Die weiteren Zeugen berichteten Ähnliches. Eine Zeugin sagte aus, dass durch das Tragen einer Maske bei ihrer Arbeit als Friseurin ihre Migräneanfälle zugenommen hätten. Vor der Pandemie habe sie alle vier Monate einen Migräneanfall erlitten, seither könne dies auch zweimal pro Monat passieren.
Sie habe den Zeller Mediziner wegen ihrer Migräne aufgesucht, nicht wegen einer Befreiung von der Maskenpflicht. Nach einem etwa 30-minütigen Gespräch aber habe sie ein Attest gleich mitnehmen können.
Angeklagter kommt erneut nicht zur Verhandlung
Zu den weiteren Zeugen gehörte eine 14-jährige Schülerin, die sich ebenfalls nicht erinnern konnte, dass der Mediziner sie vor dem Ausstellen eines Attests untersucht hätte. Nicht alle geladenen Zeugen sagten aus, sondern machten von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch; so auch die Mutter der Schülerin.
Das Gericht hatte im Vorfeld angeordnet, dass der Angeklagte dieses Mal im Saal erscheinen sollte. Zum Prozessauftakt am 17. Mai war der Angeklagte nicht anwesend, nur seine Verteidigerin (wir berichteten).
Auch beim zweiten Termin fehlte er. Der Arzt machte laut seiner Verteidigerin Gisela Tangermann-Ahring von seinem Schweigerecht Gebrauch, ließ aber nach den Plädoyers einen Brief verlesen.
Arzt lässt Brief verlesen
Die Atteste, so heißt es darin, hätten dringenden Empfehlungscharakter gehabt. Sie seien nicht rechtlich als Gesundheitszeugnisse zu verstehen. In dem Schreiben beruft sich der Angeklagte auf den hippokratischen Eid und die Genfer Berufsordnung: Er habe keine andere Wahl gehabt, als Atteste auszustellen – sonst hätte er sich strafbar gemacht.
Das Tragen der Masken werde grundsätzlich angezweifelt und als unzweckmäßig eingestuft. Die Patienten seien zu ihm und nicht zu ihren langjährigen Hausärzten gegangen, da diese beim Ausstellen der Atteste Repressalien befürchteten.
Die Zahl der Zuhörer im Amtsgericht Schönau war auf 15 beschränkt worden. Daher mussten einige der Menschen draußen bleiben, die schon im Vorfeld der Verhandlung verbal ihrem Unmut über die Corona-Maßnahmen Ausdruck verliehen.
Im Saal selbst musste eine Zuhörerin von Ulrike Götz mehrfach ermahnt werden, ihre Maske zu tragen, da sie sonst des Saales verwiesen werde. Auf die Frage der Zuhörerin, was sie von der Verteidigerin des Angeklagten, die von der Maskenpflicht befreit worden war, unterscheide, sagte Götz, dass diese Verfahrensbeteiligte ist.
Staatsanwalt fordert Geldstrafe
In seinem Plädoyer stellte Staatsanwalt Christian Schmitz fest, dass sich der Vorwurf gegen den angeklagten Arzt bestätigt habe. Er habe wider besseres Wissen Gesundheitszeugnisse ausgestellt. Die körperliche Untersuchung habe gefehlt.
Außerdem warf er dem Angeklagten eine nachträgliche Schutzbehauptung vor: Der Angeklagte habe behauptet, dass seine Patienten bei anderen Ärzten gewesen seien. Die zugehörigen Akten aber, so Schmitz, seien nicht mehr auffindbar, weder in Papierform noch digital.
Er forderte 150 Tagessätze à 70 Euro. Staatsanwalt Schmitz begründete die Forderung damit, dass der Angeklagte nicht vorbestraft sei und aufgehört habe, Maskenatteste auszustellen.
Verteidigerin plädiert auf Freispruch
Die Verteidigerin Tangermann-Ahring forderte einen Freispruch für ihren Mandanten. Patienten körperlich zu untersuchen, das sei keine Voraussetzung für Atteste, sagte sie in ihrem Plädoyer. Ein Arztgespräch und die Schilderung der Symptome seien ausreichend.
Sie erinnerte daran, dass Ärzte während der Pandemie auch mittels Telefonaten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen konnten.
Dass bei den Angeklagten keine Patientenakten zu den Attestempfängern gefunden worden seien, heiße nicht, dass es sie nicht gebe. Sie seien einfach nicht gefunden worden, so die Verteidigerin.
Außerdem gelte bezüglich der fehlenden Patientenakten das Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“. Der Staatsanwalt müsse die Schuld beweisen, nicht der Angeklagte seine Unschuld, sagte Tangermann-Ahring weiter.