Badenweiler Wahre Meister in der Alchemie der Sprachen

Weiler Zeitung
Zwei Dichter, zwei Freunde: Cees Nooteboom (links) und Michael Krüger bei den Badenweiler Literaturtagen. Foto: Dorothee Philipp Foto: Weiler Zeitung

Davon kann man nicht genug bekommen: Die Noteboom-Krüger-Lesung war eine Sternstunde der Badenweiler Literaturtage

Badenweiler (do). Ein Dichter schreibt einen Text, wie ein anderer Dichter in Italien auf den Spuren eines weiteren Dichters wandelt. Der italienische Dichter ist schon lange tot, der erste Dichter liest seinen Text vor, während der zweite ihm zuhört. Und mit ihm das Publikum im vollbesetztes Kuppelsaal des Hotel Römerbad.

Der Zuhörer ist Michael Krüger, am Lesepult steht sein Freund Cees Nooteboom, eine außergewöhnliche Konstellation, eine Sternstunde der diesjährigen Badenweiler Literaturtage. Nur eine lange Weggemeinschaft als Freunde kann eine solche Intimität erzeugen, dass der eine quasi in den Kopf des anderen hineinschlüpft und seine Gedanken, Eindrücke und Erlebnisse niederschreibt.

Am letzten Abend der Literaturtage erlebte das Publikum, das mit Leben und Werk der beiden Literaten bestens vertraut ist, in dem Dialog der Freunde neue, anrührende und nachdenkliche Momente, die nicht zwischen Buchdeckeln zu kaufen sind.

Lyrik war das Hauptthema des Abends, darin sind beide versiert, der niederländische Großmeister und der langjährige Verleger bei Hanser, der als Schriftsteller und Autor von 35 Büchern die Literatur „von innen und von außen“ kennt. Sie sind Meister der verdichteten Bilder, die so vieles sagen und noch mehr an Ungefährem evozieren, etwa bei Nooteboom der „Fuchs mit seiner Religion“ oder die „Zeit als Funke aus dem Gestein geschlagen“, bei Krüger die „Bibliothek des Ohres“ oder der „honighelle Augenblick“.

Beide haben eine sonore, wohltönende Stimme, man folgt ihnen wie in Trance, kann nicht genug bekommen vom Zuhören und Miterleben, von der Freude am unverbrauchten Wort. Bei Nooteboom kommt noch seine Sprachvielfalt hinzu, sein Deutsch mit den winzigen holländischen Anflügen wie „St-ein“ hat einen unvergleichlichen Charme, sein Italienisch klingt wie reine Musik, sein Niederländisch verführerisch auch dem, der es nicht beherrscht, mit seinen weichen, dunklen Vokalen und den einschmeichelnden Konsonanten.

Nooteboom beherrscht die „Alchemie, die das Gold der einen in das Gold der anderen Sprache verwandelt“. So hat Nooteboom Krügers Gedicht „Wo ich geboren wurde“, in dem der „Mann mit dem Hasenherz“ von seiner Kindheit und dem Großvater mit dem Glasauge erzählt, ins Holländische übertragen.

Das Publikum im Kuppelsaal durfte beide Versionen hören, die deutsche von Krüger, die holländische von Nooteboom. Solche intensiven Momente sind schwer zu übertreffen.

Und wer war nun der dritte Dichter? Sein Name war Giacomo Leopardi, Nooteboom lässt seinen Protagonisten Krüger im italienischen Städtchen Recanati, Leopardis Geburtsort, auf die Suche gehen, seine Prosa ist kraftvoll wie seine Bilder. Er zeichnet mit wenigen Strichen den Palazzo, in dem Leopardi geboren wurde so plastisch, dass man das Bild in Wikipedia gar nicht mehr braucht, ebenso plastisch ist das Innenleben seiner Figuren und ebenso meisterlich führt er das Phantastische in seine Erzählung ein, wenn Leopardi auf einmal von seinem Denkmalsockel herabsteigt und Krüger zum „Colle dell’ infinito“ lotst, und der Autor feststellt: „Das ist der Vorteil des Totseins, man kommt überall hin“.

Womit dem reichen Panorama der Literaturtage zum Thema „Spiel mit der Zeit“ eine weitere faszinierende Facette hinzugefügt wurde.

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