Von Bianca Flier Bad Bellingen-Hertingen. „Musik der Empfindsamkeit“ stand auf dem Programm des ersten Konzerts des Kleinen Bad Bellinger Orgelsommers 2015 in der evangelischen Kirche in Hertingen. Karla Schröter an der Barockoboe und Willi Kronenberg an der Barockorgel begeisterten mit ihren genialen Interpretationen. Beide Solisten gehören dem renommierten Ensemble Concert Royal Köln an, das bekannt ist für seine Einstudierungen Alter Musik auf historischen Instrumenten. Die zahlreich erschienenen Hörer erwartete ein außergewöhnlicher Hörgenuss: Ein kongeniales Duo und zwei kostbare alte Instrumente – das garantierte sowohl einen Ohrenschmaus als auch eine Augenweide. Die Terre Haute Oboe und die einmanualige Orgel aus der Werkstatt von Blasius Bernauer erzeugten unter den virtuosen Händen der beiden Solisten wunderbare Klangbilder. Als „Musik der Empfindsamkeit“ bezeichnet man Kompositionen, die im Übergang vom Barock zur Klassik entstanden sind. Zum Auftakt erklang eine Partita in d-Moll von Johann Wilhelm Hertel (1727 – 1789). In drei Sätzen manifestierten sich andächtige, fröhliche und vitale Gestaltungseffekte. Innige Frömmigkeit und getragene Klage, wie sie für die sakrale Musik des Barock typisch sind, drückten sich in der Darbietung der Choralvorspiele „O Gott, du frommer Gott“ und „Durch Adams Fall ist ganz verderbt“ von August Homilius (1714 – 1785) aus. Neben den Duetten enthielt das Programm auch Stücke, die Willi Kronenberg solistisch an der kleinen Barockorgel vortrug. Einen erstaunlichen Reichtum an Klangfülle und Farbe offenbarte das Instrument bei der Interpretation von Johann Sebastian Bachs „Fantasia con Imitazione“ (BWV 563) in h-Moll. Nicht weniger überzeugend gelangen Kronenberg die Vorträge der vier Sätze der Sonata in C von Giovanni Battista Pescetti (1704 – 1766). Im Adagio kam auch das Tremolo-Register zum Tragen, während die rascheren Sätze voller Strahlkraft und mit vergnüglichem Gusto ausgeführt wurden. Ein kleines Schmankerl stellte Mozarts bekanntes Spieluhr-Andante dar, dessen kapriziöse Phrasierungen Ohrwurmcharakter haben. So mancher Hörer wird während dieser Orgelvorträge an ein pikantes Detail aus der Biographie des Orgelbauers Bernauer gedacht haben, von dem eine Müllheimer Chronik berichtet, er sei „dem Trunk ergeben“ gewesen. Doch Trunkenbold oder nicht: Sein Werk lebt noch heute fort in der wunderbaren kleinen Barockorgel in der Hertinger Kirche. Zum Finale des Konzerts fanden beide Solisten sich wieder zusammen mit dem Vortrag des Choralvorspiels „Nun danket alle Gott“ von Christian Gotthilf Tag (1735 – 1811) – eine anrührende sakrale Interpretation. Karla Schröter kam für diese Wiedergabe von der Empore herunter und spielte im Chorraum, so dass alle die wunderschöne Barockoboe gebührend bestaunen konnten. Von der Solistin erfuhren die Hörer dann auch noch, dass dieses Instrument erst am Hofe des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. entwickelt worden ist. In seinem Klang, der im Gegensatz zu der heute gebräuchlichen, weicher klingenden Konzertoboe manchmal etwas Schneidendes, an eine Schalmei Gemahnendes hat, ist es eine ideale Ergänzung zur Orgel, der Königin der Instrumente. Die Zugabe „Befiehl du deine Bewege“ war abgestimmt auf den tragischen Unfall beim Hertinger Grasbahnrennen am Samstag. Eine schöne und berührende Geste der beiden Solisten.