Zell im Wiesental Ein Hürus für die ganze Welt

Markgräfler Tagblatt

„Ölfte Ölfte“: Zeller Narren küren mit Kai vo de Sägi alias Kai Kiefer ihren 50. Fasnachtsregenten

Von Peter Schwendele

Der Planet quillt über vor Problemen, dabei ist die Lösung ganz einfach, zumindest wenn es nach den Zeller Narren geht: Ein Hürus für die ganze Welt und alles sähe anders aus - darin war man sich am Samstag am „Ölfte Ölfte“ im voll besetzten Spassi-Funpark einig. Auch wenn dies wohl ein Wunschtraum bleiben wird, einen neuen Regenten - den 50. Hürus - haben die Zeller jedenfalls gefunden, denn kurz nach ein Uhr nachts marschierte Kai vo de Sägi alias Kai Kiefer unter dem Jubel des Narrenvolks in die Halle ein.

Zell. Zuvor hatten die rund 800 Gäste ein abendfüllendes, mit Witz und Humor gespicktes Programm erlebt, das mit einem leisen Zwiegespräch zwischen einem altgedienten Fasnächtler und einem interessierten Nachwuchsnarren über närrische Traditionen begann und mit einem fulminanten Kurzkonzert der „Beatles“ endete, bei dem sich der ganze Saal in ein Fan-Meer verwandelte. Es folgte der stilvolle Abgang des letzten Fasnachtsregenten Hürus Dieter us de Kirchstroß, der, zu den Klängen von „My Way“ ein letztes Ta-Hü singend, für Gänsehaut sorgte. Kurz darauf tobte das Publikum wieder, als mit Kai Kiefer der 50. Hürus der Zeller Fasnacht das Zepter übernahm. Der neue Regent saß schon als Kind auf dem Hüruswagen, als sein Vater Ferdinand Kiefer 1983 die Zeller Fasnacht regierte - „ein Gefühl, dass ich nie vergessen werde“, wie Kai vo de Sägi das Narrenvolk wissen ließ, bevor er dem neuen Burgi Peter Palme schon einmal eine Woche Urlaub in Aussicht stellte - ab dem Schmutzige Dunschdig, wenn die Zeller Fasnacht, der die Latscharisänger das diesjährige Motto „Au in de Rundi chasch a`ecke“ verpassten, in ihre heiße Phase eintritt.

Dass die Zeller nicht immer so Feuer und Flamme für ihren Hürus waren, wurde am „Ölfte Ölfte“ nicht verheimlicht. Zum Einstieg ins Programm erlebte das Publikum eine Szene am Stammtisch im Jahr 1967, als ein paar Honoratioren die Prinzen-Tradition in Zell beendeten, was so mancher in der Schwanenstadt für einen „Furz vom Fräulin“ hielt. „Hürus oder Gyros, isch des was zum Essa?“, so eine der kritischen Stimmen. Am Ende einigte man sich indes darauf, dass man sich doch lieber „vo eim vo unserm eigene Schlag“ regieren lasse - und dass diese Einstellung nach fünfzig Jahren keiner mehr in Frage stellt, belegte die Tatsache, dass die ganze Halle danach in das von der vereinigten Hürus-Schar auf der Bühne angestimmte Hürus-Lied einstimmte.

Nach der Begrüßung durch Peter Mauthe, den Präsidenten der Fasnachtsgesellschaft Zell (FGZ), führte Thomas Kaiser mit viel Mutterwitz durchs weitere Programm am „höchsten Feiertag in Zell“. Unter anderem kündigte er an, dass der Mozart-Boulevard im Fasnachtsregenten-Jubiläumsjahr durch einen Hürus-Boulevard ersetzt wird, klärte über die Ähnlichkeiten zwischen dem neuen und dem alten Burgi auf und lüftete das Geheimnis, wieso sich Gresger und Adelsberger seit einer ganz speziellen Hochzeit so hervorragend verstehen.

Einblicke ins Zeller Stadtgeschehen gab es bei der ersten Nummer mit den scharf beobachtenden Figuren des Narrenbrunnens, die sich nur dann drehten, wenn niemand hinschaute. Sie waren unter anderem Zeuge beim „Paar-shippen“ mit Schneeschaufeln, observierten zwei stadtbekannte Zeller in der Vorwahlzeit bei der Suche nach Rückgrat und wunderten sich nur mäßig darüber, dass an Gemeinderatssitzungen immer die Scheiben im benachbarten Kubus beschlagen - kein Wunder, bei so viel heißer Luft.

