Zell im Wiesental „Wir müssen Kompromisse finden“

Markgräfler Tagblatt
Rund 400 Gäste kamen in die Stadthalle zum gemeinsamen Neujahrsempfang der Stadt Zell und des Landkreises Lörrach, der von der Zeller Stadtmusik musikalisch umrahmt wurde. Fotos: Peter Schwendele Foto: Markgräfler Tagblatt

Neujahrsempfang in Zell: Bürgermeister Peter Palme hält Rückschau und Ausblick

In Zell ist man es grundsätzlich gewohnt, dass nicht alle Wünsche im Hinblick auf die Stadtentwicklung prompt erfüllt werden können. Doch nach einigen tendenziell eher fetten als mageren Jahren musste Bürgermeister Peter Palme die Bevölkerung beim Neujahrsempfang am Mittwoch in der Stadthalle darauf einstimmen, dass in nächster Zukunft aufgrund des wieder enger werdenden finanziellen Spielraums nicht alle anvisierten Vorhaben wie erhofft umgesetzt werden können.

Von Peter Schwendele

Zell. Viele Projekte seien gestartet worden, doch einige müssten aufgrund der Haushaltslage verschoben, unterteilt oder gar abgesagt werden, sagte der Rathauschef in der mit rund 400 Zuhörern besetzten Halle beim von der Stadt Zell gemeinsam mit dem Landkreis Lörrach ausgerichteten Neujahrsempfang. Dieser Situation werde sich die Stadt nicht nur im begonnenen Jahr 2020, sondern auch in den Folgejahren gegenübersehen, so Palme in seinem Ausblick. Die Haushaltslage sei im Vergleich zu den letzten beiden Jahren „deutlich schlechter“, und so müsse man „immer wieder Kompromisse finden und Prioritäten setzen“.

Beispielhaft für diese Entwicklung ist die Sanierung des Bahnhofsvorplatzes. Diese habe sich aufgrund der enormen Kostensteigerungen gegenüber der ursprünglichen Planung als momentan nicht finanzierbar herausgestellt. „Wir werden dieses Projekt auf mehrere Bauabschnitte und Jahre aufteilen müssen“, sagte Palme.

Als Gründe für die angespanntere Haushaltssituation nannte der Bürgermeister Steuermindereinnahmen, die steigende Kreisumlage, erstmals zu tätigende Abschreibungen nach der Umstellung auf das Neue Kommunale Haushaltsrecht, die steigenden Baukosten und „drastische Mindereinnahmen“ im Bereich Forst. Der „kränkelnde Wald“ habe sich von der „Sparkasse“ zu einem Zuschussbetrieb entwickelt, der den Haushalt extrem belaste.

Schulsanierung größtes Projekt in der Geschichte

Als wichtigstes Ziel für das neue Jahr benannte Palme das Großprojekt Realschulsanierung, das Anfang 2019 gestartet wurde. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren und sollen Mitte 2021 fertiggestellt sein. „Wie bei jedem Großprojekt können die Kosten aufgrund der guten Baukonjunktur und den damit verbundenen hohen Baupreisen nicht eingehalten werden“, berichtete der Bürgermeister und legte dar, dass man momentan mit Gesamtkosten von 8,65 Millionen Euro rechne. Damit sei diese Maßnahme „mit weitem Abstand“ das größte Bauprojekt in der Geschichte Zells.

Unverzichtbar sei weiterhin, den Umbau der Sprachheilschule zu einer Kindergarten-Außenstelle schnellstmöglich zu beenden. Der zunächst sehr bedauerte Verlust der Landkreis-Einrichtung, die nach Hausen abgewandert ist, habe sich im vergangenen Jahr als Segen erwiesen, denn aufgrund dieser Entwicklung könne der Engpass an Kindergartenplätzen zumindest vorübergehend behoben werden. Im Frühjahr sollen zwei Kindergartengruppen in dem Gebäude Einzug halten.

In seinem Rückblick auf das abgelaufene Jahr, das der Bürgermeister als „turbulent und ereignisreich“ bezeichnete, verwies Palme unter anderem auf die drei Großbrände in Blauen, Gresgen und Atzenbach und bedankte sich in diesem Zusammenhang bei allen Einsatzkräften und Helfern. Im Fall Gresgen, bei dem es sich um Brandstiftung gehandelt habe, hofft der Rathauschef auf „Kommissar Zufall“, um doch noch den oder die Täter zu identifizieren.

