Bad Bellingen „Schön, unsere Sprache zu hören“

Weiler Zeitung
Markus Manfred Jung (im Hintergrund Uli Führe) forscht aussterbenden alemannischen Begriffen nach. Foto: Dorothee Philipp Foto: Weiler Zeitung

Mundarttage: Gelungenes Comeback des kleinen, feinen Festivals / Legenden der Mundart treten auf

Von Dorothee Philipp

Mit einem dicht gepackten Programm von acht Auftritten in zwei Tagen erlebten die Mundarttage am Wochenende nach einem Jahr Pause ein tolles Comeback.

Bad Bellingen. Nach dem Tod von Cornelia Ebinger-Zöld, die die Mundarttage bis 2015 organisiert, betreut und mit Leben gefüllt hatte, hatte die Bade- und Kurverwaltung mit einigen Getreuen der ersten Stunde wie Ilke Weisenseel und Ursula Kallmann die enorme Herausforderung gestemmt, das kleine, feine Mundartfestival neu zu beleben.

„Wir haben gebibbert“, verrät Dennis Schneider, Marketingleiter von der Kurverwaltung. Zum einen weil erst im Februar der Entschluss gefallen und die Zeit für die Einladung der Künstler denkbar knapp bemessen war, zum anderen sei der Vorverkauf „schrecklich“ gewesen. Doch dann passte alles, der Schlosskeller war am Samstag voll und der Schlosspark, der am Sonntag erstmals bespielt wurde, zeigte sich als wahres Juwel für Open-Air-Veranstaltungen. Die Schlossparkfreunde seien es gewesen, die für die Infrastruktur wie einen Zugang für Lieferfahrzeuge und Anschlüsse für Catering und Bühnentechnik gesorgt hatten, sagt Schneider.

Nach Robert Frank Jacobi, dem Elsässer mit den gefühligen, charmanten und manchmal frivolen Chansons, traten am Nachmittag mit Karl David und Martin Lutz zwei Barden aus Neuenburg auf, beileibe keine Unbekannten und vom Publikum wegen ihres rauen Charmes geliebt. Und tatsächlich klingt das Alemannisch in einer ganz neuen Nuance, wenn man „vu Neibag“ kommt. „Zwei Gidarre un e Mundharmonika“ braucht es nur und dazu die markige Stimme von Martin Lutz, die so herrlich aggressiv aufdrehen kann, und schon steht auch das Publikum unter Strom. Die beiden singen etwa von pubertären Abenteuern mit Lagerfeuer-Romantik auf der nächtlichen Panzerplatte vor langer Zeit – „unser Platz am Rhii“ –, von „de g’läbte Stunde“, die so wichtig sind, um aus dem Hamsterrad der Arbeit rauszukommen. Texte und Musik sind authentisch in ihrem alemannischen Selbstbewusstsein und sprühenden Temperament. Das Publikum ist begeistert.

„Ich bin heute das erste Mal hier“, sagt eine Frau aus Schliengen. Ihr gefällt das Festival, und sie will wieder kommen. „Ist doch schön, wenn man mal wieder unsere Sprache hört“, meint sie.

Überhaupt herrscht am Sonntag Partystimmung und ein reger Wechsel in den Zuschauerreihen, die aber bis zum Schluss gut besetzt sind. Zumal der Eintritt am Nachmittag auf vier Euro reduziert ist. Und dann kommen Uli Führe und Markus Manfred Jung, zwei Legenden der alemannischen Mundart, als Musiker und Komiker der eine und als Dichter und sensibler Sprachforscher der andere. Beide wurden bereits mit Preisen und Ehren bedacht. Führe lässt die Leute raten, wer der Lehrer war, den der Pfarrer Schlotterbeck für seine Kinder eingestellt hat und der „Knaster“ genannt wurde, weil er ständig die Pfeife im Gesicht hatte. Der Johann Peter. „Der het g’schtunke“, verrät Führe schlitzohrig und setzt mit einem lässigen Swing zum „allzeit vergnügten Tabakraucher“ an. „Dabadu dabadu – des Pfiffle schmeckt so guet“, navigiert er den Song durch alle Jahreszeiten. Jetzt versteht man, warum der Swing 1801 im Badischen erfunden wurde.

Jung beginnt mit einer einfühlsamen Hommage an „Conny“, die Frau, die die Mundarttage aus der Taufe gehoben und so erfolgreich gemacht hat, mit dem Gedicht „Unterwegs sii“. Das ist sein Markenzeichen: Kurze prägnante Sätze, in denen jede Silbe ihre Bedeutung hat und die die alemannische Sprechmelodie so schön zur Geltung bringen. Unterwegs sein, aber nicht zu schnell, „d’ Seel chunnt nit hintennoch“. „Adjö Conny“, schließt er.

Dann widmet er sich den Wörtern, die am Aussterben sind wie „mampfle“ oder „mängele“, „Wörter zuem rette“, und setzt zu einem genialen Exkurs zu den Dutzenden von Begriffen für „Kartoffel“ an, ein rhythmisches Sprachkunstwerk, das immer schneller läuft und so akustisch den unerschöpflichen Reichtum des Alemannischen abbildet.

Man hätte gern noch mehr gehört, aber dann öffnet der Himmel seine Schleusen und das Fest muss zehn Minuten früher als geplant abgebrochen werden. Die Bad Bellinger Mundarttage sind zurück und sie sollen auf jeden Fall im kommenden Jahr fortgesetzt werden, ist sich Dennis Schneider sicher.

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