Bad Bellingen (jut). Glücklich waren die Bad Bellinger Gemeinderatsmitglieder nicht darüber, dass die Landesregierung beschlossen hat, zum Jahr 2020 das neue Kassen- und Haushaltsrecht (NKHR) für die Kommunen einzuführen. Die Gesetzeslage gibt indes keinen Spielraum: Der Gemeinderat beschloss darum einstimmig, zum 1. Januar 2018 auf die sogenannte Doppik umzustellen und die dafür nötige Finanzsoftware anzuschaffen. Bisher wird bei der Buchhaltung die Kameralistik angewandt – ein System, mit dem man im Gemeindewesen jahrelang gut gefahren sei, wie der Rechnungsamtsleiter Frank Spiegelhalter meinte, der die Kernpunkte des NKHR noch einmal deutlich machte. „Doppik steht für ‚doppelte Buchführung in Konten‘“, erläuterte Spiegelhalter. Im kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen stützt sie sich auf drei Säulen: die Ergebnisrechnung, die Finanzrechnung und die Vermögensrechnung. Die Doppik werde im Allgemeinen in der Buchführung der freien Wirtschaft praktiziert, erläuterte er weiter. Sämtliche Geschäftsvorgänge werden doppelt auf zwei Konten gebucht, jeweils als „Soll“ und „Haben“. Dabei werden, anders als bei der Kameralistik, nicht nur Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge festgehalten, sondern auch Besitztümer der Gemeinden, Schulden und Außenstände. Mit der Doppik soll es möglich sein, einen Überblick über betriebswirtschaftliche Ergebnisse, also Gewinne und Verluste, über den Vermögensstand einer Gemeinde und deren Verbindlichkeiten zu gewinnen. „Insgesamt ist das ein Riesenaufwand, und wir fangen jetzt schon mal damit an, das Vermögen zu erheben – also welche bebauten und unbebauten Grundstücke wir haben, wie viele Straßen auf Gemeindegrund verlaufen, das Abwassernetz- und Wassernetz sowie den Wald und auch bewegliches Vermögen zu bewerten“. Ein Vorteil der Umstellung sei: „Man sieht einmal, was der genaue Vermögensbestand der Gemeinde ist“, stellte er fest. Um die Übersicht zu behalten und Vergleiche anzustellen, sollen die Haushalte für 2016 und 2017 als Doppelhaushalte aufgestellt werden. Bürgermeister Christoph Hoffmann berichtete, dass die Doppik in einigen Bundesländern schon eingeführt worden sei, „die Erfahrungen sind nicht sehr gut“, hielt er fest. Gemeinderat Wolfgang Müller war richtig sauer. „Ein Wahnsinnsaufwand wird auf die Gemeinden abgeladen und mit welchem Sinn" Fast alle Gemeinden arbeiten doch defizitär. Wir sind doch kein Wirtschafts-, sondern ein Zuwendungsbetrieb. Und dann werden sie, weil sie keine Gewinne erwirtschaften, irgendwann unter Kuratel gestellt“, wetterte er. Hoffmann ergänzte Müllers Einlassungen. „Wie soll man einen Dorfbrunnen abschreiben, wie soll man dessen Wert ansetzen – mit dem von vor 100 Jahren" Wie eine abgeschriebene Halle beim Vermögen bewerten" Das ist ja völlig irre, was bei den Vermögensbewertungen gefordert wird“, schüttelte er den Kopf. Nichtsdestotrotz sei man an die Gesetzeslage gebunden. Die Frage, warum die gut funktionierende Kameralistik angesichts eines Systems aufgegeben werde, das von der freien Wirtschaft nicht ohne weiteres auf Kommunen übertragbar sei, müsse man aber stellen dürfen, hielt man im Gemeinderat fest.