücken auf die Gichtbühne getragen werden, um sie dort von oben in den Schmelzofen zu befördern. Später wurden Seilwinden eingesetzt, und nach dem Ersten Weltkrieg wurden elektrische Kräne eingebaut.

Es folgten wirtschaftlich schwere Zeiten

Im Jahr 1913 übergab der inzwischen 68-jährige Jakob Bernauer die Gießerei an seinen Sohn Rolf Jakob. Dieser musste allerdings ein Jahr später in den Ersten Weltkrieg ziehen und kam erst 1919 nach Zell zurück. Zwischenzeitlich hat der Firmengründer Jakob Bernauer die Firmenleitung wieder übernommen. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten wirtschaftlich schwere und gesellschaftliche unruhige Zeiten. Beim Generalstreik der Zeller Industriebetriebe 1923 wurde auch Rolf Jakob Bernauer, wie alle anderen Zeller Fabrikanten, unter Zwang aufgefordert, persönlich vor dem Streikkomitee der Arbeiter zu erscheinen und die Forderungen der Streikenden entgegenzunehmen. Im Gegensatz zu anderen Orten, wie beispielsweise in Lörrach, wurden sich in Zell die Streikenden und Fabrikanten verhältnismäßig schnell einig, so dass es zu keinen gewalttätigen Auseinandersetzungen kam.

Betrieb brannte durch ein Großfeuer nieder

Nur durch äußerste Sparsamkeit kam der Betrieb über die Runden, bis sich um 1934, nicht zuletzt durch die Aufrüstung, ein Wirtschaftsaufschwung bemerkbar machte. Allerdings brannte zwei Jahre später, im September 1936, fast der ganze Betrieb durch ein Großfeuer nieder. Der Aufbau und Neuanfang wurde in Rekordzeit bewältigt, dann kam der Zweite Weltkrieg mit all seinen Versorgungsschwierigkeiten, dem Verlust von Arbeitskräften durch den Krieg und schließlich ab 1945 die Besatzungszeit mit der teilweisen Demontage der Maschinen, die weitestgehend nach dem Brand 1936 neu angeschafft worden sind.

Gastarbeiter aus Italien und der Türkei angeworben

Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft trat 1946 der Sohn von Rolf Jakob Bernauer Rolf Siegfried Bernauer in die Firma ein, die er dann 1956, nach dem Tod seines Vaters, übernahm. Er verstand es, den Betrieb weiter planvoll auszubauen. Er starb allerdings schon im Jahr 1960 mit 42 Jahren. Danach übernahm seine Frau Maria Gabriele seine Stelle als persönlich haftende Gesellschafterin. Sie baute die Gießerei weiter aus. Um genügend Arbeiter zu finden, fuhr sie persönlich mit dem Auto nach Italien und in die Türkei, um dort Gastarbeiter anzuwerben. Einige der noch heute in Zell lebenden Italiener und Türken sind Nachfahren dieser Gastarbeiter, die damals nach Zell kamen.

Verkauf an die Firma Pleuco im Jahr 1977

1970 wurde ihr Sohn Dieter Bernauer ihr Nachfolger und führte die Gießerei mit inzwischen um die hundert Mitarbeitern. Drei Jahre später zerstörte ein weiterer Großbrand Teile des Betriebs, die danach wieder aufgebaut werden. Bedingt durch die immer schärfer werdenden Umweltauflagen sah sich Dieter Bernauer im Jahr 1977 finanziell nicht mehr in der Lage, diese zu erfüllen und verkaufte die Gießerei an die Zeller Firma Pleuco.

So ging der Familienbetrieb Bernauer in vierter Generation nach 112 Jahren in andere Hände. Diese Übernahme erfolgte ohne Verlust an Arbeitsplätzen, da alle Mitarbeiter von Pleuco übernommen wurden. Die Gießerei, nun Pleuco-Werk III genannt, wurde grundlegend umgebaut, mit Niederfrequenz-Induktionsöfen ausgestattet und die Produktion überwiegend auf das Schleudergussverfahren umgestellt. Das Pleuco-Werk III gießt seitdem ausschließlich für die eigene Teilefertigung.

Zukunft der Produktionsstätte ungewiss

1999 wurde Pleuco von der Mahle-Gruppe übernommen und firmiert heute unter Mahle Ventiltrieb GmbH als einer von 160 Produktionsstandorten weltweit. Die Zukunft für diesen Industriestandort, wenn Mahle den Betrieb dieses Jahr schließt, ist unklar.

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