125 Jahre ARaymond Mit dem Druckknopf und dem Auto zum Erfolg

Hubert Bernnat
Der Automobilzulieferer ARaymond – hier das Werk in Weil am Rhein – sieht sich in seinem Jubiläumsjahr gut aufgestellt. Foto: zVg/Erich Meyer

Vor 125 Jahren eröffnete Raymond seinen Betrieb an der Teichstraße. Das heutige Weltunternehmen hat eine wechselvolle Geschichte erlebt.

Am 17. März 1899 ging folgendes Schreiben an den Lörracher Stadtbaumeister Emil Hessner: „Da wir unsere Fabrik dahier in Betrieb setzen wollen, ersuchen wir Sie um Erlaubniss hierzu, damit wir unsere Räumlichkeiten beziehen können.“ Der Briefkopf hatte noch das Design des Grenobler Stammhauses des Druckknopfherstellers und Familienunternehmens A. Raymond, aber in einer Unterzeile stand schon „Succursale á LOERRACH (Bade)“, also Filiale Lörrach. Unterschrieben war sie von Louis Molinard, der als Prokurist mit gerade 24 Jahren zum ersten Geschäftsführer in Lörrach eingesetzt war. Molinard, der fließend Deutsch sprach, wohnte zuerst in der Riesstraße.

Foto: Firmenarchiv ARaymond

Gleich am nächsten Tag leitete Hessner das Schreiben an das Bezirksamt mit folgendem Zusatz weiter: „Die heute vorgenommene Nachschau ergab zu keiner Beanstandung Veranlassung. Großherzogl. Bezirksamt wolle gefälligst Bezugserlaubnis erteilen.“ Mit Datum vom 27. März 1899 vermerkte das Bezirksamt auf diesem Schreiben „Bezugserlaubnis ertheilt“. Somit kann am Tag darauf, am 28. März 1899, die Filiale Lörrach offiziell „in Betrieb gesetzt“ werden. Die Stadt entsprach sogar dem Wunsch, vor dem Firmengelände an der Teichstraße einen Gehweg einzurichten, sofern Raymond die Kosten von 245,25 Mark übernimmt. Am 28. Juli 1899 legte Baumeister Grießer-Sutter die Schlussabrechnung mit Nachträgen vor. Genau 60 714,09 Mark hatte der Fabrikbau gekostet.

Filiale entwickelt sich rasch

Die Filiale war gebaut worden, um besser auf dem deutschen Markt agieren zu können. Und an der Teichstraße hatte man günstig eines der noch letzten Grundstücke kaufen können. Vom Entschluss für Lörrach bis zur Eröffnung der Firma war gerade mal ein Jahr vergangen.

Lörrach war grenznah und es gab eine Eisenbahnverbindung über Basel, Bern bis nach Grenoble. Die Filiale entwickelte sich schnell, wurde ausgebaut und bot schon vor dem Ersten Weltkrieg rund 100 Menschen Arbeit. Schon bald wurden neben der Textil- und Lederwarenindustrie auch die Karosseriehersteller aller Art Kunden von Raymond, die Befestigung für die Verdecke ihrer Autos brauchten. So findet sich im Auftragsbuch schon am 9. April 1906 die erste Bestellung von Daimler. Schon 1908 wurde gezielt für den Kauf von Kronenfeder-Druckknöpfen für „Sattlerwaren, Wagen und Automobile“ geworben. Der Kronenfeder-Druckknopf war ja die Erfindung des Firmengründers Albert-Pierre Raymond, womit der Weltruhm der Firma begann.

Krieg und Wirtschaftskrise

Raymond überlebte auch die Enteignung im Ersten Weltkrieg und baute die Lörracher Zweigniederlassung zusammen mit dem ersten deutschen Geschäftsführer Hermann Reinhardt zwischen 1923 und 1925 aus. Das Repertoire wurde erweitert und der Name der Firma in Fabrik für Druckknöpfe und Metallwaren geändert. Die Weltwirtschaftskrise hätte die Firma fast an den Rand des Ruins gebracht. Doch dem neuen Geschäftsführer Jean Perrochat, dem die Lörracher Filiale unendlich viel zu verdanken hat, setzte ab 1935 verstärkt auf die Automobilindustrie. Kunden waren unter anderem Daimler, Opel, Auto-Union, Ford und Chrysler.