Weitere Punkte, die Palme in seinem Rückblick anriss: Die voranschreitende Freibadsanierung, die Inbetriebnahme der Wasserversorgung Blauen, die Renovierung der „Walliser-Häuser“ in Atzenbach, in denen auch Flüchtlinge untergebracht sind, die Hangsicherung an der „Roten Fabrik“, den neuen Wendehammer am Zeller Friedhof, die Aufhebung der Johann-Faller-Schule, die Inbetriebnahme der Feuerwehrgaragen in Riedichen und Atzenbach, den Start der Seniorenakademie, die Wiedereröffnung des Jugendzentrums und die Wasserproblematik in Pfaffenberg.

Kurioses zum Thema Ärzteversorgung

Nicht locker lassen will der Bürgermeister bei der 2019 virulent gewordenen Problematik der mangelnden Ärzteversorgung. Nachdem zwei Ärzte Mitte des Jahres ihre Arbeit eingestellt hatten, musste Palme bei seinen Bemühungen zur Behebung der Misere Kurioses zur Kenntnis nehmen. So ging die Kassenärztliche Vereinigung (KV) offenbar trotz allem von einer Überversorgung Zells aus. Des Weiteren würden ausgeschiedene Ärzte bei der KV noch sechs Monate länger als praktizierend geführt, berichtete der verwunderte Palme. Mit dem neuen Jahr hätten sich diese Berechnungen und Annahmen allerdings erledigt. „Versprochen sind sofortige Verbesserungen, die uns weiterhelfen können“, sagte der Bürgermeister. Falls diese nicht eintreffen würden, „werden wir umgehend nachfassen“, kündigte Palme an und betonte, dass dabei ein Vorgehen mit vereinten Kräften notwendig sei.

Der Rathauschef ging ebenfalls kurz auf das Thema Innenstadtentwicklung ein. Einige als wichtig identifizierte Punkte, etwa der Umzug des Tourismusbüros, seien bereits vollzogen, weitere würden folgen. „Größere kostenintensive Maßnahmen geben unsere Finanzen momentan leider nicht her“, legte Peter Palme dar.

Angeschnitten wurde vom Bürgermeister auch das nächtliche, mit Sachbeschädigungen verbundene Treiben einer Jugendgruppierung, das die Stadt sehr belaste. Die Polizei zeige seit Monaten eine hohe Präsenz und schöpfe alle Möglichkeiten aus.

Ein kurzer Schwenk des Rathauschefs galt dem Gemeinderat und der Verwaltung. Nach der starken Veränderung des Ratsgremiums als Ergebnis der Kommunalwahlen im Jahr 2019 „haben wir einige Zeit gebraucht, um uns aneinander zu gewöhnen“, sagte Palme. Die Rathausverwaltung sei, auch im Hinblick darauf, dass langjährige Mitarbeiter die Rente am Horizont sehen, neu aufgestellt worden. Von einer Reduzierung der Fachbereiche verspreche man sich mehr Effektivität und Effizienz.

Nicht nachlassen werde die Stadt – bei allen strukturellen Einschränkungen und finanziellen Belastungen – in Sachen Unterstützung für die ehrenamtlich tätigen Vereine und Vereinigungen, versprach der Bürgermeister zum Abschluss seiner Ausführungen. „Was wäre unser Zell ohne ehrenamtliches Engagement, das keinesfalls als Selbstverständlichkeit betrachtet werden darf?“, fragte Palme. Gleichwohl verhehlte er nicht, dass in Zell wie andernorts das Aufrechterhalten der Vereinsstrukturen nicht leichter wird, was insbesondere die Auflösung der Naturfreunde Zell im vergangenen Jahr gezeigt habe. Der Bürgermeister rief die Bevölkerung dazu auf, sich in den Vereinen zu engagieren, schließlich sei „der Charme und die Stärke von Zell großteils dem ehrenamtlichen Engagement seiner Bürger zu verdanken“.

Umfrage

Bettina Stark-Watzinger

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat sich für Zivilschutzübungen an Schulen ausgesprochen. Damit sollen Schüler besser auf den Kriegsfall, Pandemien und Naturkatastrophen vorbereitet werden. Was halten Sie davon?

Ergebnis anzeigen
loading