Zell im Wiesental Windkraft: Uhr nicht zurückstellen

Markgräfler Tagblatt
Bürgermeister Peter Palme (links) und Tobias Tusch, Geschäftsführer der EWS Energie GmbH, unterzeichnen den Nutzungsvertrag zur Errichtung von Windenergieanlagen auf dem Zeller Blauen. Foto: Peter Schwendele Foto: Markgräfler Tagblatt

Gemeinderat Zell: Gremium stimmt Nutzungsvertrag mit EWS für Windräder auf dem Zeller Blauen zu

Heftige Kritik begleitete die Beratung und Beschlussfassung des Nutzungsvertrags zwischen der Stadt Zell und den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) zur Errichtung von Windkraftanlagen auf dem Zeller Blauen. Rund 70 Gegner des Projekts waren im Ratssaal aufmarschiert. Der allergrößte Teil des Gemeinderats sprach sich dennoch klar dafür aus, das seit Jahren verfolgte Vorhaben vertraglich zu fixieren.

Von Peter Schwendele

Zell. Rein formal ging es am Montagabend um den letzten Schritt eines langen Wegs, der im Jahr 2012 mit der Vergabeentscheidung für das Windkraftprojekt an die EWS begonnen hatte. Grundlage ist der Teilflächennutzungsplan Windkraft der drei Kommunen Zell, Häg-Ehrsberg und Kleines Wiesental, der im April 2017 rechtskräftig geworden ist. Dieser dient dazu, begrenzte Flächen für die Errichtung von Windenergieanlagen auszuweisen und somit Wildwuchs in der Region zu verhindern. Eine der festgelegten Flächen stellt der Höhenrücken des Zeller Blauens dar, auf dem die EWS in Kooperation mit der Firma Enercon bis zu neun Windräder erstellen will. Gegen dieses Vorhaben richtet sich mittlerweile ein von einer Bürgerinitiative kanalisierter Protest, der dem Zeller Gemeinderat in dieser Sitzung ein so hohes Zuhöreraufkommen wie seit vielen Jahren nicht mehr bescherte.

Dirk Schöneweiß, der Rechtsberater der Stadt Zell, war im Verlauf der rund zweistündigen Debatte immer wieder als juristisch ausgebildete Fachperson gefragt. Er betonte, man habe ein „offenes, transparentes Vergabeverfahren“ hinter sich. Bei der Beteiligung der Öffentlichkeit habe es relativ wenig Rücklauf gegeben. „Alle Entscheidungen sind getroffen, heute geht es nur um den Vollzug“, sagte Schöneweiß.

Haltung der Fraktionen

Während die Gegner in zahlreichen Wortmeldungen ihre Bedenken zum Ausdruck brachten (siehe unten stehenden Bericht), legten die Gemeinderatsfraktionen ihre Positionen dar. SPD-Fraktionssprecherin Claudia Dolzer sagte, dass es sich bei dem anstehenden Beschluss um einen „rein formalen Akt“ im Hinblick auf die Ausgestaltung des Nutzungsvertrags handle. Diesem könne man „guten Gewissens“ zustimmen.

Die Fragen im Zusammenhang mit dem Windkraftprojekt auf dem Blauen, die die Bürger umtreiben würden, seien dagegen nicht Gegenstand dieser Sitzung, sondern Bestandteil des anschließenden Genehmigungsverfahrens, so Dolzer. Damit würden diese Punkte auch nicht in der Entscheidungshoheit des Gemeinderats, sondern in derjenigen der Genehmigungsbehörden liegen. Gleichwohl „liegt es uns fern, über die Bürger hinwegzugehen“, sagte die SPD-Fraktionssprecherin und betonte: „Die EWS steht für Öffentlichkeit.“ Man werde sich jederzeit mit den Gegnern des Projekts an einen Tisch setzen, denn „wir wollen verhindern, dass es zu einer Situation wie in Gersbach kommt, wo das Ganze teilweise eskaliert ist“.

CDU-Fraktionssprecher Thomas Schmidt setzte der etwas aufgeheizten Atmosphäre ebenfalls eine nüchterne Lagebeschreibung entgegen. Der Flächennutzungsplan und der Pachtvertrag seien bereits verabschiedet, es gehe nun lediglich um Vertragsdetails. Es habe in den vergangenen Jahren große Einigkeit geherrscht, dass man Windrad-Wildwuchs verhindern wolle. Jetzt gebe es nur noch die Alternative, „die Uhr auf Null zurückzustellen“, indem man den Vertrag ablehne und die Regressforderungen zahle, die dann unweigerlich entstehen würden. Wer dies wolle, müsse es ehrlich sagen, forderte Schmidt. Seiner Ansicht nach gelte es dagegen, das, was von den Bürgern ins Verfahren eingebracht werde, offen mit der EWS zu diskutieren. „Wir wünschen uns, dass das gut funktioniert“, so der CDU-Sprecher.

Silvia Chiarappa (FW) sah ebenfalls keinen Sinn darin, jetzt noch den Vertrag zu brechen. Den Flächennutzungsplan habe man aus guten Gründen erarbeitet. Sie fragte sich, wieso die Gegner nicht bereits vor Jahren ihre Bedenken angemeldet hätten. Grundsätzlich gebe es festgelegte Normen, etwa beim Abstand zu Wohnhäusern, und viele Aspekte des politischen Diskurses würden nicht im Ermessen des Gemeinderats liegen. „Ich finde diese Dinger mit Sicherheit nicht schön, aber ich habe ein Problem damit zu sagen: man kann die anderswo bauen, aber hier will ich sie nicht“, erklärte Chiarappa. Darüber hinaus könne die grundsätzliche Effizienzfrage der Windkraft nicht hier im Gremium erörtert werden.

Kritik von Hubert Sprich

Als Kritiker des Vorhabens gab sich Hubert Sprich (CDU) zu erkennen. Derzeit mache es keinen Sinn, neue Windräder zu bauen, zunächst müsse man sich um geeignete Speicheranlagen kümmern. Sprich, der einräumte, das Thema etwas „verschlafen“ zu haben, nannte Windkraftanlagen „spektakulär ineffizient“.

Der CDU-Gemeinderat mahnte an, zumindest jetzt über angemessene Abstandsregelungen zu Wohnhäusern nachzudenken. 500 Meter seien für die Weiler Blauen und Käsern „nicht akzeptabel“ und „spektakulär inhuman“. Sprich forderte die „Festlegung eines sachgerechten Mindestabstands“ statt der Ausstellung eines „Persilscheins“ für die EWS. Da es beim jetzigen Vertragsabschluss nicht möglich gewesen sei, diesen Punkt einzuarbeiten, stimmte er dagegen. Ihm gleich tat es Hannelore Vollmer (FW), die ebenfalls bemängelte, dass das Thema Mindestabstand nicht aufgegriffen wurde. Es waren die beiden einzigen Gegenstimmen.

Nicht mit allem einverstanden zeigte sich auch Werner Ganter (CDU); man sei „wie beim Schlafwandeln vorgegangen“. Er warf die Frage auf, ob nicht ein Bürgerentscheid eine Option wäre.

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