Niedrige Zinsen lassen das Baugeschäft boomen. Die Auftragsbücher der Handwerker sind voll, Interessenten an Ausschreibungen Mangelware. Zusammen mit Preissteigerungen für Materialien ergibt sich daraus eine für die Kommunen unschöne Nebenwirkung: Die Kostenschätzungen für öffentliche Bauprojekte können kaum noch eingehalten werden. Von Dorothee Philipp Auggen. In Auggen erlebte der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung einen regelrechten Schock: Um insgesamt 50 Prozent überschreiten die Summen der Angebote für sieben Gewerke für die Flüchtlingsunterkunft in der Alten WG die Summe, die Planer Henri Vöckler für die Ausschreibung ausgerechnet hatte. Statt 146 000 Euro sollen nun 219 000 Euro für den Innenausbau der Wohnanlage ausgegeben werden. Bevor die Diskussion im Gemeinderat losging, bekundete auch der Planer sein Unbehagen mit dieser Entwicklung. Denn wenn die Bausumme steigt, steigen auch die Honorare für Planer und Architekten. Das regelt die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure HOAI, wobei Einzelne hier keinen Ermessensspielraum haben. Vöckler rechnete vor, dass sein Büro mit der neuen Summe etwa 10 000 bis 12 000 Euro mehr verdienen würde. Diesen Betrag wolle er nach Abschluss der Arbeiten für das neue Flüchtlingsheim spenden, stellte Vöckler in Aussicht. Dann nahm er Einsparungsmöglichkeiten der einzelnen Gewerke unter die Lupe und stellte sie dem Gremium vor. Bruno Kiefer eröffnete die Diskussion erkennbar echauffiert. Warum man jetzt erst von dieser Kostenexplosion erfahre, wollte er wissen. Zuletzt sei von einer Steigerung um zwölf Prozent die Rede gewesen. Und wer könne sagen, was an dem alten Gebäude noch an Zusatzausgaben notwendig wird" Ein solches Vorgehen würde einem Bauherrn in der freien Wirtschaft das unternehmerische Genick brechen, fand Kiefer. Die Schätzungen für den Neubau – das Obergeschoss, das auf die ehemaligen Räume der Firma Jace aufgesetzt werden soll – stimmen nach Vöckler auf den Cent, bei der vorhandenen Bausubstanz könne er das aber nicht sagen. Auch Bürgermeister Deutschmann wirkte betreten. Er legte dem Gremium aber dar, wie die Kommunen bei öffentlichen Aufträgen vorzugehen haben und dass Ausschreibungen verpflichtend seien. Auch dass man nach der Ausschreibung dem niedrigsten Angebot den Zuschlag erteilen müsse. Deutschmann erinnerte daran, dass dieses Projekt eine Pflichtaufgabe sei und dass man sich in der Vergangenheit bewusst gegen eine Containerlösung entschieden habe, weil man dann auch eine Nachnutzung für Mietwohnungen planen könne, wenn der eigentliche Zweck, die Aufnahme von Geflüchteten, einmal wegfallen sollte. Mit dem Bauprojekt will die Gemeinde auch vorrangig Flüchtlingsfamilien ins Dorf holen. Hier klappe die Integration besser als bei Einzelpersonen. Derzeit leben 28 geflüchtete Personen in Auggen, alle in Familien, und das Zusammenleben funktioniere wunderbar, sagte Deutschmann. Peter Danzeisen (CDU-Fraktion) bekundete sein Mitgefühl für Vöckler. Trotz dieser Verteuerung sei er aber immer noch für das Projekt. „Wir müssen in den sauren Apfel beißen und das durchziehen“, fand er. Auch Herwig Boeckle ist der Ansicht, dass man an der Planung festhalten solle. Er hätte sich allerdings gewünscht, dass der Gemeinderat etwas früher von der Preissteigerung erfahren hätte. Eine allzu starke Reduktion der Standards lehnt Boeckle ab: „Wir wollen jetzt nicht den billigen Jakob machen“, sagte er. Das Bauprojekt soll nach der aktuellen Lage insgesamt jetzt 698 000 Euro kosten. Die Kostenschätzung vom November 2015 lag bei knapp 492 000 Euro. Bei zwei Gegenstimmen (Kiefer, Danner) billigte der Gemeinderat die Arbeitsvergaben en bloc. Vöckle will aber weiter nach Einsparmöglichkeiten suchen.