Doch der nationalsozialistische Krieg ab 1939 veränderte die Geschicke der Firma noch einmal gewaltig. Sie wurde zum zweiten Mal als „feindlicher Besitz“ enteignet und bald als wehrwirtschaftlich wichtiger Betrieb ganz der Kriegswirtschaft untergeordnet.

Schlimm ist, dass die deutsche Wehrmacht nach der Besetzung Grenobles dort schlimme Verbrechen begangen hat.

Aufschwung nach 1945

Diesen fiel auch ein Mitglied der Familie Raymond zum Opfer. Jean Perrochat, der mit Kriegsbeginn nach Grenoble zurückkehren musste, hatte sich sogar dem Widerstand im Vercors, dem gebirgigen Hinterland von Grenoble, angeschlossen.

Um so bemerkenswerter ist es, dass die Familie Raymond sofort nach Kriegsende beschloss, die Zweigniederlassung wieder in Betrieb zu setzen und ihr sogar mehr Selbstständigkeit zu geben. Jean Perrochat übernahm wieder die Geschäftsführung, die er mit großer Menschlichkeit und wirtschaftlichem Weitblick bis 1974 ausübte. Unter ihm wurde die Firma zu den „vereinigten Hüttenwerken“ so ausgebaut, dass das Firmengelände an der Teichstraße aus allen Nähten platze. Der Name war unter der Belegschaft entstanden, da die Firma immer wieder vergrößert und umgebaut werden musste. Perrochat hat wieder die Automobilindustrie als den Zukunftsmarkt erkannt und damit den großen Erfolg der Lörracher Niederlassung von Raymond begründet.

Verlagerung nach Weil

Ab 1987 erfolgte die Verlagerung der Produktion nach Weil am Rhein, da in Lörrach kein entsprechendes Areal zu finden war. Als Geschäftsführer hat ab 1990 Dr. Klaus Körber diesen Prozess begleitet.

Die Gegenwart

Gerade in diesen Wochen ist am alten Fabrikareal das neue Verwaltungs- und Entwicklungszentrum entstanden, ein Center of Collaboration. Raymond investierte hier über 40 Millionen Euro und leistete damit ein wichtiges Stück Stadtentwicklung. Seit 2012 ist Jürgen Trefzer Geschäftsführer, der damit das Unternehmen weiter in die Zukunft führen möchte. Was stehen bleibt, ist das Stammgebäude von 1899, das Firmenmuseum bleiben wird. Heute ist ARaymond für seine Artikel ein Global Player, der Herstellung von Schnellbefestigungssystemen für die Autoindustrie.

Mit der Region verbunden

Innovation war schon immer ein Markenzeichen der Firma. Das Oberzentrum Weil/Lörrach kann froh sein, dass sich Albert-Pierre Raymond vor 125 Jahren für den Standort Lörrach entschieden hat. Mindestens genauso wichtig ist aber, dass dies auch nach zwei Weltkriegen, die Deutschland auch gegen Frankreich geführt hat, so geblieben ist.

Die Familie Raymond hat zudem dafür gesorgt, dass die Firma ein Familienunternehmen geblieben ist, das wirtschaftlichen Erfolg mit sozialem Denken verbindet. Dafür steht der momentane Firmenchef Alain Raymond, der einen starken persönlichen Bezug zu Lörrach hat.

Der Autor ist Historiker, Gymnasiallehrer und ehemaliger Direktor des Hans-Thoma-Gymnasiums in Lörrach. Er ist auch Mitglied im Redaktionsteam des Stadtbuchs Lörrach.

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