Eine erste Überraschung erlebten die Gäste beim Auftritt von Pfarrer Frank Malzacher, der (mit tatkräftiger Unterstützung von Ministrant „Chlampfe“ Schultheiß) die badische Version von „Uf de schwäb`sche Eisebahne“ zum Besten gab. Die Lacher auf seiner Seite hatte der Seelsorger, als er beispielsweise reimte: „S`dritte Johr bin i in Zell, doch im Pfarrhuus wird`s nit hell.“

Bei der folgenden Nummer „Bares für Rares“ wurden Unikate der Zeller Stadtgeschichte präsentiert und von einer fachkundigen Jury unter die Lupe genommen.

Es handelte sich um seltene Funde, die sogar Moderator Horst Lichter zum Staunen brachten, so etwa ein Bild der lachenden „Wilden Mann“-Wirtin, ein Pistölchen des Oberschützenmeisters, der im Übrigen dem Slogan „Bei uns im Schützenverein triffst du Leute“ alle Ehre machte, eine unabgestaubte Medaille von Alfred Knauber, dem „Gründer des Landkreises Lörrach“, und eine vom letzjährigen „Ölften Ölften“ übrig gebliebenen Laugenstange.

Nimmt man den aktuellen Fasnachtsauftakt als Gradmesser, dann braucht man sich um den Männerchorgesang in der Schwanenstadt keine Sorgen mehr zu machen, denn die Sondierungssitzung der Vereinsverantwortlichen im Pfaffenberger „Schlüssel“ zur Behebung der Nachwuchsprobleme brachte die Formation „SVÄG“ hervor, die anschließend mit einem fulminanten Auftritt für Standing Ovations sorgte. Das Credo der jungen Sänger, die auch mit Rap-Einlagen nicht sparten: „Männerchor isch des Schönschdi uf dr Welt, und drfür bruuchsch kei Frau und au kei Geld.“

Eine „schöni Bescherig“ erlebte die Familie Hochstatter, die dem Publikum einen Blick in ihr Wohnzimmer an Heiligabend erlaubte und mit ihrem trockenen Humor wieder für einen der Höhpunkte des „Ölften Ölften“ sorgte. Während der Nachwuchs sich auf das mordsmäßig spannende Auspacken von Skiunterwäsche vorbereitete, schwelgte Mutter Elke - trotz allen Vorbereitungsstresses - in Erinnerungen an Zeiten, in denen der Wunsch nach einem Streichinstrument mit einem Buttermesser erfüllt wurde. Vater Lutz dagegen enterte das traute Heim nach seiner Einkaufstour über die Terrasse, „weil ja schließlich Weihnachten vor der Tür steht“. Ob der von ihm erworbene Weihnachtsbaum („er het no glebt, als i ihn ins Auto glade han“) nun ein Prachtexemplar darstellt oder nicht, darüber gingen die Meinungen in der Familie Hochstatter auseinander. Einig war man sich jedenfalls darüber, dass das die Nikolaus-Tradition überlagernde Weihnachtsmann-Getue ziemlich nervt, denn der Typ, so stellte Mutter Elke treffend fest, ist doch nur „ein Werbegag mit Coca-Cola-Ranzen“.

Dass der echte Nikolaus ein ganz anderes Kaliber ist, zeigte danach der allererste der „eigenen“ Zeller Fasnachtsregenten, Ur-Hürus Hans Greiner, der 1967 bei der Premiere das Zepter schwang. In der sprachlich ausgefeilten Nummer Nikileaks beleuchtete Greiner das gesamte Weltgeschehen, sezierte das Treiben von Trump über Kim Jong Un bis zu Putin und Erdogan, Merkel und Schulz und sponn den Faden weiter zur Zeller Bürgermeisterwahl. Seinen Sack mit Geschenken öffnen wollte er für keinen, der derzeit auf der politischen Bühne sein Spiel spielt, aber seine Idee, die Zeit sei reif für „einen Hürus für die ganze Welt“, fiel zumindest in Zell schon mal auf fruchtbaren Boden, wo an diesem Abend noch lange 50 Jahre Hürus-Tradition gefeiert wurde.

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