Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnet die Arbeiten in den von den Erdbeben betroffenen elf Provinzen stolz als die "größte Baustelle der Erde". Auf ihr waren im Oktober 2024 dem Präsidenten zufolge 160.000 Menschen beschäftigt.
Für die Bewohner sei das eine handfeste Bedrohung, erzählt Mehmet Zencir, Generalsekretär der Türkischen Ärztekammer TTB. Die Staubbelastung in Antakya und an anderen Orten sei extrem hoch - und könne zur Ursache für Krebs werden. Zencir erwartet auch einen Anstieg der Herz- und Gefäßerkrankungen. Kurzfristig sehe man bereits deutlich mehr Atemwegsinfektionen. Menschen, die ohnehin schon krank seien, würden durch die hohe Belastung in der Luft außerdem weiter geschwächt. Der Regierung wirft Zencir unnötige Eile beim Wiederaufbau vor. Betonmischanlagen würden direkt ins Zentrum gebaut, um schnell voranzukommen. Das gesundheitliche Schicksal der dort lebenden und arbeitenden Menschen werde hintangestellt.
Die Erdbebenkatastrophe hat sich aber auch in die Psyche vieler tief eingegraben. Über Tage riefen Menschen unter den Trümmern nach Hilfe. Leute buddelten mit allem, was sie fanden - Gabeln, Löffeln, Stöcken. Aber bis die notwendigen Maschinen da waren, war es für viele der Verschütteten zu spät. Die Hilferufe, die aus den Trümmern drangen, wurden von einem starken Verwesungsgeruch abgelöst.
Selbstmordgedanken und -versuche seien in der Region deutlich häufiger, berichtet die Psychologin Elif Özbakan, die in einem Traumazentrum in Antakya arbeitet. Auch der Drogenmissbrauch in der Region habe deutlich zugenommen. Die Droge Methamphetamin etwa koste nur 20 türkische Lira - etwa 27 Cent. Ein verbreitetes Problem seien auch Beziehungsprobleme. Paare lebten in Container auf kleinsten Raum, häufig zusammen mit den Kindern. Für niemanden bleibe ein Rückzugsort.
Eine Prognose, wann Antakya wieder steht, will kaum einer wagen. Auch der Inhaber des Serenat, Güzelyurt, wirkt resigniert. Die Gesundheitsgefahren nimmt er in Kauf. Seine Stadt zu verlassen, werde nie eine Option sein - obwohl es sie eigentlich nicht mehr gibt.