Zell im Wiesental Literaturgenuss auf Bergeshöhen

Markgräfler Tagblatt

Literatur: 15. Auflage von „Lesen auf dem Berg“ am Wochenende in Todtnauberg   

Von Gabriele Hauger

Todtnauberg. Literatur- und meist auch Naturfreunde geben sich alljährlich auf über 1000 Höhenmetern in Todtnauberg ein Stelldichein. Die Literaturtage finden an diesem Wochenende zum 15. Mal statt. Ihr Markenzeichen: Lesungen mit großer thematischer Bandbreite, an verschiedenen Örtlichkeiten, vom Berggasthaus, über das Kurhaus bis auf luftigen Berghöhen.

„spiritus rector“ ist Hansjörg Schneider

An der Schwelle zwischen Herbst und Winter finden sich Literaturinteressierte aus der ganzen Regio und der Schweiz im Schwarzwaldort ein. Kein Wunder, ist doch der Ideengeber und „spiritus rector“ der Literaturtage der Basler Schriftsteller Hansjörg Schneider – ausgewiesener Todtnauberg-Fan, der einen Großteil des Jahres hier verbringt. Hier schrieb und schreibt er einen Großteil seiner beliebten Hunkeler-Romane, dessen 10. Folge im März erscheinen wird.

Eine gesellige Runde vor 15 Jahren mit Einheimischen im Hotel Engel war die Initialzündung zu den Literaturtagen: Iris Boch und Hans Gelpcke aus Todtnauberg stehen Hansjörg Schneider seit dieser Zeit organisatorisch zur Seite, unterstützt von Gerwig Epkes vom SWR, der die Autoren jeweils einführt. „Hansjörg Schneider ist der Fachmann, der die Literatur auswählt“, sagt Iris Boch, die sich mit Herzblut für die Literaturtage engagiert. „Manchmal fühlt sich das wie in einer großen Familie an,“ verweist sie auf das treue Publikum.

„Ich hätte nie erwartet, dass aus dieser Idee eine feste Reihe wird, die immer mehr Menschen anzieht“, freut sich Hansjörg Schneider, der aktuell noch in Basel weilt und hofft, am Wochenende in Todtnauberg dabei zu sein. Das ganze Jahr über ist er natürlich am Lesen, stößt dabei immer wieder auf Bücher und Autoren, die er für das „Lesen auf dem Berg“ als geeignet ansieht – und die er schätzt. „Ich gehe da ohne großes System heran, mehr aus dem Bauchgefühl“, verrät er. Wichtig ist ihm die thematische Mischung und dass stets auch weibliche Autoren gut vertreten sind. Bewusst niederschwellig sind die Lesungen gehalten, so gibt es auch einen Termin für Kinder oder eben die Radschert-Lesung mit Alphorn und Winterfeuer.

Das Programm

Falls Schneider gesundheitlich nicht auf der Höhe ist, wird am Freitag um 15 Uhr Simone Lappert die Literaturtage im Hotel Engel eröffnen.

Danach findet um 17 Uhr im Kurhaus die Lesung für Kindergarten- und Grundschulkinder mit Doris Wolters statt. Sie liest „Das letzte Schaf“ von Ulrich Hub, eine Weihnachtsgeschichte, in der Schafe die Hauptrolle spielen – zeitlose Botschaft inklusive.

Am Abend im Kurhaus stellt Anja Kampmann aus Leipzig um 20.30 Uhr ihren ersten Roman „Wie hoch die Wasser steigen“ vor, mit dem sie auf Anhieb Platz 3 der SWR-Bestenliste belegte. Ein hervorragend geschriebener Erstling über eine Gruppe junger Männer aus den ehemaligen Ostblockstaaten, die sich auf den Weg in den Westen machen und auf einer Ölplattform im Atlantik landen.

Autobiografisches und eine „Winterreise“

Am Samstagmorgen gibt es eine Doppellesung. Kathy Zarnegin aus Basel liest um 11 Uhr im Berggasthaus Stübenwasen. Sie wurde 1964 in Teheran geboren und kam mit 15 Jahren in die Schweiz, wo sie in Literaturwissenschaft an der Uni Zürich promovierte. Heute lebt sie in Basel. Sie ist vor allem auch Lyrikerin. Ihr erster Roman heißt „Chaya“ und erzählt, autobiografisch grundiert, von einer jungen Iranerin, die nach Europa kommt und sich hier einlebt.

Eine halbe Stunde später wird Thomas Knubben aus Ravensburg im Pfarrsaal unten in der Kirche lesen. Im Winter 1801/1802 ist der schwäbische Dichter Friedrich Hölderlin zu Fuß nach Bordeaux gereist, um eine Stelle als Hauslehrer anzutreten. Im Gepäck hatte er eine unglückliche Liebe zu einer verheirateten Frau, die er nicht mehr sehen durfte. Knubben ist die Strecke nach Bordeaux nachgewandert. Darüber hat er die „Winterreise“ geschrieben. Ein leicht lesbarer, handfester Zugang zum geheimnisvollen Dichter.

„Drang nach Osten“ am Winterfeuer

Am Samstag steht Artur Becker um 15.30 Uhr auf dem Radschert am Winterfeuer. Er wurde 1968 als Sohn polnisch-deutscher Eltern im polnischen Masuren geboren. 1989 hat er die Sprache gewechselt und schreibt seither auf Deutsch. In seinem neuen Roman „Drang nach Osten“ schreibt er über diese problembeladene Herkunft und damit über die problembehaftete Geschichte zwischen Polen und Deutschland. Gerade dieses eher ernste Thema sollte bestens auf die raue Bergeshöhe passen, findet Schneider. Bei schlechtem Wetter findet die Lesung im Kurhaus statt.

Am Samstag Abend um 20.30 Uhr kommt Lukas Hartmann aus Bern ins Kurhaus. Er schreibt Romane, die auf historischen Tatsachen beruhen. Seine Bücher stehen regelmäßig auf den Schweizer Bestsellerlisten. In seinem neuen Roman „Der Sänger“ erzählt er die Geschichte von Joseph Schmidt, der ein begnadeter Tenor, Liebling der Frauen und Jude war. September 1942: Joseph Schmidt sitzt im Auto eines Schleppers, der ihn von Frankreich in die Schweiz bringen soll. Eine sogenannte wahre Geschichte, spannend erzählt.

Am Sonntag um 11 Uhr ist Ruth Schweikert aus Zürich an der Reihe, wiederum im Kurhaus. 1955 in Lörrach geboren, ist sie eine der besten, bekanntesten Autorinnen aus der Schweiz. Sie ist bereits das dritte Mal zu Gast bei den Literaturtagen und präsentiert ihr neues Buch „Tage wie Hunde“, das von ihrer Krebserkrankung erzählt. Es ist indes kein trauriges Krebsbuch. Sondern ein Loblied auf das Leben. Auf seine Einmaligkeit, seine Schönheit.

Das „Lesen auf dem Berg“ abschließen wird Thomas Erle aus der Gegend Freiburg, und zwar um 15 Uhr im alten Esssaal des Engels. Er hat eine rund tausendseitige Trilogie über den Schwarzwald geschrieben. Sie heißt: „Das Lied der Wächter“. Die Geschichte: Nach dem Supergau eines Atomkraftwerks ist der Schwarzwald von der Talsohle an aufwärts rigoros abgesperrt. Ein junger Mann wagt sich trotzdem hinein, auf der Suche nach seinen vermissten Eltern.

Nach 15 Jahren will Hansjörg Schneider künftig den Staffelstab an den SWR-Moderator Epkes übergeben. „Ich bin aber weiterhin dabei.“

  www.hochschwarzwald.de/Literaturtage

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